Auf Heuballen stehen fünf Futtersäcke mit je dem Porträt eines Rindviehs. Doch die Schweizer Idylle mit den Alpen im Hintergrund trügt: Alle Tiere sind nur deshalb Hochleistungs-Milchmaschinen, weil sie mit ausländischen Kühen eingekreuzt wurden. Kommentar dazu: «Sinnigerweise importieren die traditionell eher konservativen Bauern Rinder aus aller Herren Ländern, um ihre Existenz zu sichern. Sie holten quasi spezialisierte ausländische Fachkräfte, um ihren Betrieb zu retten. Das afrikanische Zebu und der rumänische Wasserbüffel sind auf unseren Weiden und unserem Speiseplan willkommen. Warum sind die Menschen aus Afrika und aus Rumänien in unserer Gesellschaft eher nicht willkommen?»
Migration im Schweizer Stall – ein eher ungewohntes Milieu für einen Vergleich mit Fremdenfeindlichkeit. Und was oft so ur-schweizerisch erscheinen mag, hat noch öfters einen Migrationshintergrund: Kartoffeln für unsere Rösti, Kakao für unsere Schokolade, Uhrmacherkunst – mit den Hugenotten eingewandert.
Typisch schweizerisch hingegen ist meistens die Frage an Menschen mit anderer Hautfarbe oder offensichtlich fremder Herkunft: Woher kommst du? Und dann gleich: Was arbeitest du?
«Migration bedroht uns als Masse oder als Abstraktum. Sobald der oder die Fremde ein Gesicht und eine Stimme hat, ändert sich das rasch», erklärt Severin Nowacki, Fotograf und künstlerischer Leiter des Projekts, gegenüber Journal 21. Und genau das will die Ausstellung zeigen: Wenn wir uns fremden Menschen mit Neugierde und Offenheit nähern, sie persönlich kennen lernen, bedrohen sie uns kaum mehr. Ihre Identität offenbart sich unserer Identität.
Wenn wir zudem erfahren, dass die Porträtierten auf den Fotos trotz fremdländischem Aussehen alles Menschen sind, die in Bern leben, ja zum grössten Teil gar hier aufgewachsen sind, begegnen sie uns schon fast vertraut. Über diesen Graben des Misstrauens wollen uns die sechs Fotografen und eine Fotografin führen: Eine Bilderserie zum Beispiel zeigt mehrere Menschen mit einer Kopfbedeckung, darunter auch eine Frau mit Kopftuch – in dieser Bilderreihe fällt sie viel weniger auf, ihre Kopfbedeckung ist plötzlich kaum mehr eine Provokation.
Diese Relativierung kommt auch bei Videostatements von Lehrlingen der Deza (Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit) zum Ausdruck. Oder bei der Geschichte jenes syrischen Kriegsflüchtlings, der mittlerweile bei der Ruag arbeitet und sich mit Kriegsmaterialthemen beschäftigt. Klischees und Vorurteile werden erschüttert und infrage gestellt.
Die sieben unterschiedlichen Vorgehensweisen der Fotografen leuchten auf ihre Art immer wieder dieselbe Thematik aus: Was hat Migration mit uns zu tun? Mit welcher Haltung begegnet jedes von uns dem Fremden im Allgemeinen und den Fremden ganz persönlich? Es ist verdienstvoll, dass das Museum für Kommunikation – trotz grossem Umbau und Platzproblemen – dieses aktuelle Thema aufgreift und in den Rahmen unserer alltäglichen Kommunikation stellt.
Museum für Kommunikation, Helvetiastrasse 16, 3005 Bern: «Eingewandert», noch bis 27. März 2017