Als die Initiatoren vor einer Woche, am 12. März, im hessischen Oberursel eine erste grosse Veranstaltung abhielten, reichte die Stadthalle kaum aus. Mehr als 1'200 Interessenten waren gekommen, zum Teil aus Frankfurt und Wiesbaden. Die Stimmung war fantastisch.
In Oberursel traten der Ökonom Joachim Starbatty, die Rechtsanwältin Beatrix von Storch, der Journalist Konrad Adam und der Publizist Alexander Gauland vor das Publikum. Niemand von ihnen ist unbekannt, im Gegenteil. Sie konservativ zu nennen, ist gewiss kein Fehler, aber sie sind keine rechten Populisten. Was alle eint, ist die Kritik am Euro ohne Alternative.
"Besorgt in Sakko und Blazer"
Die FAZ brachte es in ihrem Bericht, „Besorgt in Sakko und Blazer“, auf den Punkt: „Die Unterstützerliste der schon beim Bundeswahlleiter angemeldeten Partei liest sich wie ein Vorlesungsverzeichnis aus dem Fach VWL.“ Auf der Website der AfG findet man nicht nur die Unterstützerliste, sondern auch in erfrischender Kürze das Programm.
Man kann es auf zwei Punkte zuspitzen: Die Politik des Rechtsbruchs muss aufhören, und es muss eine Möglichkeit geschaffen werden, dass Mitgliedsländer den Euro wieder verlassen können. Bekanntlich besteht der zentrale Rechtsbruch darin, dass entgegen den Maastrichter Verträgen – „no bail-out“ – Gelder zur „Rettung“ ganzer Staaten transferiert werden. Und weil diese Staaten keine Möglichkeit haben, den Euro als eine für sie viel zu hoch bewertete Währung wieder zu verlassen, versinken sie immer tiefer im Elend und ziehen die anderen Euro-Länder mit in die Katastrophe.
Das Fass ohne Boden
Deswegen muss auch Deutschland die Möglichkeit haben, über Sinn und Unsinn des Euro zu entscheiden, sttatt blindlings eine Milliarde nach der anderen in ein Fass zu werfen, von dem nur eines ganz sicher bekannt ist: dass es keinen Boden hat.
Am Montag dieser Woche präsentierten die promovierte Chemikerin Frauke Petry, der Ökonom Bernd Lucke und die PR-Frau Dagmar Metzger die neue Partei, die im April ihre erste Generalversammlung haben wird, vor der Berliner Bundespressekonferenz. Insgesamt verzeichne die Partei inzwischen mehr als 3'000 Unterstützer. Neben dem emeritierten Volkswirtschaftsprofessor Joachim Starbatty und dem Staatsrechtler Karl Albrecht Schachtschneider, die schon in Karlsruhe gegen die Euro-Hilfspakete klagten, ist auch der Ex-BDI-Chef Hans-Olaf Henkel dabei.
Einfache Wahrheiten
Nichts verblüfft mehr als das Aussprechen einfacher Wahrheiten. Das gilt insbesondere dann, wenn die Wahrnehmung der Wirklichkeit durch verfehlte Prämissen so verkorkst ist, dass am Ende niemand mehr durchschaut. Der Euro ist ein falsches Konstrukt mit fatalen Folgen, aber gerade deshalb kann sich die offizielle „alternativlose“ Politik aus diesem Konstrukt nicht befreien, weil die Folgen dann vielleicht noch fataler wären. Es ist also besser, sich an ein sinkendes Schiff zu klammern, als gar keines mehr zu haben.
Allein der Montag bot mit seinen politischen Pirouetten zur „Rettung“ Zyperns einen Blick in die Anstalt der „Volksvertreter“. Um die „Vermögen“ russischer Oligarchen mit der drohenden Pleite zyprischer Banken nicht ganz in den Abgrund zu jagen, was Putin gar nicht schätzen würde, soll wieder Geld aufgetrieben werden, das dann mehr oder weniger spurlos im Nirwana des Bankensystems verschwindet, aber wenigstens für einen Moment den Sturz aufhält. – Nur wer das gut findet, ist offenbar ein guter Europäer.
Geradezu spiegelbildlich zur angeblichen Alternativlosigkeit der Euro-Rettungspolitik wird der AfG rechter Populismus vorgehalten – wie ebenfalls am Montag von Jakob Augstein in dessen Spiegel-Kolumne. So hat man schon immer Ketzer bekämpft. Man bestreitet ihnen nicht nur das Recht ihres Arguments, sondern schmeisst sie gleich auf einen Müllhaufen. Damit soll dieses Mal die naheliegende Frage verstummen: Ist es wirklich der Weisheit letzter Schluss, zur Rettung des Euro alle Reichen dieser Welt einschliesslich ihrer neu hinzugekommenen russischen Oligarchen zu stützen? Und ist es genau das, was man sich von Anfang an vom Euro erträumt hat?
Europa ist todkrank
Die Angst geht um in Deutschland – nicht nur bei den Regierenden: Was geschieht, wenn man den Stecker zieht? Ist Deutschland dann wieder schuld an einer Katastrophe? Ist es nicht besser, zu zahlen, zu zahlen und zu zahlen, bis irgendwann und irgendwie ein Wunder geschieht und alles wieder gut wird?
Die Regierenden erinnern an einen Patienten, der sich mit Händen und Füssen gegen die nötige Operation wehrt. Niemand kann ihm garantieren, dass die Operation gelingt, also klammert er sich an sein reduziertes Dasein. Wer ihm anderes rät, ist ein Defätist: „Willst du behaupten, dass ich aus eigener Kraft nicht wieder gesund werden kann? Das wäre doch gelacht!“
Europa ist todkrank. Zum Teil driften die besonders labilen Staaten ohne Regierungen ab. Regionale, populistische Bewegungen gewinnen an Zulauf. Der Rechtsradikalismus nimmt zu. Entsprechend liegt es nahe, die „Alternative für Deutschland“ dieser Tendenz zuzurechnen. Aber das ist auch perfide.
Regentänze und Beschwörungsformeln
Denn auf der offiziellen politischen Bühne ist eine Wüste, wie Deutschland sie seit der Nachkriegszeit nicht erlebt hat. Die SPD würde an der Euro-Politik der CDU/CSU samt FDP nichts ändern, und die Grünen stehen diesbezüglich mehr zur Kanzlerin als grosse Teile ihrer eigenen Koalition. Gerade deswegen klingt eine Stimme, die das Selbstverständliche ausspricht: Haltet die Gesetze und haltet euch Alternativen zum Euro offen, schrill und unpassend.
Schon jetzt gibt es Umfragen, die der AfD Stimmenanteile bei der Bundestagswahl im September von 20 Prozent zutrauen. Das mag sein oder auch nicht. Entscheidend ist, dass die neue Partei der CDU entscheidende Stimmen nehmen wird. Wenn die Partei es schafft, bis zur Bundestagswahl eine funktionierende Organisation aufzubauen, wird sie die politische Szene in Deutschland verändern.
Im Grunde tut sie es schon jetzt. Denn sie hat zwei Wahrheiten ausgesprochen – Rechtsbrüche und Alternativen zur bisherigen Europolitik – die bislang niedergetrampelt worden sind. Das wird nicht nur Angela Merkel, sondern auch dem flotten Peer Steinbrück den Wahlkampf sehr erschweren. Von jetzt an reichen Regentänze und Beschwörungsformeln nicht mehr aus. Denn da gibt es bislang belächelte Experten, die mit ihrer neuen Partei den Regierenden das nehmen, was sie nicht beliebig nachdrucken können: Wählerstimmen.