Die meisten von uns erinnern sich noch an die guten alten Kettenbriefe oder Schenkkreise. Man zahlt einen mehr oder minder überschaubaren Betrag ein, verbreitet die Sammelaktion weiter – und schwups, innert kürzester Zeit bekommt man das Vielfache des eigenen Einsatzes ausbezahlt. Selbst wenn jeder nur zwei weitere Dumme überzeugen muss, braucht es, das ist eben exponentielles Wachstum, nach nur 20 Runden bereits eine Million Beteiligte. Und kurz danach müsste die gesamte Weltbevölkerung mitmachen. Aber wirklich, darauf fallen doch nur Blödköpfe rein.
Das Ponzi-Schema
Schon raffinierter ist das erstmals im grossen Stil von Charles Ponzi in den 20er-Jahren des letzten Jahrhunderts praktizierte und seither nach ihm benannte Betrugssystem. Anlegern werden fabulöse Gewinne versprochen, die – natürlich streng geheim – durch ein raffiniertes Geschäftsmodell generiert werden. Wer seinen Profit ausbezahlt haben will, kriegt ihn sofort und diskussionslos. Nur: Diese Gewinne werden durch die Einlagen neuer Kunden finanziert. Bis es kracht. Darauf fallen bis heute, wie Madoff im grossen Stil zuletzt bewiesen hat, sogar Grossanleger und Banken rein.
Das Gelddruck-Schema
Nun gibt es aber eine Institution, die etwas kann, was Schenkkreise, Ponzis und Madoffs nicht können: bei Bedarf selber Geld drucken. Banken können zwar Werte erfinden, daraus Ableitungen herstellen, die sogenannten Derivate, und die ganze Zockerei noch bis zum Faktor 80 oder mehr hebeln. Aber auch da gilt: Früher oder später ist Kassensturz, Zahltag. Pleitetag. Nur eine Notenbank oder Nationalbank hat dieses Problem nicht. Sie verfügt über eine Zaubertaste. Wenn draufgedrückt wird, gibt es plötzlich mehr Geld. Eine Million, eine Milliarde, zehn, hundert. Abrakadabra.
Im Prinzip
Natürlich kann nun ein Herr Draghi, der Chef der Europäischen Zentralbank, nicht einfach beschliessen, dass es danach lustig ist, heute mal 10 Milliarden neue Euros in die Welt zu setzen. Denn man weiss ja: Irgendwie muss die gesamte Geldsumme in einer Währung etwas mit der realen Wirtschaftswelt zu tun haben. Wird in rauen Mengen neues Geld in Umlauf gebracht, und dem steht nicht ein adäquates Anwachsen der Wirtschaftsleistung gegenüber, gibt es Inflation. Im Prinzip. Eben wenn das Geld in Umlauf kommt.
Der Taschenspielertrick
Was passiert aber, wenn von der Notenbank neues Geld dafür verwendet wird, «unbegrenzt» Staatsschuldpapiere aufzukaufen? Dann gerät es ja nicht in Umlauf, es entsteht keine Inflation. Die Staaten sind ihre Schulden losgeworden, bzw. sie haben für ihre Schuldpapiere, die niemand mehr haben wollte, einen Abnehmer gefunden. Das ist doch super, da soll noch jemand sagen, es gebe kein Perpetuum mobile. Mehr Schulden, mehr Euro, keine Geldentwertung, wieso sind wir da nicht schon früher draufgekommen? Wieso machen wir uns eigentlich Sorgen um Zypern, Griechenland, Portugal, Spanien, Italien? Ganz einfach: Weil auch das im wahrsten Sinne des Wortes ein Taschenspielertrick ist. Aus der linken Tasche wandert Geld in die rechte, dafür wandern Schuldpapiere nach links.
Was sind Schulden?
Schulden sind gekaufte Zeit. Schulden beinhalten das Versprechen, sie in einem vereinbarten Zeitraum wieder zurückzuzahlen, normalerweise mit einem Risikozuschlag, den Zinsen. Möglich wird das, indem die Schulden eine zusätzliche Wertschöpfung bewirken, die in einem überschaubaren Zeitraum, im Wirtschaftsleben ist Payback in fünf Jahren eine bewährte Regel, ihre Tilgung erlauben. Das gilt natürlich auch für Staaten. Die zahlen ihre Schulden durch zukünftiges Wachstum des BIP zurück, das eine entsprechende Steigerung des Steuersubstrats beinhaltet. Schöne Theorie.
Die Schuldenfalle
Was passiert aber, wenn Staaten bis über beide Ohren verschuldet sind, sich zudem in einer schweren Rezession befinden und durch die Aufnahme neuer Schulden nur noch tiefer in eine Depression geraten? Eine Zeitlang gar nichts, wenn die Notenbank ihren Taschenspielertrick anwendet. Die EZB, und nicht nur sie, sagt: Hübsch, wir drucken Geld wie Heu, kaufen Staatsschuldpapiere auf wie blöd – und es gibt keine Inflation. Wir verstehen zwar auch nicht, wieso das möglich ist, aber wenn’s funktioniert, dann gibt es doch keinen Grund, nicht weiterzumachen.
Das Pyramidenproblem
Aber all diese Geldpyramiden, ob es ein Schneeballsystem, ein Ponzi-Schema, ein Madoff-Trick oder eine Notenbank-Taschenspielerei ist, haben ein Problem gemeinsam. Wenn das Prinzip von Anfang an falsch ist, kann es im Nachhinein nicht mehr repariert werden. Man kann die Riesenlawine nicht mehr zum Schneeball zurückrollen. Man kann auch nicht eine Pyramide einfach auf den Kopf stellen. Ausser, man glaubt an Wunder.