Den Sommer hindurch verging kein Tag ohne die immer gleichen Bilder von libyschen Rebellen, die mit Kalaschnikows in die Wüste schiessen und Alahu Akbar rufen. Die News-Redaktionen waren dankbar, das Material füllte das Sommerloch. Umso dankbarer, als die Rollenverteilung in diesem Konflikt simpel und einleuchtend schien. Ideales Futter für den Boulevard.
Da war zu Beginn der Mythos vom Tyrannen, der sein Volk unterdrückt. Gaddafi schiesst auf sein eigenes Volk. Das war die Formel, die die NATO und die Aufständischen propagierten und die die TV- und Radio-Moderatoren fleissig nachsprachen. Dabei hatten die Aufständischen gleich zu Beginn des Konfliktes Kasernen überfallen, Soldaten getötet und Waffendepots geräumt. Sie hatten sich also - ganz im Gegensatz zur Opposition in Ägypten oder Tunesien - für den Weg der bewaffneten Gewalt entschieden. Doch das wollte niemand so genau wissen, es wurde von den meisten Medien ignoriert.
"Gaddafis Schergen"
Dann kam der Mythos vom Volks-Aufstand. Ein Volk erhebt sich. In Tat und Wahrheit hatte sich nicht ganz Libyen erhoben, sondern nur ein kleiner Teil des Volkes, nämlich das in der Region von Benghasi, einer Region, die traditionell im Konflikt mit dem Regime in Tripolis lag. Wie gross der Prozentsatz der Libyerinnen und Libyer ist, die nicht auf Seiten der Aufständischen stehen, ist bis heute unklar. Eine Volksbefragung ist in der aktuellen Situation unmöglich, und die Anhänger des alten Regimes hätten ohnehin zuviel Angst vor den neuen Machthabern, um offen ihre Meinung zu sagen.
Bei all dem scheint niemand darüber erstaunt, dass die NATO seit mehr als einem halben Jahr mit Luftangriffen Gaddafis Militärapparat systematisch in Schutt und Asche legt, und dennoch der Widerstand nicht restlos gebrochen ist. Wenn doch das ganze Volk gegen Gaddafi ist, wer kämpft dann seit sechs Monaten gegen die Aufständischen?
Die meisten Medien vermuten: Es müssen Söldner aus Schwarzafrika sein, Touareg aus Niger und Mali und andere bezahlte oder eingekaufte Kombattanten. Womit wir beim nächsten Myhos wären: Heldenhafte Rebellen kämpfen gegen Lumpenpack. Gaddafi soll über eine Armee von rund 80`000 Männern und Frauen und verfügt haben. Wie viele von diesen desertierten, kämpften oder überhaupt einsatzfähig waren, ist unklar. Tatsache ist, dass sie vom Beginn des Konfliktes an in den Medien mit Vorliebe als „Gaddafis Schergen“ bezeichnet wurden. Die Aufständischen verbreiten sehr wirkungsvoll den Mythos, dass alle, die auf Seiten des Regimes kämpften und kämpfen, moralisch verkommen sein müssen, eine Art bezahlte Killerbande.
„Schwer erklärbarer Religionskrieg“
Auf ähnliche Weise hatten die Amerikaner nach ihrem Einmarsch in den Irak die Soldaten der irakischen Armee als Saddam-Anhänger stigmatisiert und Zehntausende von Offizieren entlassen. Diese Leute waren in ihrer grossen Mehrheit Sunniten. Sie verloren zusammen mit ihren Familien die Existenzgrundlage und gingen in Scharen in den Untergrund, um die Schiiten zu bekämpfen, die von den Amerikanern in Bagdad an die Macht gebracht worden waren. Dieser Konflikt sollte in der Folge Zehntausende von Toten kosten. Was wiederum vom Pentagon als „schwer erklärbarer Religionskrieg“ fanatischer Islamisten dargestellt wird. Eine propagandistische Meisterleistung des Pentagon.
