Premierminister Hun Sen ist seit 33 Jahren an der Macht. Nun will er sich einmal mehr vom Volk zum unbestrittenen Herrscher der konstitutionellen Monarchie küren lassen. Demokratisch, wie er seit Jahren stets betont. Schliesslich stellen sich Ende Juli nicht weniger als zwanzig Parteien bei den allgemeinen Parlamentswahlen.
Allein, der Schein trügt. Die herrschende Kambodschanische Volkspartei (CCP), vor Jahrzehnten als Ableger der Kommunistischen Partei Vietnams gegründet, ist mächtig, derart mächtig, dass sie die stärkste Oppositionspartei, die Kambodschanische Nationale Rettungspartei (CNRP), im vergangenen November kurzerhand vom Obersten Gericht verbieten liess. CNRP-Parteiführer Kam Sokha wurde bereits im September 2017 verhaftet. Ihm wird Landesverrat sowie Umsturzversuch mit Hilfe der USA vorgeworfen. Ein weiterer CNRP-Führer, Sam Rainsy, wurde des Hochverrats angeklagt. Er konnte fliehen und befindet sich im Exil in Frankreich.
Nice TV
Dass die CNRP von Premier Hun Sen derart hart angegangen worden ist, hat seinen Grund. Die Nationale Rettungspartei nämlich erzielte bei den letzten Wahlen 2013 trotz Behinderung 44 Prozent der Stimmen sowie 55 Sitze in der 123 Sitze zählenden Nationalversammlung. Im Juni 2017 schliesslich erzielte die CNRP bei den landesweiten Kommunalwahlen über 45 Prozent. Das war der herrschenden Volkspartei offenbar zu viel. Nicht nur wurde die stärkste Oppositionspartei in der Folge aufgelöst, auch Presse-, Rede- und Versammlungsfreiheit wurden – trotz freiheitlichen Lippenbekenntnissen von Hun Sen – stark eingeschränkt oder gar aufgehoben.
Zumal die Medien haben zu leiden. Unabhängige Zeitungen und Radiostationen wurden geschlossen. Viele Journalisten wurden wegen «Spionage» verhaftet und mundtot gemacht. Im September 2017 wurde die Tageszeitung «Cambodia Daily» wegen Steuerproblemen geschlossen. «The Phnom Penh Post» wurde im April 2018 von einem Investor aus Malaysia erworben, der mit seiner PR-Firma für die Regierung gearbeitet hatte. «Radio Free Asia», finanziert von den USA, wurde im November 2017 geschlossen und zwei Journalisten wurden verhaftet. Die 2018 gegründete Website «Fresh News» lobt die Regierung über den grünen Klee und hat enge Beziehungen zu China. Schliesslich wurde die in Khmer sendende TV-Station «Nice TV» gegründet, ein Gemeinschaftsunternehmen von China und der kambodschanischen Regierung.
Chinesischer Einfluss
Die Europäische Union und die USA haben unterdessen ihre Beziehungen zu Kambodscha reduziert und zum Teil Hilfsgelder blockiert. Ende Juli werden denn auch keine europäischen oder amerikanischen Wahlbeobachter zugegen sein. Dafür welche aus Russland, Myanmar, China, Singapur und Indonesien. Die Wahlurnen werden von Japan und China geliefert. Japan ist wohl aus geopolitischen Interessen die letzte Demokratie, welche Kambodscha nicht fallen lässt. Dafür macht China – historisch in der südostasiatischen Region schon immer stark präsent – sein Gewicht unauffällig und ohne Auflagen immer mehr spürbar. Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping besuchte das Khmerreich im letzten Jahr, und eben versprach in Phnom Penh Chinas Verteidigungsminister Wei Fenghe verstärkte militärische Zusammenarbeit.
