Im mehreren europäischen Ländern legen die Rechtsextremen und Rechtspopulisten zu. Nicht so in Spanien. Völlig überraschend muss die rechtsradikale Partei «Vox» eine schwere Niederlage einstecken. Ein Kommentar.
Das hat Folgen. Denn der konservative, christdemokratische «Partido Popular» (PP) wollte zusammen mit der «Vox» die nächste Regierung bilden.
Schon vor den Wahlen schien festzustehen, dass der PP nicht allein regieren kann. Deshalb streckte er die Fühler weit nach rechts aus. Das gefiel keineswegs allen Konservativen. Doch eine andere Möglichkeit, um regieren zu können, schien es nicht zu geben.
Jetzt die kalte Dusche: Entgegen fast aller Meinungsumfragen kommen die beiden rechtsgerichteten Parteien, der PP und Vox, zusammen nicht auf die erforderliche absolute Mehrheit, um regieren zu können. Selbst mit zwei winzigen Regionalparteien würden der PP und Vox nicht das nötige absolute Mehr erreichen.
Die linke Regierung von Ministerpräsident Pedro Sánchez hat Spanien viel Gutes gebracht, nicht nur in wirtschaftlicher Hinsicht. Spanien unter Sánchez ist zu einem ausgeprägt liberalen Land geworden. Viele der Errungenschaften der linken Regierung wollte Vox wieder rückgängig machen. Zum Beispiel forderten die Rechtsextremen die Abschaffung von Gesetzen, die Frauen vor Gewalt schützen sollen. Vor einem solchen Rückschritt fürchteten sich offenbar viele Spanierinnen und Spanier. Auch der von Vox propagierte Hass auf «Brüssel», auf Schwule und auf Flüchtlinge, sowie die Leugnung des Klimawandels kam nicht überall gut an. Das ist sicher einer der wichtigen Gründe, weshalb Vox jetzt 13 Sitze verloren hat.
Zwar hat der Partido Popular 47 Sitze dazugewonnen und ist zur stärksten spanischen Partei geworden. Doch was fangen die Konservativen mit ihrem Sieg an? Das steht im Moment in den Sternen. Ihr Sieg ist ein halber Sieg.
Wird Alberto Núñez Feijóo, der Parteichef des Partido Popular, trotzdem versuchen, mit Vox eine Allianz einzugehen und eine Minderheitsregierung bilden?
Das würde ihm wohl turbulente Zeiten bringen. Erstens würde Vox versuchen, ihre aus der Zeit gefallenen, teils faschistoiden, ultrakonservativen Postulate durchzusetzen, was innerhalb der gemässigten Konservativen kaum goutiert würde.
Zweitens würden die oppositionellen Sozialisten zusammen mit der linken Plattform «Sumar» einer konservativ/rechtsextremen Regierung das Leben schwer machen. Die Sozialisten würden wahrscheinlich genüsslich zuschauen, wie sich die beiden Regierungsparteien zerfleischen.
Und wenn PP-Chef Alberto Núñez Feijóo eine Minderheitsregierung ohne Vox bilden würde? Könnte er dann darauf zählen, dass sie von den Sozialisten eine Zeit lang toleriert würde? Sozialistenchef Sánchez hat dies bereits am Wahlabend kategorisch ausgeschlossen.
Die linke Regierung wurde zwar an diesem Sonntag aus dem Amt gejagt, doch die Sozialisten gebärden sich keineswegs als traurige Verlierer. Im Gegenteil: Sie sehen sich als die wirklichen Sieger und wollen die künftige Regierung bilden. Tatsächlich haben sie weit besser abgeschnitten, als erwartet. Die «Sozialistische Arbeiterpartei» PSOE hat in jüngster Zeit zahlreiche regionale und lokale Wahlen verloren. Deshalb erwartete man auch jetzt einen schmerzhaften Einbruch. Es kam anders. Die Sozialisten konnten das Steuer herumreissen und haben jetzt sogar zwei Sitze dazugewonnen.
Doch um eine Regierung bilden zu können, bräuchte Sánchez die Unterstützung mehrerer katalanischer und baskischer Separatistenparteien, unter anderem der katalanischen «ERC» und «Junts». Diese stellen allerdings Forderungen, auf die Sánchez nicht eingehen kann. ERC und Junts streben die Unabhängigkeit Kataloniens an und verlangen eine neue Volksabstimmung. Doch auch zusammen mit ERC und Junts käme die Linke auf höchstens 167 Mandate – neun weniger als die absolute Mehrheit
Ideologisch liegen der konservative PP und die Sozialisten bei wichtigen Fragen nicht sehr weit auseinander. Also würde sich eigentlich eine Grosse Koalition anbieten. Doch zu einer solchen wird es wohl nicht kommen. Grosse Koalitionen haben in Spanien keine Tradition. Die Konservativen betrachten die Sozialisten als «Erzfeinde» – und umgekehrt. Zudem ist es kaum vorstellbar, dass der bisherige Ministerpräsident Pedro Sánchez, ein stolzer, selbstsicherer Mann, als Juniorpartner in einer Allianz mit dem PP fungieren würde.
Wie also geht es weiter? Spanien stehen schwere Zeiten bevor. Der Sieger ist nicht zu beneiden. Dem Land könnten jetzt ein langes Gerangel und ein politisch Vakuum drohen.
Und irgendwann gibt es dann vielleicht Neuwahlen.