Der Mythos vom Volks-Aufstand in Libyen ist in allen Medien mittlerweile fest etablierte Sprachregelung. Er lieferte gleich zu Beginn des Konfliktes das nützliche Argument für das Eingreifen der NATO: Wenn das ganze Volk unterdrückt wird, dann ist es die moralische Pflicht der westlichen Wertegemeinschaft einzugreifen. Es gelte, ein Blutbad zu verhindern. Intervention müsse sein. Im Gefüge dieser mythologisch begründeteten Logik erteilt die UNO im Februar der NATO ein Mandat zum Schutz der Zivilbevölkerung.
Der Eingriff der NATO
Eine ketzerische Frage sei erlaubt: Welche Zivilbevölkerung sollte da geschützt werden? Diejenige auf der Seite der Aufständischen oder diejenige auf der Seite von Gaddafi, die seit mehr als sechs Monaten die Kollateralschäden der Luftangriffe aushalten muss?
In Libyen herrschte und herrscht ein Bürgerkrieg, der teilweise den Charakter eines Stammeskrieges hat. Die NATO hat auf Seiten einer der beiden Kriegsparteien in diesen Bürgerkrieg eingegriffen. An dieser Tatsache kommt niemand vorbei, - auch nicht die NATO-Generäle oder ihr Generalsekretär, Herr Rasmussen, der nicht müde wird zu betonen, man führe überhaupt keinen Krieg und schon gar nicht sei Herr Gaddafi das Ziel der NATO-Bomben.
Die NATO hat bis zum 21. September laut eigenen Angaben seit Kriegsbeginn mehr als 23‘000 Einsätze geflogen, davon 8700 Kampfeinsätze. In Worten: achttausendsiebenhundert Angriffe.
Hohe Opferzahlen
Womit wir zu einer weiteren Perle der Libyen-Mythologie kommen: Der Mythos vom sauberen Krieg. Einige nützliche Experten verbreiten die Mär, es gebe keine oder fast keine zivilen Opfer bei diesen Angriffen, denn die NATO bombardiere auf Hightech-Niveau. Man könne den militärischen Apparat Gaddafis ausschalten, ohne Menschen zu treffen oder zu verwunden.
Das Fernsehen des Regimes zeigte dagegen seit Beginn der Luftangriffe wiederholt Fotos und TV-Aufnahmen von Toten und Verletzen die nach NATO-Angriffen aus den Trümmern gezogen wurden. Im Juni verlautete in Tripolis offiziell, es gebe schon über 850 Tote und weit über 4000 Verwundete durch NATO-Angriffe. (NZZ 20.Juni 2011)
Es ist unklar, bis zu welchem Zeitpunkt die Gaddafi-Regierung noch hinreichend Kontrolle über die Lage im Land hatte, um eine solche Statistik führen zu können, oder überhaupt technisch noch in der Lage war, aktuelle Radio- oder Fernsehnachrichten zu produzieren. Zu vermuten ist, dass die Opferzahlen inzwischen sehr hoch sind. Derzeit fliegt die NATO Angriffe auf Sirte. Von Opfern der Bombardements ist – business as usual – nichts zu berichten.
Gaddafi als Bad Guy
Aus gutem Grund. Von den grossen europäischen Medien, die sich fast unisono als Befürworter der NATO-Intervention profiliert haben, wurde ohnehin alles, was das Regime publizierte, als reine Propaganda abgetan. Ich weiss von einem Journalisten, der von einem Tagesproduzenten des Schweizer Fernsehens zurückgepfiffen wurde, als er in einem Beitrag der Frage der sogenannten Kollateralschäden der NATO-Bombardements nachgehen wollte. Begründung der Zensur: Wenn man die NATO an den Pranger stelle, sehe dass so aus, als wolle man die Untaten des Obersten Gaddafi rechtfertigen.
Einer solchen Logik zufolge ist Gaddafi der Bad Guy in diesem Video, und wenn er nicht mehr der einzige Böse ist, wird die Politik zu kompliziert für die Zuschauer. Die Opfer der Luftangriffe sind in den Medien inexistent. Sie sind schlicht nicht vorhanden. Sie erscheinen nicht im Fernsehen, folglich gibt es keine Opfer. Das ist eine unglaubliche Propaganda-Performance der NATO und der neuen Machthaber.