China setzt sich, wie anderswo auf der Welt, vor allem auch für Infrastrukturprojekte ein, finanziert meist durch weiche, langfristige Kredite und ohne politische Bedingungen. Nichteinmischung in innere Angelegenheiten ist ja das oberste Gebot der chinesischen Aussenpolitik. So wird derzeit mit chinesischer Hilfe ein neuer Flughafen in Phnom Penh geplant sowie eine Zwei Milliarden Dollar teure Strasse von Phnom Penh nach Sihanoukville ans Südchinesische Meer. Chinas Investitionen belaufen sich kumuliert am Ende des vergangenen Jahres auf 12,6 Milliarden Dollar. 2017 allein waren es 1,4 Milliarden. Auch das Handelsvolumen China-Kambodscha erzielt ein schnelles Wachstum. 2017 waren es 5,8 Milliarden Dollar, ein Plus von 22 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Fauler Kompromiss
Premier Hun Sen und seine Kambodschanische Volkspartei können den Wahlen vom 29. Juli mit Ruhe und Gelassenheit entgegensehen. Seit 33 Jahren hat Hun Sen mit legalen und illegalen Mitteln, oft auch mit Korruption, seine Macht ohne Schwierigkeiten erhalten und sogar ausgebaut. Als rechtzeitig zu Vietnam übergelaufener Khmer Rouge-Apparatschik hat er von 1985 bis 1993 vor allem mit Hilfe der Militärs regiert.
Unter Aufsicht der Uno fanden 1993 die ersten Wahlen statt. Sieger war die königliche Funcinpec-Partei von Prinz Norodom Ranariddh, einem Sohn des 2012 verstorbenen Königs Sihanouk und Halbbruder des 2004 zum König gekrönten Norodom Sihamoni. Doch Hun Sen akzeptierte das Resultat nicht und erzwang von Ranariddh einen faulen Kompromiss: Hun Sen wurde Co-Premier mit Ranariddh.
1997 liess Hun Sen seine mit ihm eng verflochtenen Militärs putschen. Nach dem blutigen Coup war Hun Sen wieder allein an der Macht. Die Funcinpec-Partei verlor an Bedeutung. Bei den Wahlen 2013 eroberte sie keinen einzigen Sitz. Doch bei der Auflösung der Kambodschanischen Nationalen Rettungspartei verteilte Premier Hun Sen grosszügig einige CNRP-Sitze an kleinere Parteien, den grössten Teil, nämlich 41 Sitze, an Funcinpec.
Korrupte Elite
Einer der engsten Helfer von Hun Sen ist General Pol Sareoun. Auch er war ein Khmer Rouge, verantwortlich für ein Gefängnis, in welchem er foltern und exekutieren liess. Auch Pol Sareoun lief zu den Vietnamesen über, wo er wie Hun Sen schnell Karriere machte. Am Putsch von 1997 war er aktiv beteiligt. Später wurde er zum Oberkommandierenden der königlichen Streitkräfte. Jetzt kandidiert er als Abgeordneter. Hun Sens Sohn Hun Manet, der Dank Papa eine rasante Militärkarriere hinter sich hat, wurde unterdessen zum amtierenden Generalstabschef und amtierenden Oberkommandierenden der Streitkräfte befördert. Schon fas eine dynastische Konstellation.
Demokratie war in Kambodscha unter Hun Sen schon immer nur eine leicht durchschaubare Fassade. Die schmale, korrupte Elite um Hun Sen will unbedingt an der Macht bleiben. Es wird ihr auch am 29. Juli ohne Zweifel gelingen. Doch der Schein muss gewahrt bleiben. Deshalb wäre eine hohe Wahlbeteiligung wichtig. Die Opposition hat zum Boykott aufgerufen. Doch Hun Sen wird es auch diesmal richten. Mit Drohungen, aber auch mit Geldgeschenken. Auch an den Zahlen kann im Notfall herumgeschraubt werden. Doch 99,9-prozentige Resultate wie in einer Diktatur wird es in Kambodscha nicht geben. Denn schliesslich ist Kambodscha eine Demokratie in einer konstitutionellen Monarchie …