Lange Gesichter am spanischen Wahlabend bei der Rechtsaussen-Partei «Vox». Ein langes Gesicht auch bei Giorgia Meloni, der italienischen Ministerpräsidentin. Sie hat sich mit ihrer Unterstützung für die rechtsradikale Vox demaskiert.
Viele in Italien trauen ihrer postfaschistischen Regierungschefin nicht. Auf dem internationalen Parkett gibt sie sich progressiv, pro-westlich, unterstützt die Nato und die Ukraine, ist gegen Putin und wird in Brüssel als Pro-Europäerin hofiert.
Schon bald kamen Einschätzungen auf, wonach die Postfaschistin eben doch gar nicht so schlimm sei, wie es früher hiess. Sie sei als Ministerpräsidentin schnell «erwachsen» geworden, realistisch, pragmatisch und habe dem neofaschistischen Mief abgeschworen. Jetzt wurde sie in Washington sogar von Präsident Biden empfangen.
Dass sie immer wieder den illiberalen ungarischen Präsidenten Viktor Orbán umarmte und seine Politik lobte, wurde beiseite geschoben. Ebenso, dass sie Marine Le Pen ihre Freundin nennt.
Postfaschistisches Erbe
Die Ministerpräsidentin hat es nicht leicht: Sie steht einer Regierung vor, der einige sehr seltsame Figuren angehören. Matteo Salvini, der Chef der rechtspopulistischen «Lega» ist ein Wendehals, der seine Grossmutter verkaufen würde, wenn er damit in den Meinungsumfragen einige Prozentpunkte gewänne. Lorenzo Fiontana, der Präsident der Abgeordnetenkammer, ein bekennender Putin-Freund, betet fünfzig Mal am Tag. Und natürlich ist er gegen Schwule, homosexuelle Heiraten, Abtreibung und gegen «alles Multikulturelle». Er pflegt Beziehungen zur AfD und zur rechtsextremen griechischen «Morgenröte».
Und da ist Ignazio La Russa, der seine Faschismus-Nostalgie nicht verbergen kann. Er ist der Mann, der zuhause neben Mussolini-Statuen schläft und der immer wieder betont, dass der Duce «auch viel Gutes» getan hat. La Russa ist Präsident des Senats und damit nach Staatspräsident Sergio Mattarella der zweitwichtigste Mann im Staat. Er war es, der 2012 die «Fratelli d’Italia» gegründet hatte, weil ihm Berlusconis «Forza Italia» zu wenig rechts war. Auch Meloni ist bei den Fratelli eine Frau der ersten Stunde. La Russa ist ein Draufgänger, Meloni hat es schwer, sich von ihm zu emanzipieren.
Hat sie sich geändert?
In der Regierung herrscht eine Arbeitsteilung: Meloni ist zuständig fürs Internationale, für die Aussensicht. Sie soll der Partei und der Regierung ein positives, integres, solides Image verpassen. Und im Hintergrund werkeln einige ewiggestrige Postfaschisten und wollen ihre rechtspopulistische Agenda Schritt für Schritt verwirklichen.
Doch hat sich die im Postfaschismus sozialisierte Meloni wirklich geändert? Ist sie wirklich realistisch, pragmatisch geworden? Oder ist alles nur Fassade?
«Patriotische Alternative»
Vor den spanischen Wahlen am vergangenen Sonntag hatte Meloni eine Grussbotschaft an die Vox-Partei gesandt. Sie wünsche den Rechtsextremen «viel Glück». Ein Erfolg bei den Wahlen würde «einen Wandel in der europäischen Politik einleiten», sagt sie. Es sei von «entscheidender Bedeutung, dass eine konservative, patriotische Alternative geschaffen wird».
Wie kann man der rechtsextremen spanischen Vox alles Gute wünschen – einer Partei, die Gesetze abschaffen will, welche Frauen vor Gewalt schützen sollen? Einer Partei, die den Klimawandel leugnet, die Schwule hasst, gleichgeschlechtliche Ehen abschaffen und Immigranten massenweise ausschaffen will? Die Mauern gegen Flüchtlinge bauen will? Einer Partei, die die EU ein Monster nennt. Wie passt das mit Melonis angeblich pro-europäischer Haltung zusammen? Ist sie ein Januskopf? Tanzt sie in Brüssel auf, umarmt sie Ursula von der Leyen, EU-Ratspräsident Charles Michel und all die anderen Europäer, um an die Brüsseler Milliarden zu kommen – aber ist sie im Grunde nicht genauso europakritisch wie ihr Freund Orbán?
«Auf dem richtigen Weg»
Was heisst das, «einen Wandel in der europäischen Politik einleiten»? Oder: «Eine konservative, patriotische Alternative schaffen»? Konkret heisst das doch, dass sie zusammen mit den rechtspopulistischen Parteien, der AfD, Marine Le Pens «Rassemblement» und all den anderen Rechtsaussen-Parteien eine Front gegen das jetzige Europa bilden will. Es heisst ferner, dass sie ausgeprägt rechtsgerichtete, rechtspopulistische, illiberale Postulate verwirklichen will.
Nach der Niederlage von Vox am vergangenen Sonntag hat Meloni nach Angaben der italienischen Nachrichtenagentur Ansa mit Vox-Chef Santiago Abascal telefoniert. Das Gespräch sei «sehr herzlich» gewesen. Laut nicht bestätigten italienischen Quellen soll Meloni den Vox-Chef getröstet und ihm gesagt haben, in der Politik gebe es eben ab und zu Rückschläge. Aber Vox sei auf dem richtigen Weg.
Vielleicht hat sich Meloni eben doch nicht so sehr vom Postfaschismus distanziert. Vielleicht hat sie mit ihrer Grussbotschaft an die unappetitliche spanische Vox ihre Maske fallen lassen. Vielleicht ist sie eben doch die Wölfin im Schafspelz.
Oder wird sie von ihrer postfaschistischen Entourage dazu gezwungen?