Bernard Larsson ist gebürtiger Schwede, der in verschiedenen Städten Europas lebte. Von München aus zog er 1959 nach Paris, wo er dem bekannten Fotografen William Klein assistierte. In München hatte er das Handwerk der Fotografie erlernt; in Paris nun erlebte er an der Seite von William Klein die künstlerische Avantgarde.
Als Larsson am 13. August 1961 vom Bau der Mauer in Berlin hörte, packte der 22-Jährige seine Koffer. In Berlin blieb er mehrere Jahre und dokumentierte das Leben in beiden Teilen der Stadt. Mit seinem
schwedischen Pass hatte er keine Probleme, in Ostberlin ein Zimmer und in Westberlin eine Wohnung zu mieten. Und da seine Mutter Deutsche war, besass er nicht nur die deutsche Staatsangehörigkeit, sondern brachte eine besondere Sensibilität mit.
Sein Geld verdiente er als Magazin- und Agenturfotograf. Grosse Bekanntheit erlangte er mit seinem Foto vom Tod Benno Ohnesorgs am 2. Juni 1967. Aber nach und nach wurde es stiller um ihn, bis das Berliner Museum für Fotografie eine Retrospektive zeigte und 2017 ein Bildband erschien. Der jetzt erschienene Band beschränkt sich auf die Jahre 1961 bis 1964, und in dieser Konzentration liegt seine Kraft. Gerade die Bilder der ersten Kapitel versetzen den Betrachter in eine schwer zu beschreibende Stimmung. Es ist, als würde die ganze Schwermut im Ostteil aus diesen Bildern sprechen und den Betrachter unmittelbar berühren.
Die Menschen haben etwas Unbehaustes. Selbst die Bewacher, die Volkspolizisten mit ihren Maschinenpistolen, sehen in ihren ärmlichen Uniformen mit ihren resignierten Gesten und lustlosem Herumstehen und Herumsitzen aus, als könnten sie sich ein besseres Leben nicht einmal vorstellen.
Larsson hat in der ersten Serie der Bilder dieses Bandes beschädigte Skulpturen in Trümmergrundstücken mit offensichtlich zerstörten Biografien der in ihrem Umfeld herumirrenden Menschen verbunden. Das ist eindringlich.
Bernard Larsson erreicht diese Eindringlichkeit seiner Schwarzweissfotos, indem er harte Kontraste, grobes Korn und Unschärfen kompromisslos einsetzt. Je weiter der Band auch in der Zeit voranschreitet, desto „zahmer“ werden die Fotos. Und man hat das Gefühl der Redundanz. Die Bilder berühren nicht mehr so wie die am Anfang des Bandes.
Distanz
Was aber durchgängig bleibt, ist der Eindruck der Kälte. Bernard Larsson hat auch in Westberlin fotografiert und dabei Anlässe mit prominenten Politikern dokumentiert. Man sieht Adenauer, Erhard und Brandt. Alle wirken merkwürdig unbeteiligt, geradezu distanziert. In Berlin hat es sich offenbar zu jener Zeit in den Augen Larssons gar nicht gut gelebt.
Doch das kann nicht ganz stimmen. Harf Zimmermann hat in Ostberlin über Jahre seine Landsleute sorgfältig in ihrem Lebensbereich porträtiert. Viele Fotos sind später als die von Larsson entstanden, doch daran allein kann es nicht liegen, dass Zimmermann eine gewisse Wärme und auch Geborgenheit zum Ausdruck bringt. Das ist keine Kritik an Larsson, sondern nur ein Hinweis darauf, wie unterschiedlich fotografische Perspektiven sein können. Kein Wunder, dass bis heute an der Einheit und Fremdheit der Deutschen gerätselt wird.
Die Bilder von Bernard Larsson wird man nicht vergessen. Denn sie erzählen in ihrer eindringlichen Schwarz-Weiss-Ästhetik von einem Schicksal, das die Menschen damals verstörte und bis heute nicht ganz überwunden ist.
Bernard Larsson: Berlin Berlin
Die ganze Stadt zur Zeit des Mauerbaus 1961-1964
Mit Texten von Marline Otte, Bernard Larsson, Wolf Biermann und einem Text zum Mauerfall von Cees Nooteboom.
268 Seiten, 165 Duotone-Tafeln, 3 farbige Abb.
Schirmer/Mosel Verlag, München 2019
ca. 49, 80 €, CHF 57.30