Es soll immer noch ein paar versprengte Leichtgläubige geben. Die meinen, das Schnüffelmonster FATCA, der Automatische Informationsaustausch, all diese oktroyierten Ausspähprogramme dienten nur dem Kampf gegen Steuerhinterzieher.
Seitdem bekannt ist, dass die USA natürlich auch SWIFT anzapfen, kratzt sich doch der eine oder andere Leichtgläubige am Hinterkopf. Um das zu können, muss man natürlich zuerst verstehen, was SWIFT ist.
Einblick in alles
Die meisten Geldtransfers weltweit werden über die Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication (SWIFT) abgewickelt. Computerisiert, standardisiert, schnell. Jeder, der schon einmal nach einer BIC- oder IBAN-Nummer gefragt wurde, hat es bereits verwendet. Und natürlich ist die Datenübermittlung strikt vertraulich. Nun ja, im Rahmen der Schnüffelmassnahmen nach 9/11 haben die USA auch bei SWIFT mit der Brechstange versucht, an Informationen über diese Abwicklung von Zahlungstransfers heranzukommen.
Das war auch weiter nicht schwierig, weil die gesammelten Daten auf einem Server in Culpeper (USA) gespiegelt wurden. Nur zur Sicherheit natürlich, wäre ja furchtbar, wenn etwas verloren ginge, und niemals würden die USA unbefugt reinschauen. Wie kann man einem Rechtsstaat so etwas auch nur unterstellen.
Nachdem die USA aber ein paar Mal mit den Fingern im Datentopf erwischt wurden, erhob sich wie üblich grosses Geschrei, man quälte sich auf EU-Ebene zu einem Abkommen mit dem Rechtsstaat USA, der fein zwischen im Rahmen der Terrorismusbekämpfung legalen und illegalen Schnüffeleien unterscheidet. Wie es sich für Rechtsstaaten in internationalen Abkommen gehört.
Pfeif drauf
Und was sagen die USA zu internationalen Abkommen, Datenschutz, Respektierung der Privatsphäre und der Rechtssouveränität unabhängiger Staaten? Richtig geraten: Pfeif drauf. Nach neusten Presseberichten, die ja wohl selbst Leichtgläubige nicht mehr überraschen können, spioniert der einschlägig bekannte US-Schnüffeldienst NSA auch ungeniert in SWIFT herum. Schon wieder erhebt sich grosses Geschrei. Wenn das stimme, sei das «Rechtsbruch», Europa werde «an der Nase herumgeführt», drastische Konsequenzen werden gefordert. Mal wieder. So wie damals, als 2006 die CIA die SWIFT-Daten abgriff.
Leider ist es jedoch so, dass dieser zerbrochene Krug nicht mehr geflickt werden kann. Was jeder, der eine Ahnung von digitalisierter Datenübermittlung in jeder Form hat, schon lange wusste, ist in den letzten Monaten einfach offenkundig geworden. Lustigerweise wurde der Schnüffelstaat USA selbst Opfer der Digitalisierung. Ein Whistleblower kopierte ganze Datenbanken der NSA und veröffentlicht sie nun Stück für Stück.
Bislang erwies sich jedes halbe Dementi der USA als volle Lüge, also wird es wohl auch diesmal nicht anders sein. Aber das alles ist ja nur die Orwell-Welt der modernen Überwachung. Gerade für die Schweiz bietet sich hier aber die Gelegenheit, mal etwas mehr Rückgrat als auch schon zu beweisen – wenn unsere Regierung noch weiss, wo sie es versteckt hat.
Ein kleiner Ort in der Schweiz
Gerade rechtzeitig wurde in Diessenhofen (Thurgau, rund 3500 Einwohner) dieses Jahr ein neues Verarbeitungszentrum von SWIFT fertiggestellt. Heureka, da war doch mal was mit neutraler und souveräner Schweiz, wehrhaft, mit historisch verbürgter Abneigung gegen fremde Vögte.
Bislang ist es Brauch, dass die USA mündlich mit welcher Begründung auch immer Einsicht in den SWIFT-Datenverkehr verlangen können – und auch bekommen. Und sollte es tatsächlich einmal vorkommen, dass sie ihnen verweigert wird, dann wirft die NSA halt einen neuen Server an. Nach der schönen Devise: Zuerst fragen wir höflich, und dann holen wir’s uns auf jeden Fall.
Nun könnte die Schweiz, man darf ja träumen, sich an ihre rechtsstaatliche Souveränität erinnern und sagen: «Finger ab de Röschti.» Das liesse sich problemlos auf Englisch übersetzen und würde das leicht lädierte Image der Schweiz als kapitulationswilliger Staat in allen Finanzfragen gewaltig verbessern.
Erkenntnisgewinn?
Darüber hinaus kann man die Frage in den Raum stellen, ob die Leichgläubigen und diejenigen, die sich den Denkapparat durch die Verwendung des Wortes «Steuerhinterzieher» paralysieren lassen, nicht endlich mal zur Kenntnis nehmen wollen, dass jede Überwachungsmassnahme Tür und Tor für Missbrauch öffnet. Einfach die Grenze der Legalität weiter hinausschiebt, auf Kosten der Privatsphäre jedes Staatsbürgers, auch des unschuldigen, des braven Steuerzahlers. Und der Missbrauch droht ja nicht in der Zukunft, er ist schon da. Unübersehbar, gigantisch, grenzenlos.
FATCA wurde vom Schweizer Parlament geschluckt, wie schon vieles zuvor. Wàre es angesichts dieser Situation nicht angebracht, beim Automatischen Informationsaustausch, bei allen weiteren Zumutungen einfach zu sagen: Die Antwort ist Nein. Was war schon wieder die Frage? Und hinzuzufügen: Wenn wir jemanden bei uns mit den Fingern in hier gelagerten Daten erwischen, dann kracht’s. Dann wird die Kröte nicht geschluckt, sondern platt gemacht.