Wir wissen nicht, was bei den vierten deutsch-israelischen Regierungskonsultationen exakt diskutiert oder gar entschieden worden ist. Für Angela Merkels Zusage weiterer Stipendien und der Förderung des Jugendaustauschs brauchte es keine zweitägigen Beratungen auf höchster Ebene. Jedenfalls lieferten sie keine Antworten auf die tiefe Frustration in der deutschen Öffentlichkeit – und nicht nur hier – aufgrund der Politik Israels gegenüber den Palästinensern. Dagegen war höchst ungewöhnlich, dass der Staatsgast schon im Vorfeld seines Besuchs die Kanzlerin öffentlich kritisierte. Persönliches Vertrauen sieht anders aus.
Die Kontinuität Netanjahus
Zweifellos hatte Benjamin Netanjahu mit der Bemerkung Recht, dass der Konflikt mit den Palästinensern älter ist als die territorialen Ergebnisse des Junikrieges 1967. Ihm ist auch darin zuzustimmen, dass die arabische Welt lange das als ethnisch-religiöses Implantat abgelehnte zionistische Siedlungswerk nicht anerkennen wollte. Die Imagination einer „zionistischen Entität“, der beim nächsten Waffengang der Garaus gemacht werde, war stärker als die Anerkennung eines neuen souveränen Staates in der Region. Seine Regierungen hätten allen Grund gehabt, das Konfrontationsdenken in der Nachbarschaft zu neutralisieren.
Die Zeiten der arabischen Ablehnung haben sich endgültig mit der Beiruter Friedensinitiative vom März 2002 geändert, die Israel einen umfassenden Frieden im Falle seines Rückzugs auf die „Grüne Linie“ vor 1967 anbot. Gleichwohl liess Netanjahu sich in Berlin den Hinweis nicht nehmen, dass er die Politik seiner Vorgänger in den letzten 45 Jahren lediglich fortsetze, die sich in den drei Neins niederschlug: keine Anerkennung des politischen Selbstbestimmungsrechts der Palästinenser; keine Verhandlungen auf nationaler Augenhöhe und kein Frieden zwischen zwei Staaten.
Für die deutsche Politik gilt: Wer wie Entwicklungsminister Dirk Niebel den Siedlungsbau als eine souveräne Entscheidung Israels würdigt, bestätigt die Jerusalemer Kritik an der deutschen Stimmenthaltung in der UN-Vollversammlung. Denn dann hätte das Votum Berlins zugunsten der israelischen Lesart ausfallen müssen, wonach die palästinensischen Gebiete längst kein „umstrittenes Territorium“ mehr sind.
Die Wahrheit liegt nicht in der Mitte
Aus Gründen der innenpolitischen Glaubwürdigkeit muss Machmud nach der UN-Aufwertung nunmehr im Sicherheitsrat darauf drängen, dass die „destruktiven expansionistischen Entscheidungen und alle Formen der Siedlungsaktivitäten“ beendet werden. Bleibt diese Verpflichtung zugunsten der Palästinenser aus, wären die negativen Voraussetzungen bestätigt, die das Benjamin Netanjahu nahestehende „Jerusalem Center for Public Affairs“ unter Führung des früheren UN-Botschafters Dore Gold noch einmal aufgezählt hat: Sie verfügen über kein geeintes Territorium; sie haben kein politisch verantwortliches Regiment, und ihnen fehlt die Befähigung, internationale Verpflichtungen und Verantwortlichkeiten einzugehen.
Bleibt diese Bestandaufnahme gültig, ist sie nicht weniger als eine Ohrfeige für jene Regierungen, die permanent der Frage aus dem Wege gehen, warum diese Bedingungen nicht erfüllt worden sind, und stattdessen auf die UN-Resolution 242 vom November 1967 und auf die Osloer Vereinbarungen der 1990er Jahre als Leitlinien verweisen, in denen von einer künftigen palästinensischen Staatlichkeit nicht die Rede ist.
Berliner Unmut
Der Premier hat offen erklärt, dass im zwölf Quadratkilometer grossen E-1-Korridor zwischen Jerusalem und der Grosssiedlung Maale Adumim, der die Westbank in zwei Teile zerschneidet, an Abstriche nicht zu denken sei. Der Berliner Unmut bleibt im Stadium der Gärung. Konkretes folgt daraus noch nicht. Wie wäre es, wenn die Kooperation in bestimmten bilateralen Bereichen mit tatsächlichen Fortschritten im politischen Friedensprozess verknüpft würde? Die Idee ist alt, doch bislang an israelischen Widerständen gescheitert. Die Bundesregierung sollte sich entscheiden, statt in der Mitte der Unschlüssigkeit zu verharren.
Ein neues Strategiepapier palästinensischer Intellektueller hat sich zwar dagegen verwahrt, die von der Besatzungsmacht geschaffenen „illegitimen Tatsachen“ zu akzeptieren. Doch kommen auch sie über Beschwörungen der nationalen Einheit kaum hinaus. Zu gross scheint die Unsicherheit darüber zu sein, wie mit Mitteln des friedlichen Widerstandes den „facts on the ground“ mit 500'000 Siedlern in allen Teilen der palästinensischen Gebiete sowie der Kontrolle von mehr als 60 Prozent der Westbank beizukommen ist. Die internationale Politik spielt dieser Ausbreitung in die Hände, wenn sie das Wort vom „jüdischen Staat“ statt vom „Staat Israel“ im Munde führt.