Zur Erinnerung: Im Februar dieses Jahres noch verkündete die Regierung Rajoy, dass die spanische Bankenkrise selbstverständlich ohne den Einsatz von Steuergeldern bewältigt werde. War nicht mal ganz gelogen, wenn der Schlaumeier damit sagen wollte: ohne den Einsatz von spanischen Steuergeldern. Aber Spass beiseite, wo steht die iberische Halbinsel heute?
Blick ins Desaster
Rezession herrscht, begleitet von Rekordarbeitslosigkeit von über 25 Prozent, wobei jeder zweite Jugendliche ohne Anstellung und damit ohne Perspektive ist. Investoren bringen ihr Geld in Sicherheit, die Staatsverschuldung steigt rasant, die Defizitziele werden wie in der Eurozone üblich nicht erreicht. In der Rentenversicherung klaffen tiefe Löcher, bereits die fünfte Region hat Finanzhilfe bei der Zentralregierung verlangt: Ebbe in der Kasse. Aber das alles ist nur die Begleitmusik zum eigentlichen Problem.
Die Immobilienblase
Es ist keine Erfindung von Cervantes, dass in Kastilien der für 1,1 Milliarden Euro gebaute Flughafen «Don Quijote» sinn- und zwecklos herumsteht. Genauso wenig wie die Existenz von Geisterstädten, Betonwüsten, unbewohnt, zum Untergang verurteilt. Gebaut, gekauft, geplatzt. Das Volumen der faulen Kredite in den Bilanzen spanischer Banken erreichte im August das Rekordniveau von rund 180 Milliarden Euro, sagenhafte 51 Milliarden mehr als im Vorjahr. Falls man den offiziellen Zahlen trauen darf, werden mehr als 10 Prozent aller Kredite nicht mehr bedient. Tendenz rasant steigend.
Betongold – Trompetengold
Nun könnte man meinen, das sei ja nicht so schlimm. Kann der stolze Spanier seine Hypothek nicht mehr bedienen, dann wird er halt auf die Strasse gesetzt und seine Immobilie kommt unter den Hammer. Geht aber leider nicht, denn wer will denn schon eine Eigentumswohnung im fünften Stock einer zerfallenden Überbauung in der Pampa kaufen? Man kann zwar Geld dafür ausgeben, das hinzubetonieren. Und in einer sich aufpumpenden Blase werden nicht nur Tulpenzwiebeln in Gold aufgewogen, sondern auch Böden und Wände. Da das nichts mehr mit dem eigentlichen Wert zu tun hat, besteht die einzig sinnvolle Verwertung im Auffahren der Abrissbirne.
Aber Hilfe naht
Es brauchte keine hellseherischen Fähigkeiten, um die damalige Ankündigung Rajoys, es handle sich um ein Problem von höchstens 6, na ja, allerhöchstens 19 Milliarden, als Lüge zu bezeichnen. Es fehlen einem aber die Worte, wenn die EU freundlicherweise gleich 100 Milliarden Bankenhilfe bereitstellt. Und man sich allseitig auf die Schultern klopft, da davon vielleicht nicht alles gebraucht wird. Ergänzt durch die Ankündigung der EZB, «unbegrenzt» Staatsschuldpapiere aufzukaufen, werden sicher bald die ersten Flieger von «Don Quijote» abheben und wird neues Leben in die Geisterstädte einziehen.
Keine Liquiditätsklemme
Die Idee ist bewährt: Ein Unternehmen ist in Schieflage geraten, Rechnungen sind überfällig, das könnte schlimm enden. Aber es besteht hinreichender Anlass zur Hoffnung, dass durch eine Zwischenfinanzierung der unzeitige Bankrott abgewendet und mit zukünftiger Wertschöpfung der Kredit samt Zinsen zurückbezahlt wird. Statt spanischen Banken aus ihrer Bredouille zu helfen, könnte man das Geld allerdings auch gleich verbrennen – oder Papierhütten damit bauen. Denn dieser Hilfe steht weder ein Gegenwert noch eine Perspektive gegenüber. Ausser natürlich, dass so das bröckelnde europäische Haus mitsamt der Fehlkonstruktion Euro noch ein wenig länger am Leben erhalten werden kann. Bis zum unausweichlichen Zahltag.
Die Dominosteine
Spanien alleine ist innerhalb der Eurozone bereits «too big to fail». Aber gleichzeitig auch zu gross, um gerettet zu werden. Das alleine wäre schon eine schlechte Nachricht, aber wir sprechen ja von der EU. Denn noch grösser, aber nicht viel besser dran, sind Italien und Frankreich. Vor allem die «Grande Nation» ist wirtschaftlich gesehen ein Wrack. Sozusagen Landwirtschaft mit Atom- plus Rüstungsindustrie. Die abserbelnde Autoindustrie nicht zu vergessen. Beherrscht von einigen wenigen Konzernen, ohne nennenswerte KMU. Zentralistisch von Eliten geführt, vor allem im Süden von mafiösen Strukturen geprägt, dazu vom Erbe der Kolonialzeit in einem europäisch einmaligen Ausmass bedrängt. Vom Bankensystem ganz zu schweigen.
Die Koalition der starken Schwachen
Kurzfristig kann der französische Präsident Hollande sicher damit punkten, wenn er sich zum Anführer einer Dreierkoalition mit Italien und Spanien gegen Deutschland macht. Man braucht allerdings wiederum keine hellseherischen Fähigkeiten, um einen gemeinsamen Untergang aller Vier zu prognostizieren. Die Verklammerung hat vor allem in den letzten vier Jahren ein Ausmass erreicht, dass selbst eine chirurgische Trennung dazu führen könnte, dass die vier Teile noch auf dem Operationstisch verbluten würden. Auch keine schöne Alternative zum weiteren Aufpumpen eines lebenden Leichnams namens Eurozone mit Gratisgeld ...