Die deutsche Bundesregierung hat grosse Schwierigkeiten, einen verfassungskonformen Bundeshaushalt für 2024 vorzulegen. Die Zeit rast ihr buchstäblich davon, und die Opposition spart nicht mit Häme. Aber auch sie sitzt im Glashaus unsolider Finanzpolitik.
Als das Bundesverfassungsgericht die Umwidmung von Geldern, die ursprünglich in einem nicht ausgeschöpften Corona-Hilfsfonds angelegt waren, für den «Klima und Transformationsfonds» KTF für verfassungswidrig erklärte, zog sie der Ampelregierung den Boden unter den Füssen weg. Es fehlten schlagartig nicht nur die fest eingeplanten 60 Milliarden Euro, sondern es zerbrach zugleich die Binnenlogik der ohnehin fragilen Ampelkoalition. Wechselseitige Zugeständnisse, Kompromisse zwischen den Koalitionspartnern und der letzte Rest von Gemeinsamkeiten hatten keine finanzielle Basis mehr.
Auch der Versuch, nach diesem Debakel mittels der nachträglichen Erklärung einer «Notlage» mehr Schulden zu machen als die Verfassung zulässt, kann nach Expertenmeinung scheitern. Jedenfalls ist der auf dieser Hilfskonstruktion und in grösster Not zusammengezimmerte Haushalt 2024 noch längst nicht in trockenen Tüchern.
Der Opposition fiel aber erstaunlich wenig ein. Zwar beschimpfte Friedrich Merz den Kanzler im Bundestag wie in einem Bierzelt, aber über das Schimpfen kam er nicht hinaus. Er konnte, was eigentlich die Aufgabe der Opposition wäre, keine Alternativen aufzeigen. Kein Wunder, denn die CDU-Ministerpräsidenten hatten bereits erklärt, dass auch sie nicht daran denken, Vollbremsungen hinzulegen. Wie üblich bildete bloss Markus Söder von der CSU eine verbale Ausnahme, aber so recht nimmt man ihm das nicht ab.
Problemlos kann man Olaf Scholz Tricksereien vorwerfen, denn die Idee mit der Umwidmung des Corona-Hilfsfonds kam ihm zu einer Zeit, als er Finanzminister unter Angela Merkel war. Alle, auch Scholz, wussten, dass das eine wackelige Konstruktion ist. Kein Kunde, der von seiner Bank für einen bestimmten Zweck einen Kredit bezieht und ihn nicht aufbraucht, kann die Restsumme stillschweigend für andere Zwecke aufwenden. Jedenfalls sollte er das nicht tun, wenn er unliebsame Rückforderungen vermeiden möchte.
Mit ihrem Trick haben Scholz und seine Regierung überzogen. Aber so viel besser sind ihre Vorgänger deswegen nicht. Denn die Bundeshaushalte werden ebenso wie die der Länder seit Jahrzehnten auf Kosten soliden Wirtschaftens erstellt. Die Erhaltung von Infrastruktur kam zu kurz. Allein die Schäden, die aufgrund der rigiden Sparmassnahmen bei der Deutschen Bahn entstanden sind, geben Stoff für zahlreiche Horrorgeschichten und beeinträchtigen den Betrieb auf viele Jahre. Aber auch Strassen, Brücken, öffentliche Gebäude wie Schulen wurden vernachlässigt. Von der Bundeswehr gar nicht zu reden.
Über Jahrzehnte lebten Regierungen von der Substanz, um mit Wohltaten zu glänzen. Unternehmensführungen, die fabelhafte Bilanzen vorweisen, indem sie schlichtweg keine Rücklagen für die Erhaltung ihrer Infrastruktur bilden, könnten Probleme wegen ungetreuer Geschäftsführung bekommen. Politiker scheinen dem enthoben zu sein.
Das Leben von der Substanz auf Kosten der Zukunft ist ein parteiübergreifendes Muster. Es ist die Krankheit einer Politik, die sich Zustimmung auf Kosten der Zukunft erkauft. Und die glaubt, den Bürgern keinerlei Einschränkungen zumuten zu dürfen – um den Preis unhaltbarer Versprechen. Wie sagte Olaf Scholz nach der Klatsche aus Karlsruhe im Bundestag zur Beruhigung der Bürger? «An ihrem Alltag ändert sich nichts.» – Oder doch? Allerdings etwas später? Nur nicht daran denken.