Zwischen den Terroranschlägen vom November (und dem seither geltenden Ausnahmezustand) und der Euro-Fussballmeisterschaft leistet sich Frankreich noch schnell eine Staatskrise. Mit ihrem Versuch, den überregulierten und deshalb blockierten Arbeitsmarkt flexibler zu gestalten, wollte die Regierung Valls mit dem Segen von Hollande erst den Managern gefallen. Denn die Arbeitslosigkeit kann nur mit Hilfe der Wirtschaft abgebaut werden. Die rechte Opposition war eher zufrieden.
Dann protestierten immer mehr sozialistische Abgeordnete und die Gewerkschaften, während jugendliche Systemgegner nächtliche Protestwachen abhielten, ohne zu wissen, was sie damit wollten. Die Regierung strich einige neoliberale Paragraphen und brachte damit auch die Rechte gegen sich auf. Somit gab es keine parlamentarische Mehrheit mehr. Die Regierung griff - wie schon fast jede Regierung davor - zum Artikel 49-3 der Verfassung, mit dem sie ein Gesetz ohne Parlament einführen kann. Ein Schulbeispiel, wie man es nicht machen soll. Oder ein weiterer Beweis dafür, dass wichtige Reformen in Frankreich nicht möglich sind.
Pseudorevolutionen schon. Es gab Protestmärsche, die in Saubannerzüge ausarteten. Und die kryptokommunistische Gewerkschaft CGT deklarierte, dass sie - und nicht etwa die Regierung oder das Parlament - die Volksmehrheit vertrete (weniger als zehn Prozent der Arbeiter sind in einer Gewerkschaft). Soviel zum Verfassungsverständnis. Sie verlangte den Rückzug des Gesetzes und blockierte mit (legalen) Streiks den öffentlichen Verkehr und mit (illegalen) Blockaden die Treibstoffversorgung. Der Arbeitgeberverband - mitschuldig am ganzen Elend - bezeichnete die CGT daraufhin als "Stalinisten und Terroristen".
Soviel zum aktuellen Sozialklima. Der Regierung schien - ein Jahr vor den Präsidentenwahlen - etwas Gewalt (auch gegen Polizisten) nützlich zur Diskreditierung ihrer Gegner. Denn Hollande will jetzt à tout prix in Frankreich endlich eine Sozialdemokratie - noch ein Schimpfwort hierzulande - gesellschaftsfähig machen und träumt von einer Arbeitsmarktreform à la Gerhard Schröder. Soviel zur politischen Unvernunft.