Das Osteuropa-Magazin "Ostpol" veröffentlicht den Gründungsaufruf. Journal21 erachtet den Text als wichtig. Deshalb publizieren wir ihn hier wörtlich und in voller Länge.
„Die Ereignisse der letzten Monate haben Russland an einen Punkt geführt, von dem ab ein freier Meinungs- und Informationsaustausch nur noch in den privaten Küchen möglich sein wird.
Ohne eine Erklärung von Gründen wurden unabhängigen Internet-Ressourcen wie Grani.ru, Jezh.ru, Kasparov.ru blockiert. Dem Fernsehsender Doschd wurden alle Verbreitungskanäle gesperrt.
Die wichtigsten Provider des russischsprachigen Internets wurden unter staatliche Kontrolle gestellt. Beim sozialen Netzwerk VKontakte wurde die Führung ausgetauscht, der Suchdienstanbieter Yandex wird angegriffen. Das Einschränken der freien Meinungsäußerung im Internet findet praktisch täglich statt; sowohl durch gesetzliche Auflagen, als auch durch unbegründete gerichtliche Verfolgungen der Internet-Nutzer.
Strikte Abgrenzung von Journalismus und Propaganda notwendig
Der Kreml benötigt den in der bisherigen Geschichte gar nicht vorstellbaren Fluss von Lügen und minderwertiger Propaganda, um die russische Einmischung in die internen Angelegenheiten der Ukraine und die Annexion von Teilen dieses Landes zu rechtfertigen. Das Ergebnis: Die Mehrheit der Mitarbeiter der staatlichen und dem Staat nahestehenden Medien kann nicht als Journalisten bezeichnet werden.
Es ist notwendig, umfassende Schutzmaßnahmen zur Bewahrung des Berufsbildes einzuleiten. Dafür ist die strikte Abgrenzung zwischen Journalismus und Propaganda sowie Public Relations notwendig. Ebenso notwendig ist die Schaffung von Freiräumen für unabhängigen Journalismus, der sich dem politischen und dem ökonomischen Druck sowie auch der Zensur widersetzen kann.
Es fehlt an Solidarität
Eines der größten Probleme des russischen journalistischen Metiers ist das Fehlen von Solidarität. Mit dem Erschaffen einer Solidarität-Struktur für Journalisten kann der Kampf um den Schutz des Berufes beginnen.
Wir teilen hiermit mit:
- Dass wir eine unabhängige Union (Gewerkschaft) von Journalisten ins Leben rufen, die zum Ziel haben wird, den professionellen, den rechtlichen und den sozialen Schutz der Journalisten zu gewährleisten;
- Dass wir uns mit den Journalisten der Ukraine solidarisieren – in unseren Absichten, mit ihnen zusammen ein Monitoring der Lügen der Propaganda, die die Berichtserstattung über die Geschehnisse in Russland und in der Ukraine begleiten, zu implementieren;
- Dass wir ein unabhängiges Monitoring der Verletzungen der Rechte der Journalisten in den Regionen Russlands, wie auch der Verletzung der Freiheit zur Meinungsäußerung im Internet ins Leben rufen mit gleichzeitigem Gewährleisten der rechtlichen Hilfe für die Journalisten, die unter der Verletzung ihrer Rechte leiden oder gelitten haben.
Unser Land vom Abgrund weg bewegen
Unser Land rutscht vor unseren Augen zum totalitären Regime ab. Dabei spielen die führende Rolle die Medien, die einen massiven Informationskrieg gegen die Bürger des eigenen Landes führen. Die Medien entwickeln in den Köpfen der Bürger die Bilder von inneren und äußeren Feinde und suggerieren dabei die Illusion der Möglichkeit des Zurückkehrens zum Imperium. Es ist nicht möglich, dieses Abrutschen allein mit Kräften der Journalisten zu stoppen. Aber ohne die Anstrengung professioneller Journalisten ist es unmöglich, unser Land vom Abgrund weg zu bewegen.“
Unterschrieben von:
Arkadi Babtschenko, Journalist
Natella Boltjanskaja, Journalistin
Alexander Golz, Journalist
Wladimir Kara-Mursa, Senior Journalist
Xenia Larina, Journalistin
Maxim Matwejtschenkow (Blant), Journalist
Grigori Pasko, Journalist, Leiter des Fonds des investigativen Journalismus «19/29»
Olga Paschkowa, Journalistin, Geschäftsführerin des Internet-Portals «Ежедневный журнал»
Galina Sidorowa, Journalistin
Maria Slonim, Journalistin
Lew Rubinschtejn, Journalist
Alexander Ryklin, Journalist
Swetlana Solodownik, Journalistin
Viktor Schenderowitsch, Journalist
Dmitri Schulgin, Journalist
Igor Jakowenko, Journalist
Zum russischen Original:
http://www.echo.msk.ru/blog/echomsk/1341450-echo/