Vor 80 Jahren, am 24. März 1944, trieben deutsche Soldaten mehr als 300 italienische Zivilisten, darunter 75 Juden, in ein Höhlensystem südlich von Rom und erschossen sie. Das Massaker ist noch heute ein italienisches Trauma. Zahlreiche Gedenkveranstaltungen erinnern an diesem Sonntag daran.
Eigentlich hatten die Deutschen den Krieg schon verloren. Die Alliierten drängten vom italienischen Süden her immer weiter nach Norden vor. Die italienische Armee hatte schon längst kapituliert. Jetzt waren es die Deutschen, die den Vormarsch der Amerikaner und Briten stoppen wollten. Mussolini war aus Rom verdrängt und nach Salò am Gardasee vertrieben worden. Dort stand er dem Nazi-Marionettenstaat «Repubblica Sociale Italiana» (RSI) vor und wartete auf bessere Zeiten – oder auf sein Ende.
Nachdem die italienische Armee, die mit den Nazis liiert war, im September 1943 kapituliert hatte, verlegte Hitler 20 deutsche Divisionen nach Italien und versuchte zu retten, was noch zu retten war. Grosse Teile der italienischen Armee wurden entwaffnet, gefangen genommen und getötet. In Rom und anderen Städten wurden Tausende Juden festgenommen. Viele wurden nach Auschwitz deportiert, andere schon in Italien hingerichtet.
Attentat in der Via Rasella
Italienische Partisanen, meist linksgerichtete Untergrundkämpfer, setzten den Deutschen zu. Am 23. März 1944 defilierte in der Römer Via Rasella das nazihörige Südtiroler Polizeiregiment «Bozen» und demonstrierte seine Macht. Plötzliche explodiert in einem Abfalleimer eine Bombe und tötete 33 Angehörige der 156 vorbeimarschierenden Polizeibeamten. Das Datum des Attentats war kein Zufall. Genau 25 Jahre zuvor, am 23. März 1919, hatte Mussolini die «Schwarzhemden» begründet, die faschistischen «Fasci italiani di combattimento».
Die Deutschen schworen schnelle Vergeltung. Am Tag nach dem Attentat trieben sie 335 Zivilisten in die Ardeatinischen Höhlen im Süden von Rom. SS-Obersturmbannführer Herbert Kappler verlangte, dass für jedes Opfer der Via Rasella zehn Italiener erschossen werden sollten. Hitler wurde kontaktiert und gab seine Zustimmung zu diesem Plan. Generaloberst Alfred Jodl drängte auf rasche Ausführung. So wurden in aller Eile 335 Italiener, die schon früher vom Sicherheitsdienst der SS gefangen genommen worden waren, in die Ardeatinischen Sandsteinhöhlen («Fosse Ardeatine») gebracht und dort erschossen. Unter ihnen befanden sich Juden, die nach Auschwitz transportiert werden sollten. Kappler war mit der Durchführung des Massakers beauftragt worden.
Bei den Opfern handelt es sich vor allem um politische Gefangene und Intellektuelle, Menschen, die sich gegen die Nazis aufgelehnt hatten. 77 Arbeiter, 38 Offiziere, fünf Generäle, Bauern, Lehrer, Advokaten, Professoren und Ärzte befanden sich auf der Todesliste. Und ein Priester. Das jüngste Opfer war 15 Jahre alt.
Generaloberst Alfred Jodl wurde im Nürnberger Prozess zum Tode verurteilt und am 16. Oktober 1946 durch den Strang hingerichtet. SS-Obersturmbannführer Herbert Kappler wurde von einem Römer Militärgericht wegen des Massakers für schuldig gesprochen und festgenommen. 1977 gelang ihm – mit Hilfe seiner Frau – die Flucht aus einem Militärspital. Er setzte sich nach Deutschland ab, wo er kurz darauf an Krebs starb.
Keiner der Täter, ausser Jodl, wurde hingerichtet.
Sowohl die Italiener als auch die Deutschen spielten nach dem Krieg im Zusammenhang mit dem Ardeatinischen Massaker eine zwielichtige Rolle. Ziel beider Seiten war es, das Verbrechen «einschlafen zu lassen», wie ein deutscher Botschaftsrat erklärte. Nachkriegsdeutschland war bestrebt, den Gräueltaten der Nazis keine Publizität zu verschaffen. Auf der anderen Seite weigerte sich die italienische Regierung unter dem Christdemokraten Antonio Segni, die Verantwortlichen des Massakers an Deutschland auszuliefern. Italien fürchtete, dass – wenn Rom deutsche Kriegsverbrecher ausliefere – viele westliche Länder die Auslieferung italienischer Kriegsverbrecher verlange. Und solche gab es viele. Jahrelang hatte die Mussolini-Armee gewütet und gemordet.
Gegen die «Heroisierung» der linken Resistenza
Das Gedenken an die Erschiessungen in den Ardeatinischen Höhlen wurde jahrelang vor allem von der italienischen Linken und gemässigten Kreisen gepflegt. Das Massaker gehört zum italienischen Schulstoff, wird allerdings immer mehr vernachlässigt.
Alte und neue Faschisten liessen sich allerdings nicht gerne an die Gräueltaten des Zweiten Weltkriegs erinnern. Vor allem die Rolle der vorwiegend kommunistischen Resistenza, die sowohl gegen die Nazis als auch gegen die italienischen Faschisten kämpfte, war vielen ein Dorn im Auge. Auch Giorgia Meloni störte die «Heroisierung» der linken Untergrundkämpfer. Einmal schlug sie sogar die Abschaffung des italienischen Nationalfeiertags am 2. Juni vor. An diesem Tag wird der Sieg über die Nazis und die Faschisten gefeiert. Dieser Tag sei «ein spaltender Feiertag», hatte Meloni zur Freude der alten und neuen Faschisten erklärt.
In der Zwischenzeit versuchte sie sich immer wieder vom Faschismus zu distanzieren, zuerst zögerlich, dann doch immer mehr – doch nicht allzu heftig. Sie will ja die alten und neuen Faschisten, die zu ihrem Wählerpotential gehören, nicht allzu sehr abschrecken.