
In der Schweiz leben über zwei Millionen Menschen ohne Schweizer Pass. Gleichwohl will der Bundesrat die Einbürgerungen nicht erleichtern: Er lehnt die Demokratie-Initiative ohne Gegenvorschlag ab.
Für Ausländer ist die Einbürgerung ein schwieriger Hindernislauf. Manche erinnern sich an den Film «Die Schweizermacher» mit Emil und den grotesken Einsätzen von Beamten, welche einbürgerungswillige Personen ausspionieren. Die Prüfungen und Befragungen, welche Frauen und Männer bestehen müssen, auch wenn sie bei uns die Schulen besucht haben, sind manchmal schlicht absurd und entwürdigend. Viele Schweizerinnen und Schweizer würden sie kaum bestehen. Manche Menschen werden wegen ihres Namens von der Gemeindeversammlung abgelehnt. Wer sich gegen einen willkürlichen Entscheid zur Wehr setzt – das braucht nicht nur Zeit und Geld – wird vor Gericht recht erhalten, macht sich aber möglicherweise unbeliebt.
Ein Wirrwarr von Vorschriften
Gemeinden, Kantone und der Bund können entscheiden, wobei nicht nur von Kanton zu Kanton die Unterschiede erheblich sind, sondern auch von Gemeinde zu Gemeinde. Von Rechtsgleichheit, welche in der Schweiz alle beanspruchen können sollten, sind wir weit entfernt. Das wissen die Kantone, das wissen auch die Bundesräte.
Die Volksinitiative für ein modernes Bürgerrecht verlangt, dass der Bund für Einbürgerung zuständig ist. Der Föderalismus, ein wesentliches Merkmal der Schweiz wird also übergangen. Doch bei der Einbürgerung ist er vor allem ein Hindernis. Aufgrund der Volksinitiative haben Ausländerinnen und Ausländer, die ein Gesuch stellen, Anspruch auf den Schweizer Pass, sofern sie seit mindestens fünf Jahren rechtmässig in der Schweiz leben, sofern sie nicht zu einer längeren Haftstrafe verurteilt wurden, sofern sie die innere und äussere Sicherheit der Schweiz nicht gefährden und sofern sie über Grundkenntnisse in einer der Landessprachen verfügen.
Kein Gegenvorschlag
Der Bundesrat lehnt dieses Begehren ab. In seiner Mitteilung steht geschrieben: «Der Bundesrat ist der Auffassung, dass die Initiative erheblich in die bestehenden kantonalen Kompetenzen und die föderalistische Ausgestaltung des ordentlichen Einbürgerungsverfahrens eingreift. Konkret ist der Bundesrat der Ansicht, dass an der Dreistufigkeit des Schweizer Bürgerrechts und den Kompetenzen der jeweiligen Staatsebene festgehalten werden soll.»
Eine radikale Änderung des Einbürgerungsverfahrens behagt dem Bundesrat nicht; das überrascht mich nicht. Dass er sich gegen einen Gegenvorschlag ebenfalls kategorisch ausspricht, ist jedoch unbegreiflich und zeigt, dass er die Realität in unserem Land nicht zur Kenntnis nehmen will. Ein Staat, in dem ein Viertel der Bevölkerung von der demokratischen Teilnahme ausgeschlossen ist, hat keine lebendige, bloss noch eine hinkende Demokratie. Die Stimmberechtigten widerspiegeln nur noch mangelhaft die Bevölkerung. Das gilt noch in verstärktem Ausmass für die Parlamente, da dort die eher begüterten und jene Personen mit höherer Bildung krass übervertreten sind.
Schweizer Pass vor allem für Akademiker
In den letzten Jahren, insbesondere 2018, traten strengere Bedingungen für einbürgerungswillige Personen in Kraft. Neu ist eine C-Bewilligung nötig und in mehreren Kantonen sind die Anforderungen u. a. bezüglich Sprachkenntnisse erhöht worden. Mit dem Ergebnis, dass jetzt gut zwei Drittel der Eingebürgerten einen Hochschulabschluss haben, früher waren es 43 Prozent. Die gleiche Studie hat zudem ergeben, dass Menschen, welche nur die Volksschule besucht haben, kaum mehr eingebürgert werden. Ihr Anteil ist von 24 auf 8,5 Prozent gesunken.
Viele Arbeiterinnen und Arbeiter mit einem kleinen Schulsack, jene Menschen die viel harte, notwendige Arbeiten verrichten, die von vielen Schweizern und Schweizerinnen gemieden werden, haben heute das Nachsehen. Gleichwohl braucht es nach Meinung des Bundesrats kein einfacheres und gerechteres Einbürgerungsverfahren. Das ist erschreckend, aber es ist zu befürchten, dass die Mehrheit von National- und Ständerat ebenfalls uneinsichtig sein könnte. Eine breite Diskussion wird es im Parlament, so ist zu hoffen, trotzdem geben.