6. August: Unser Plan war, heute in die Schweiz zurückzureisen. Die Tomaten aus dem eigenen Garten sind eingemacht und heiss ins Glas abgefüllt, die Zucchetti und Auberginen warten aufs Einpacken und die getrockneten Gewürze sind fein säuberlich in Gläser abgefüllt und angeschrieben. Nur die Oliven und Feigen sind noch am Baum. Oliven reifen im Herbst und die Feigen pflücken wir nach und nach; sie können nicht mehr reifen, wenn sie nicht zum richtigen Zeitpunkt gepflückt werden. Einige Feigen haben wir noch gegessen, anderen werden am Baum bleiben und anderen Familienmitgliedern schmecken. Einiges am Haus war schon aufgeräumt, anderes nicht. Heute wollten wir alles ins Auto laden und in die Schweiz fahren. Es kam anders.
Wir haben die Feuersbrunst beobachtet – es sind die schwersten Brände seit 2007. Ich habe hier über die Katastrophe von Mati berichtet und gesagt, dass sich eine solche Katastrophe jederzeit wiederholen kann. Das ist leider passt – nur schlimmer. Es gibt drei grosse Waldbrände und viele kleine, die derzeit lodern – im Norden von Athen, auf dem Peloponnes und im nördlichen Euböa. Wir befinden uns zurzeit im mittleren bis südlichen Teil der Insel Euböa und sind selber nicht betroffen. Bis heute (Freitag) Mittag der Wind einsetzte, rochen und spürten wir den Rauch, den das apokalyptische Feuer über dutzende von Kilometern trieb. Da die Autobahn nördlich von Athen gesperrt ist, hätten wir es über Umwege nicht rechtzeitig an den Fährhafen von Patras geschaffen. Also fahren wir nächste Woche.
Die Regierung schreibt die Brände dem Klimawandel und der grossen Trockenheit zu. Das ist nur die halbe Wahrheit. Die Trockenheit gibt es jedes Jahr und ist nicht neu. Die diesjährigen Brände unterscheiden sich in einigem an allem, das ich bisher gesehen habe, und es ist sehr schwer, diese Brände nur mit Nachlässigkeit zu erklären.
Viele Jahre haben die hiesigen Behörden gesagt: Wind und Hitze fördern die Brände. Nun war es hier aber seit einigen Tagen – in Abweichung zu dem, was die CH-Medien schreiben – fast windstill. Und jetzt sagt die Regierung – um 180 Grad verkehrt –, dass es das Fehlen von Wind sei, das die Ausbreitung der Brände fördert! Als die Brände einsetzten, gab es keinen Wind. Warum konnten sie nicht in dieser Phase eingedämmt werden?
Neu ist auch, dass es im Norden von Athen eine stark und dauernd besiedelte Region traf. Das Feuer von Mati wütete auch in Attika. Aber Mati ist eine Ferienregion. Hier haben wir es mit einem Vorort von Athen zu tun, locker bebaut und mit recht üppiger Vegetation.
Zusätzlich hat man gerade per Sommeranfang ein Impfobligatorium für Feuerwehrleute eingeführt (die arbeiten ja alle in Innenräumen und sind besonders gefährdet …) und hat diejenigen – es waren viele – entlassen, die sich nicht impfen lassen wollten. Die Regierung tat das, bevor der Impfzwang für das Personal im Gesundheitssystem oder bei den Studenten überhaupt beschlossen wurde. Bereits im letzten Jahr wurden 5000 Feuerwehrleute entlassen respektive deren Zeitverträge nicht erneuert.
Das Wetter war tagelang windstill, als die Feuer einsetzten. Hätten sich die Brände nicht einigermassen kontrollieren lassen, wenn die Feuerwehr nicht bewusst geschwächt worden wäre?
Bei jedem Waldbrand kommt der Verdacht auf, er seit gelegt worden. Im Moment sind genau 56 Waldbrände aktiv. Das stimmt sicher zum Teil und würde ins Bild einer Brandkatastrophe passen, wo die Feuerwehr deutlich bessere Bedingungen vorfand als bei der Katastrophe von Mati vor drei Jahren.
Zur Zeit der Redaktion dieses Beitrages sind die Feuer noch nicht unter Kontrolle. Während der Brand im nördlichen Athen sich gestern Richtung Parnass vorfrass, übersprang es jetzt die Autobahn und bewegt sich Richtung Marathon. Sollten die Nobelvororte Kifissia und Ekali betroffen sein, dann kann sich der Ministerpräsident von den Reichen und Schönen, die dort ihre Villen haben, auf einiges gefasst machen.
Und in einigen Jahren werden wir sehen, was an den verkohlten Hängen des Parnass spriesst: Bäume oder Häuser?
Aktualisierung 7. August: Bewohner der betroffenen Gebiete auf der Insel Euböa sagten gegenüber der Radiostation Focus FM, die Bewohner gefährdeter Dörfer würden rechtzeitig gewarnt und evakuiert, aber die Brandbekämpfung sei ineffizient und völlig ungenügend. Es handle sich um ein Gebiet, wo Windparks geplant waren, gegen die sich die Bewohner bisher erfolglos gewehrt hatten. Wird das Gebiet für die Windparks gerade warm gerodet?