Christoph Hein, hochkarätiger, aus der DDR stammender deutscher Autor, hat sich zum 75. Geburtstag selber ein kleines Buch geschenkt. „Gegenlauschangriff – Anekdoten aus dem letzten deutsch-deutschen Kriege“ heisst das sehr lesenswerte Büchlein; es versammelt 28 Texte, kleine Geschichten, Lebenserinnerungen. Dabei handelt es sich um wahre, also um faktisch erwiesene, nachprüfbare Geschichten. Brillant erzählt, zeichnen sie teils finstere, teils skurrile Bilder einer Wirklichkeit, von der man kaum glauben mag, dass sie vor erst 30 Jahren verschwunden ist.
Um das Buch ist gleich nach seinem Erscheinen eine Polemik entbrannt. Bei einem Journalisten, den Hein als „Schurken“ bezeichnet, handelt es sich um eine Verwechslung. Ein anderer, den der Autor anvisiert, kann auf Grund von aufbewahrten Tondokumenten belegen, dass ein von ihm mit Hein geführtes Interview zu einem anderen Zeitpunkt und unter anderen Umständen als den von Hein beschriebenen stattgefunden hat.
Hein hat sich in einem der „ZEIT“ gewährten Interview für die Fehler entschuldigt und meint: „Es ist ein Erinnerungsbuch, da müssen die Fakten stimmen. Ich kann mich nicht mit einem poetischen Konzept herausreden, nicht mit meiner literarischen Fantasie.“ Da verlangt einer etwas von sich, was nicht zu leisten ist. Die Literatur, die schönsten Romane, der ganze Proust leben vom sich Erinnern. Aber grad Schriftsteller müssten doch am besten wissen, dass es nichts Trügerischeres gibt als die Erinnerung, dass sie eine Falle sein kann, dass sie beschönigt, verklärt, verkürzt, Bewusstes mit Unbewusstem und, in starkem Masse, wirklich Geschehenes mit Dazufantasiertem vermischt. Erinnerte, zu Erzählungen geformte Begebenheiten können bestenfalls „wahre“ Geschichten sein. Der real existierenden Wirklichkeit mögen sie nahe stehen – für bare Münze sollten sie nicht genommen werden.