Im zweiten Schlagabtausch zwischen Obama und Romney wirkte der Präsident schlagfertig, frisch und gut dokumentiert. Erste Blitzumfragen sehen Obama als klaren Sieger.
Das heutige zweite von drei Fernsehduellen wurde von vielen Medien als wahlentscheidend bezeichnet. Sicher ist nur: Es wird einen wichtigen Einfluss auf das Ergebnis der Wahlen in drei Wochen haben.
Im ersten Fernseh-Duell am 3. Oktober in Denver stand Romney unter Druck. Er lag damals in den Meinungsumfragen deutlich zurück. Diesmal lastete ein Mühlstein auf Obama.
„Es schien klar“, kommentiert die Washington Post, „dass der Amtsinhaber diesmal einen besseren Auftritt hinlegen würde. Und er tat es.“
Laut einer ersten CNN-Umfrage nach der Debatte sehen 46 Prozent der Befragten Obama als Sieger. 39 Prozent haben sich für Romney ausgesprochen.
Hat Obama die Wahlen schon gewonnen?
Für Obama stand vieles, wahrscheinlich alles auf dem Spiel. Sein Ende September noch komfortabler Vorsprung war nach seinem müden Auftritt am 3. Oktober zusammengebrochen. Jetzt musste er seinen Gegner stellen. Jetzt musste er zeigen, wer der Meister ist. Er musste alles geben. Und er gab alles.
Hat also Obama die Wahlen schon gewonnen? Es wäre vermessen, dies zu behaupten. Sicher ist nur: Er hat sich souverän zurückgemeldet. Er wirkte im Vergleich zum ersten TV-Duell wie ein umgekehrter Handschuh. Doch den Sieg am 6. November bedeutet das noch nicht.
Der Präsident gab sich locker, überzeugend, menschlich, angriffig, ohne überheblich zu sein. Dynamisch und doch gefasst. Staatsmännisch, wenn es um Tote und Angriffe auf Amerika ging. "Ich bin es, der die Särge am Flughafen abholt." Immer wieder attackierte er: „Es stimmt einfach nicht, was Gouverneur Romney sagt.“ Einige Kommentare bezeichnen seinen Auftritt als stellenweise "aggressiv". Doch wenn schon, war es eine Aggressivität mit menschlicher Note. Die Botschaft war klar: "Ich bin der commander-in-chief".
Romney kam diesmal weniger in Fahrt
Romney hatte zwar seine starken Momente, vor allem dann, wenn er die wirtschaftliche Bilanz Obamas zerpflückte. Doch übers Ganze gesehen, kam er diesmal weniger in Fahrt und wiederholte sich ständig.
Obamas Aufgabe war heute nicht einfach. Er musste angreifen, sein mattes Image des ersten Duells ablegen; doch er durfte nicht überheblich wirken. Er ist der Präsident, und von ihm erwartet man ein präsidiales Verhalten. Er musste, wie Nancy Benac von Associated Press schrieb, „not too cool“, aber auch „not too hot“ auftreten.
Wichtig wegen der Frühwähler
Der heutige starke Auftritt des Präsidenten wird auch deshalb wichtigen Einfluss auf das Wahlergebnis haben, weil Millionen Frühwähler in den nächsten Tagen schon ihre Stimme abgeben werden. In 32 der 50 Bundesstaaten ist eine vorzeitige Stimmabgabe möglich. Michelle Obama hat erklärt, sie habe ihre Stimme bereits per Brief abgegeben.
Und doch dauert es noch drei Wochen bis zu den Wahlen am 6. November. Die letzten Tage und Wochen haben gezeigt, dass in kurzer Zeit die Stimmung umschlagen kann. Am kommenden Montag, dem 22. Oktober, findet das dritte und letzte Fernsehduell statt. Dann, in Florida, geht es um aussenpolitische Themen. Sicher ist die Aussenpolitik nicht Romneys Stärke. Er hat denn sich denn auch heute beim Thema Libyen einen bösen Patzer geleistet.
Obama hatte seinen heutigen überzeugenden Auftritt bitter nötig. In den allerletzen Umfragen vor dem Duell hat ihn Romney knapp überholt.
