Floridas republikanischer Gouverneur Ron DeSantis könnte Donald Trump gefährlich werden, falls der Ex-Präsident 2024 erneut kandidiert. Der 44-jährige Jurist gilt als cleverer, disziplinierter und fähiger als Trump – und längerfristig für die verunsicherten Demokraten als unbequemerer Gegner.
«Wie schläft Ron DeSantis nachts?», fragte unlängst in der «Washington Post» Kolumnist Dana Milbank über den Gouverneur von Florida. Milbank bezog sich auf die Corona-Politik des ehrgeizigen Republikaners, der in der Partei als aussichtsreichster Rivale Donald Trumps gehandelt wird, sollte sich der Ex-Präsident in zwei Jahren ein drittes Mal um den Einzug ins Weisse Haus bewerben.
Zwar regiert DeSantis einen Staat, der landesweit am viertmeisten Pandemie-Tote beklagte und dessen Bewohnerinnen und Bewohner, sobald es Impfstoffe gegeben hat, sieben Mal eher an Covid-19 starben als etwa die Leute in Washington DC. Der Gouverneur, der landesweit zu den schärfsten Kritikern der Impfmassnahmen gehört, klagte gegen das Ausstellen von Zertifikaten, stoppte die Maskenpflicht und zitierte falsche Statistiken. All das hat jedoch, wie Umfragen zeigen, seiner Popularität im «Sonnenscheinstaat» nicht geschadet. Seine Wiederwahl zum Gouverneur im Herbst 2022 gilt als sicher.
Ähnlich wie andere eingefleischte Rechte hat Ron DeSantis Wladimir Putins Krieg in der Ukraine bisher nur zurückhaltend kritisiert. Während er für die Invasion die «Schwäche» der Regierung Biden verantwortlich macht, lobt er Donald Trump ausdrücklich: «Als Obama Präsident war, eroberte Putin die Krim. Als Trump Präsident war, haben sie (die Russen) sich nichts genommen. Und jetzt ist Biden Präsident und sie fallen in der Ukraine ein.»
Derweil stimmten im Kongress acht republikanische Abgeordnete gegen ein Gesetz, das normale Handelsbeziehungen mit Russland und Belarus aufhebt. Doch das Repräsentantenhaus bejahte die Vorlage in seltener Einigkeit mit 424 zu 8 Stimmen zu. Was Andy Borowitz, den Satiriker des Magazins «The New Yorker» zu einer Kolumne unter folgendem Titel inspirierte: «Republikaner unterstützen Demokratie in der Ukraine, solange sie nicht auf die USA übergreift».
Oscar Wilde wird das Bonmot zugeschrieben, wonach das Leben die Kunst öfter imitiert als die Kunst das Leben. Im aktuellen Fall imitiert die Politik die Satire. Denn Ron DeSantis hat seit seiner Wahl 2018 einiges unternommen, um demokratische Normen zu unterlaufen, auch wenn ihn Floridas Justiz zum Teil noch stoppte. Er verneint den Klimawandel, geht Umweltprobleme nicht an, stellt sich gegen eine fairere Krankenversicherung und gegen einen besseren Schutz vor Umweltschäden, opponiert gegen ein effizienteres Bildungs- und Sozialsystem und schwächt das allgemeine Wahlrecht.
Im Sommer wird der Gouverneur in Tallahassee wohl ein vom republikanisch dominierten Parlament verabschiedetes Gesetz unterzeichnen, wonach es in Kindergärten und in den ersten drei Schuljahren verboten sein soll, über Themen wie sexuelle Orientierung oder Gender-Identität zu sprechen – ein Gesetz, das Gegner «’Don’t say gay’ bill» nennen: Sag’ nicht schwul. Ron DeSantis kümmert es wenig, dass laut Umfragen eine Mehrheit der Bevölkerung in Florida ein Gesetz ablehnt, das auch Präsident Joe Biden «hasserfüllt» nennt.
Für den Gouverneur ist das «Don’t say gay»-Gesetz eine Waffe im erbitterten Kulturkrieg gegen Linke, liberale Medien und Progressive: «Das ist es, was wir in Florida tun, wir gehen für die Freiheit der Leute auf die Barrikaden. Wir bekämpfen ‘wokeness’ (Wachsamkeit für Diskriminierung und Missstände, d. Red.). Wir opponieren gegen alle diese Dinge.»
