Der nordkoreanische Machthaber Kim Jong-un treibt im Schatten des die Welt bewegenden Ukraine-Kriegs seine Aufrüstung energisch voran. In Peter Küngs noch unveröffentlichten Memoiren findet sich eine kurze Passage, die sich mit diesem Staat befasst.
Hunderttausende von Familienmitgliedern wurden durch den Koreakrieg getrennt und bleiben auch heute noch ohne jegliche Kontaktmöglichkeit. Die Zusammenführung eines einzigen Geschwisterpaars, wenn auch nur für ein paar Tage, war eine meiner raren Arbeitserfolge im Paradies von Kim Il Sung und seiner Sippe.
Während die Mehrzahl der Nordkoreaner seit Jahrzehnten unermesslich unter der herrschenden Familien- und Militärdiktatur zu leiden hatte, war das Regime vor allem darauf aus, seine Macht zu konsolidieren und auszuweiten, um schlussendlich die gesamte koreanische Halbinsel unter dem Namen «Konföderation der Demokratischen Volksrepublik Koryo» in Besitz zu nehmen.
Dabei wussten die Namensgeber ihres angestrebten Nord-Süd-Koryos zweifellos bestens Bescheid über Lenins Definition einer «Konföderation», nämlich «ein vorübergehender Zustand, der zur völligen Vereinigung unter Führung der kommunistischen Partei führt». Auch dürfte ihr Verständnis sowohl einer Demokratie wie einer Republik eher abwegig sein, denn der hiesigen Realität entsprachen jedenfalls weder die eine noch die andere Staatsform auch nur im Geringsten.
Gerne hätte ich einiges mehr über die aktuelle «Demokratische Volksrepublik Korea» (DPRK) erfahren, denn über die tatsächliche Situation in diesem Land war nur sehr wenig bekannt. Doch trotz wiederholter, relativ ausgedehnter Zug- und Autoreisen konnte ich lediglich einen sehr partiellen Eindruck von Land und Leuten erhalten. Trotzdem hat mich das Schicksal der Menschen in diesem Land ganz besonders berührt, ähnlich wie damals im Libanon im Nahen Osten. Dort allerdings waren Freiheit und Hoffnung entscheidende Faktoren für den Mut vieler Bürger, sich gegen Unrecht und Gewalt zu wehren. Den Nordkoreanern hingegen bleibt diese Freiheit nach wie vor gänzlich verwehrt und seit spätestens 1953 muss die grosse Mehrheit von ihnen ein praktisch hoffnungsloses Leben führen: mit einem Waffenstillstand ohne Frieden, der andauernden Trennung ihrer Familien, oft von Hunger begleiteter Schwerstarbeit, unbedingtem Gehorsam gegenüber dem «Grossen oder Geliebten Führer», und all dies unter einer kaum vorstellbaren Indoktrination und Repression durch das Kim-Regime.
Inzwischen ist der Konflikt auf der koreanischen Halbinsel längst in der dritten Generation angelangt. Seit Jahrzehnten hat zwar die Uno mitgeholfen, einen weiteren offenen Krieg zu verhindern, aber von einer dauerhaften friedlichen Konfliktlösung ist man nach wie vor weit entfernt. Während die Grossmächte die strategisch positionierte Halbinsel quasi als Spielkarte in einem üblen, zynischen Ränkespiel missbrauchen, darf eines der niederträchtigsten aller Familiensippen-Regimes nicht nur an der Macht bleiben, sondern sogar Atomwaffen entwickeln, bauen und testen. Dass Kim & Co. durchaus fähig wären, diese eines Tages auch einzusetzen, müsste unterdessen auch den blauäugigsten aller Staatsführer klar sein. Wer wird wohl zur Rechenschaft gezogen, wenn die Bomben fallen? Sind es die Nord- und Süd-Koreaner, ihre mächtigen Nachbarn und andere Protektoren oder einfach die permanenten Mitglieder des Sicherheitsrates? Oder alle zusammen, beziehungsweise gar niemand?
Mit allem Respekt gegenüber den Leistungen der Uno in Sachen Gesundheit oder Umwelt: Wenn es um Krieg oder Frieden geht, ist die Bilanz oft wenig überzeugend und die Ausrede, dass die Vetomächte im Sicherheitsrat der einzige Grund dafür seien, überzeugt nicht wirklich. Die Uno-Generalversammlung hätte nämlich durchaus die Möglichkeit, diesen hoffnungslos blockierten, zynischen Rat endlich zur Reform zu zwingen. Hier gibt es kein Vetorecht, es braucht lediglich die nötige Mehrheit dazu. Doch leider ist auch diese Versammlung nicht mehr als ein Spiegelbild ihrer Mitglieder und als Einheit tritt sie allzu oft ratlos, mutlos, wenn nicht schamlos auf (während einer denkwürdigen Rede bezeichnete sie Madeleine Albright einst als Männerclub ohne «cojones»).
Währenddessen leiden täglich zahllose Menschen unsäglich unter einer wachsenden Zahl von Unrechtsregimen wie jenem der DPRK. Wir sollten uns nicht wundern, wenn einst künftige Generationen die unsere für ihre Ignoranz, Indifferenz, Unverantwortlichkeit und Feigheit verfluchen werden.