Angriff auf Obamas Wirtschaftsbilanz
Inhaltlich brachte das heutige Duell wenig Neues. Im Zentrum des lebendigen anderthalbstündigen Schlagabtausches, der von der CNN-Moderatorin Candy Crowley souverän geleitet wurde, stand die Wirtschaft. Romney pochte darauf, dass Obama in der Wirtschaftspolitik gescheitert sei. Es sei unannehmbar, dass die USA 23 Millionen Arbeitslose zählten, dass die Armut wachse und Obama das Budgetdefizit verdoppelt habe. „Sein Schuldenberg wird dazu führen, dass er die Steuern weiter erhöhen wird.“
Obama konterte, dass Romney vor allem Steuererleichterungen für Reiche durchsetzen wolle. Romney habe keine Antwort auf die Frage, wie er die versprochenen Steuerreduktionen und die Militärausgaben finanzieren will. Obama: „Ist es fair, dass jemand wie sie, der 20 Millionen verdient, weniger Steuern zahlt als eine Krankenschwester? Das ist nicht fair.“
Romney Patzer beim Thema Libyen
Immer wieder gelang es Obama, seinen Gegner als Wendehals darzustellen. So bei der Kohle-Politik. „Sie waren für die Schliessung eines Kohle-Werks, und jetzt geben sie sich plötzlich als Kohle-Mann.“ Auch bei der Gesundheitsfürsorge und der Einwanderung wies Obama seinem Herausforderer eine wenig klare Haltung nach.
"Wo liegt der Unterschied zwischen George W. Bush und Romney?", wollte eine Zuschauerin wissen. Obama witzelte, es gebe tatsächlich einen Unterschied. Romney sei in vielen Punkten noch radikaler als Bush.
Obama zeigte, wer der Meister ist. Auch beim Thema Libyen und dem Tod des amerikanischen Botschafters in Benghasi. „Wenn Amerikaner getötet werden, werden wir die Täter zur Strecke bringen.“ Der Präsident berichtete, wie er die Särge empfangen habe und bezeichnete es als „beleidigend“, dass Romney versucht habe, diesen tragischen Fall politisch zu nutzen.
Dann verhedderte sich Romney. Er erklärte, Obama habe erst 14 Tage nach dem Zwischenfall die Attacke als „Terrorakt“ bezeichnet. Dies ist erwiesenermassen falsch. Sogar die Gesprächsleiterin wies Romney auf seinen Fehler hin. Obama hatte bereits 24 Stunden nach der Attacke von „Terror“ gesprochen. Nach diesem Patzer sah Romney traurig aus.
"Dies ist nicht die Politik, die Frauen brauchen"
Auch beim Thema Energiepolitik punktete Obama. Romney warf ihm vor, er drossle die Ölförderung und schaffe so Arbeitsplätze ab. Obama betonte, er wolle weiter nach Öl bohren lassen, aber auch alternative Energien, wie die Windenergie, fördern. Romneys Politik sei: Lasst die Energiekonzerne die Gesetze schreiben.
Laut einer Umfrage von Gallup/US Today am Vortag des Duells hat Obama in den letzten Tagen vor allem bei Frauen an Zustimmung verloren. Der Präsident nützte jetzt die Gelegenheit und attackierte Romney wegen seiner wenig frauenfreundlichen Haltung. „Das ist nicht die Politik, die Frauen brauchen“, sagte Obama. Er, der Präsident, habe bewiesen, dass er dafür kämpfe, dass Frauen am Arbeitsplatz weniger benachteiligt würden.
Romney versuchte Obama wegen seiner Haltung zu China in die Enge zu treiben. Der Präsident gefährde hunderttausende Arbeitsplätze im eigenen Land - wegen der unfairen chinesischen Handelspolitik. Romney warf Obama vor, er lasse es zu, dass die Chinesen ihre Währung künstlich tief halten, um die Exportchancen zu erhöhen. Obama konterte, auf seinen Druck hin, hätte China seine Währung um 13 Prozent aufgewertet.
"Wir haben gemeinsam gebetet"
Der Präsident vergass auch nicht zu erwähnen, dass er bin Laden erfolgreich gejagt habe, die Autoindustrie gerettet und aus dem Irak abgezogen sei. Und er gab sich als fürsorgender, menschlicher Präsident. Er erzählt, wie er mit einer Mutter und ihrem Sohn zusammengesessen sei, nachdem dieser in einem Kino angeschossen worden war. „Wir haben gemeinsam gebetet.“
Obama beendete die Diskussion geschickt. Was er in der ersten Fernsehdiskussion verpasste, holte er jetzt nach und brachte Romneys wenig geglücktes „47 Prozent-Statement“ aufs Tapet. „Ich glaube, Gouverneur Romney ist ein netter Mensch“, sagte Obama, „aber er bezeichnet 47 Prozent der Amerikaner als Opfer. Denken Sie einmal darüber nach.“
Blitzumfragen nach dem Duell bezeichnen zwar Obama als Sieger. Mit Spannung wartet man jetzt auf breiter abgestützte Umfragen, vor allem jene in den umkämpften Swing States.