Diese Art der Desinformationspolitik wurde bereits im Irak erprobt. Das Pentagon behauptete jahrelang, man führe keine Statistik über zivile Opfer. Es gab diese Statistik aber sehr wohl. Wikileaks veröffentlichte letztes Jahr interne Papiere des Pentagon, in denen von über hunderttausend Ziviltoten die Rede ist. Das waren – wohlgemerkt – nur die gemeldeten und registrierten Fälle. Die Zahl könnte meines Erachtens doppelt so hoch sein, wenn die Opfer der ersten Bombardierungswelle in Bagdad angemessen berücksichtigt worden wären.
Die Legende vom aufständischen Volk
Der dreisteste Mythos wurde nach dem Fall von Tripolis kolportiert: die Legende vom aufständischen Volk, welches den Tyrannen besiegt hat. Fahnenschwingen und Jubel aller Orten. Man wird kaum in Zweifel ziehen, dass viele der Aufständischen gekämpft und einen hohen Preis an Toten und Verwundeten entrichtet haben. Doch in Libyen hat nicht ein Volk den Tyrannen besiegt, sondern die NATO hat einen Bürgerkrieg entschieden. Besser gesagt: Die NATO -das mächtigste Militärbündnis der Welt- versucht dies seit sieben Monaten und hat es immer noch nicht ganz geschafft.
An Material und Power mangelt es nicht. Agenten des amerikanischen CIA und des britischen MI6 leisten entscheidende Aufklärungsarbeit. Amerikanische Predator-Dronen stellen rund um die Uhr hochauflösendes Foto-Material zur Verfügung. Spezialkommandos der Amerikaner, der Briten und der Franzosen bilden Aufständische aus und leiten entscheidende Operationen auf dem Gefechtsfeld. Die NATO hat all das nur scheibchenweise zugegeben, aber sie hat nicht verhindern können, dass publik wurde, dass ihre Leute „on the ground“ operieren.
In der Einsatz-Zentrale in Neapel sprach ein NATO-Offizier von „fairly extensive help“ und „they are doing a lot of coordination.“ (Herald Tribune, 25.August 2011) Die reine Legende vom Sieg der Aufständischen hätte sich als unhaltbar erwiesen. Es gibt auf der Welt doch zu viele militärisch ausgebildete Leute, die wissen, wie die Sache läuft.
Lautes Schweigen
Dass die aus zahllosen Tagesschau-Sequenzen bekannten libyschen Turnschuh-Kämpfer nicht in der Lage sind, eine komplexe Infanterie-Offensive erfolgreich durchzuführen, ist offenkundig. Erstaunlich ist, wie die Medien den Mythos vom Sieg der Rebellen stillschweigend schlucken und verbreiten. In den Redaktionsräumen sitzen nicht wenige Offiziere, die sehr genau wissen, was an Kommunikations-Knowhow, technischer Ausrüstung und Professionalität nötig ist für den Infanteriekampf mit Luftunterstützung. Man könnte erwarten, dass irgendwann einer dieser Journalisten auf den Tisch haut und sagt: Moment mal, der Sieg der Rebellen über Gaddafi ist ein Märli. Nichts von dem. Schweigen im Blätterwald, im Radio, im Fernsehen. Das Schweigen der Medien zum NATO-Luftkrieg in Libyen ist ein Schweigen, das mittlerweile jedes Dezibel-Limit übersteigt.
Am Ende gibt es einen Mythos, der über allem steht: Die NATO hat dem libyschen Volk das Tor zur Demokratie geöffnet. Es war der britische Premier David Cameron, der nach seinem Regierungsantritt das geflügelte Wort strapaziertete, man könne Demokratie nicht aus 14‘000 Fuss Höhe abwerfen. Die Doktrin der bewaffneten Intervention sei überholt. Das war ein Plädoyer für den Rückzug aus dem Irak und Afghanistan und ein klarer Seitenhieb auf seinen Vorgänger Tony Blair.