Ron DeSantis spaltet, wie es Donald Trump tut, der ihn vor vier Jahren im Wahlkampf um den Gouverneurssitz tatkräftig unterstützt hat. Noch gilt das Verhältnis zwischen den beiden als eigentlich gut, doch das könnte sich ändern, sollte DeSantis 2024 für die amerikanische Präsidentschaft kandidieren, was er bis heute offiziell nicht angekündigt hat. Sollten sich aber Trump wie DeSantis für die republikanische Partei um den Einzug ins Weisse Haus duellieren, stellt sich die Frage, wer von beiden am Ende die Nase vorn hätte.
Auf den ersten Blick ist es Donald Trump, den die Partei nach wie vor wie einen Mafia-Don verehrt und fürchtet und dem auch Amerikas konservative Medien wie Fox News untertänig huldigen. Hingegen gibt es politische Beobachter, die Ron DeSantis grössere Chancen einräumen, da ihm zwar das Showtalent des 45. Präsidenten abgehe, er aber gut vernetzt, politisch sattelfest und ein begnadeter Eintreiber von Wahlspenden sei. Die Rede ist, was den Gouverneur betrifft, von «kompetentem Trumpismus» oder von «Trump ohne goldene Toilette».
Ausserdem ist De
Santis der beliebte Gouverneur eines Südstaates, der bei Präsidentenwahlen traditionell zu den matchentscheidenden Bundesstaaten gehört. Und Trump, realitätsfern und selbstherrlich wie er ist, könnte DeSantis als Rivalen unterschätzen. Immerhin hat der Gouverneur letztes Jahr eine «strawpoll», d.h. eine informelle Meinungsumfrage unter konservativen Republikanern vor Trump gewonnen.
Auch unter Parteimitgliedern in Florida ist DeSantis populärer als Trump. «DeSantis und Cotton (Senator Tom Cotton aus Arkansas, auch er ein möglicher Präsidentschaftskandidat) sind gefährlich, weil sie beide hartgesottene Ideologen sind und geschickter sowie disziplinierter agieren würden als Trump, wenn es darum geht, die Hebel der Macht zu bedienen, um ihre rechte politische Agenda zu verwirklichen», sagt der demokratische Meinungsforscher Geoff Garin.
Ron DeSantis gehört zu jener Spezies republikanischer Politiker, die zwar an Eliteuniversitäten ausgebildet worden sind, sich im Wissen um die Herkunft und die Vorlieben ihrer Stammwählerschaft aber äusserst volksnah geben. Er studierte in Yale und Harvard und war als Jurist für die US-Marine in Guantánamo Bay und als Berater der Eliteeinheit «SEAL Team One» tätig. Es heisst, er plane seine politische Karriere wie einen militärischen Feldzug.
Der Historikerin Nancy Isenberg zufolge repräsentiert Ron DeSantis jenen erprobten Typ des amerikanischen Politikers, der vorgibt, sich um normale Menschen zu kümmern, und dem Volk nach dem Maul redet, in Wirklichkeit aber nur seine ideologischen Ziele und die Karriere im Auge hat. Weisse Wählerinnen und Wähler, bemerkte schon Präsident Lyndon Johnson, liessen sich von der Show der Populisten blenden, ohne zu merken, wie sie ihnen das Geld aus der Tasche zögen.
Zwar hat DeSantis Spekulationen, wonach er 2024 als Präsident kandidiere, bisher als «Unsinn» abgetan. Doch dass er nicht chancenlos wäre, zeigt wohl der Umstand, dass Donald Trump seinen früheren Schützling zu kritisieren begonnen hat. Ohne ihn namentlich zu nennen, nannte er Politiker wie DeSantis «feige», weil sie sich weigerten, ihren Impfstatus zu verraten. Und Vertrauten gegenüber hat Trump verlauten lassen, der Gouverneur sei «ein undankbarer Mensch mit einer langweiligen Persönlichkeit», der keine realistische Chance habe, ihn 2024 zu schlagen. Es wäre nicht das erste Mal, dass der 45. Präsident sich irrt. Obwohl Ron DeSantis, wie Demokraten fürchten, für Amerikas Liberale ein noch schlimmerer Alptraum werden könnte als Donald Trump.