Es ist kurios. Da leben wir in einer Zeit, in der das allgemeine Aufklären und Hinterfragen vor nichts mehr Halt zu machen scheint und man sich zum Beispiel auch öffentliche Kunstwerke, Statuen, Denkmäler, sogar Gedichte vornimmt, um nach ihrer Opportunität oder Daseinsberechtigung zu fragen. In eben dieser Stimmung enthüllt man in der schönen Stadt Trier – unter Jubel- und Protestgeschrei – eine 5,5 Meter hohe Bronzebüste. Sie stellt den berühmten und berüchtigten Sohn der Stadt dar: Karl Marx, geboren vor 200 Jahren, am 5. Mai 1818.
Es war unterhaltsam, sich in die zahllosen Verbeugungen und Verbiegungen hineinzulesen, die zum Anlass des Geburtstages in den Medien weltweit verbreitet wurden. Amüsant zu verfolgen, wie Altmarxisten trotzig am „Kapital“ festhielten, das sie vielleicht sogar gelesen hatten, während sich jüngere Nachfolger überaus wortreich in der Kunst übten, Marx vom real vermurxten Marxismus sowjetischer oder nordkoreanischer Prägung zu trennen, für den man den Namensgeber nicht verantwortlich machen könne.
Dass Trier jetzt einen bronzenen Marx besitzt, verdankt die Stadt ausgerechnet China, einem Land, das es versteht, die marxistische Staatsreligion so zu verformen, dass sie sich in manchen Bereichen vom niederträchtigsten Kapitalismus nicht mehr unterscheidet. Ein chinesischer Bildhauer hat die Figur des linken Vordenkers geschaffen. Triers Oberbürgermeister hofft auf wirtschaftlichen Aufschwung. Marx soll chinesische Touristenströme in die Stadt lotsen.
Als Liebhaber der griechischen Mythologie würde ich da zur Vorsicht raten, die Statue genau ins Visier nehmen und nachschauen, ob nicht ein verborgenes Türchen in sie hinein- beziehungsweise aus ihr heraus führt. Haben sich die schlauen Chinesen vielleicht an das hölzerne Pferd erinnert, dass einst Troja zum Verhängnis wurde? Und schicken sich an, dem geschenkten Marx demnächst zu entsteigen, um dem Klassenfeind an den Kragen zu gehen?