Das verschwiegene Thema Erdöl
Derselbe Cameron war dann mit einem Mal Feuer und Flamme für eine NATO-Intervention in Libyen. Und der französische Präsident Nicolas Sarkozy war ebenso schnell mit einem Flugzeugträger zur Stelle. In einem Wahljahr macht es sich nicht schlecht, den Feldherrn zu spielen. Wichtiger noch: In Libyen sind gigantische neue Erdöllager entdeckt worden. Britische und französische Oelkonzerne sollen schon phantastisch lohnende Verträge in der Tasche gehabt haben, bevor die Luftangriffe begannen, - das wurde von der französischen Presse behauptet und schnell in Paris und London dementiert. Doch eines steht fest: Erdöl war noch immer ein guter Schmierstoff für den Militärapparat, wenn wieder einmal einem Land mit Luft-Bombardements zur Demokratie verholfen werden musste.
Man darf sich die rhetorische Frage stellen, ob diese Form des Regierungswechsels durch die Bomben einer ausländischen Grossmacht in irgendeinem Land auf der Welt in den letzten Jahrzehnten Demokratie erzeugt oder Probleme gelöst hat. Die Erfahrungen im Irak und in Afghanistan sind katastrophal. Von Somalia und anderen Abenteuern nicht zu reden.
Private Sicherheitsdienste im Einsatz
In Bagdad regiert Präsident Maliki in der Green Zone unter dem Schutz von amerikanischen Soldaten. Der Rückzug aus dem Irak wurde zwar lautstark angekündigt, doch stillschweigend hat Washington bis dato immer noch rund 40.000 Soldaten im Irak stationiert. Ausserdem sind private Sicherheitsdienste wie XeServices (früher Blackwater) mit hohem Manpower im Einsatz. Wie lange Maliki noch regieren würde ohne diese ausländische Besatzungsmacht, ist ungewiss.
Noch instabiler sind die Verhältnisse in Afghanistan. Hamid Karzai regiert in Kabul, doch viel weiter reicht seine Macht auch nicht. Wie lange er nach Abzug der Amerikaner und ihrer europäischen Alliierten noch regieren wird, ist ungewiss. Sein Chefunterhändler für Gespräche mit den Taliban wurde vor zwei Wochen von einem Selbstmordattentäter in die Luft gesprengt. Laut einem Bericht von UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon haben die Anschläge im Vergleich zum Vorjahr um 39 Prozent zugenommen. (NZZ, 29.Sept.2011)
Afghanistan ist für die NATO-Länder zu einem politischen und militärischen Sumpfgebiet geworden. Es geht nur noch um Gesichts-Wahrung und die Frage, wie die in diesem Sumpf versunkenen Milliarden und die Ergebislosigkeit der Intervention dem Wählervolk daheim erklärt werden können. Im Fall Libyen wird diese Frage vielleicht später gestellt. Bisher kümmert sich noch kaum jemand darum. Eine vorläufige Rechnung wird präsentiert werden, wenn so mancher Nachtrags-Kredit vor die Parlamente der NATO-Staaten kommt.
Nach dem Sturz des Tyrannen
Wenn die USA sich in Libyen zurückhielten, dann wohl aus dem Grund, dass den Amerikanern der „Appetit auf wie auch immer legitimierte Kriege gründlich vergangen ist“, wie die NZZ treffend in einem Artikel zum zehnten Jahrestag von 9/11 festhält. Mit dem Rückzug aus dem Irak und Afghanistan will Barack Obama über die nächsten zehn Jahre rund eine Billion (sic) Dollar sparen. Eine hübsche Summe, die da über die Jahre von den Taschen der Steuerzahler in die Taschen der Rüstungs-Industrien tranferiert wurde. Es gibt für eine Volkswirtschaft wohl nachhaltigere Investitionen als Angriffs-Kriege. Um die Mythensammlung abzuschliessen, wären noch die Moritaten zur Person Gaddafis zu erwähnen.
Wenn der Tyrann gestürzt ist, schiessen die phantastischen Legenden ins Kraut, dann wuchern die Mythen – mit oder ohne Unterstützung der verschiedenen Geheimdienste und ihrer nützlichen „Libyen-Experten“. Von Saddam Hussein wusste man bald einmal, dass er mit Vorliebe im Keller gesessen und eigenhändig Gefangene gefoltert habe. Von Gaddafi wurde bereits kolportiert, er habe Containerweise Viagra an seine „Schergen“ verteilen lassen und die Vergewaligung libyscher Frauen „als Strategie eingesetzt“ – wie die amerikanische Aussenministerin Hillary Clinton verbreitete.Die Menschenrechts-Organisationen Amnesty International, die monatelang in Libyen recherchiert und mehr als tausend Zeugen befragt hat, hat keinerlei Beweise für diese Behauptung gefunden.
Es geht auch nicht um Beweise, sondern um die schnelle Verbreitung von äusserst wirkungsvollen politischen Mythen. Derselbe exzentrische Oberst Gaddafi, der mit französischen Mirage-Kampfjets ausgerüstet war und dem Nicolas Sarkozy 2007 einen Druckwasser-Nuklearreaktor verkaufen wollte, muss in kürzester Zeit zum Paria und Monster gemacht werden. Ist Gaddafi ein Ungeheuer, dann erübrigen sich Argumente für den Libyen-Feldzug. Ein Feldzug, der möglicherweise ähnliche Kosten nach sich ziehen wird wie Afghanistan und Irak. Politische Kosten und finanzielle Kosten.
Angeblicher Horror im Keller
Prognose: Die Moritaten-Sammlung wird in den kommenden Monaten wachsen, und die Boulevard-Blätter werden jede neue „Enthüllung aus dem nahen Umfeld des Tyrannen“ ansaugen wie die Bienen den Honig.
So hat das Westschweizer Boulevard-Blatt „Le Matin“ bereits hochkonzentrierten Stoff publiziert: In einem unterirdischen Bunker unter der Universität von Tripolis wurde hinter dicken Stahltüren ein Schlafzimmer mit king-size Bett und Nachttischlampe entdeckt (Fotos). Nur Gaddafi habe den Schlüssel gehabt. Dort habe er „seine Opfer missbraucht“, - Universitäts-Studentinnen. Gleich daneben gab es einen gynäkologischen Operations-Raum (Fotos) , wo die auf diese Weise gezeugten Kinder regelmässig entbunden worden seie (Le Matin , 10.Sept.2011)
Keine Moritat ist zu billig, kein Blödsinn zu gross. Es wird alles verwurstet und alles ist erlaubt. Und die Medienmaschine verbreitet ihre Eintags-Wahrheiten in Sekundenschnelle übers Netz.
Wenn die Fahnen wehen
Nun wird seit mehr als sechs Monaten bombardiert, und der Krieg ist noch nicht zu Ende. Was wird das Ergebnis sein? Libyen ist nach wie vor ein von Stammesstrukturen charakterisiertes Land. Ob die Stämme und Regionen in der Lage sein werden, sich auf demokratische Strukturen zu einigen, ist ungewiss. Innere Konflikte zeichnen sich ab. Libyen kann sie möglicherweise nicht bewältigen. Ein fortdauernder Bürgerkrieg oder ein auf niedriger Stufe schwelenden Konflikt könnte die Folge sein.
Fakt ist, was Amnesty International bestätig: Schwarzafrikaner werden unter dem Verdacht auf der Strasse festgenommen oder aus ihren Wohungen geholt, sie seien Söldner oder Sympathisanten Gaddafis. Allein in Niger haben bisher mehr als 200.000 Flüchtlinge Zuflucht gesucht. Sie fliehen „vor dem Krieg“ – wie die Zeitungen verschämt schreiben. Eine sehr eingeschränkte Wahrnehmung. Sie fliehen nicht nur vor dem Krieg, sie fliehen auch vor den neuen Machthabern.
Die Hilfsorganisationen haben seit April in Libyen 275.000 Binnenflüchtlinge registriert. Den Bewohnern der Stadt Sirte haben die Aufständischen am Wochenende erneut ein Ultimatum gesetzt. Sie sollen die Stadt innert 48 Stunden verlassen - vor der Endoffensive. (NZZ 2.Okt 2011) Unsere Aufgabe als Journalisten wäre es gewesen, vom Beginn der NATO-Intervention an auf das böse Spiel aufmerksam zu machen, die Mythenbildung zu entlarven und nicht die NATO-Propaganda nachzubeten.
Aber wie sagt ein ukrainisches Sprichwort: Wenn die Fahnen wehen, ist der Verstand in der Trompete.