Pierre Maudet schafft die Wahl in die Genfer Kantonsregierung. Die Grüne Fabienne Fischer verliert ihren Sitz. Damit kippt die Kantonsregierung nach rechts.
Selten hat das Interesse an Genfer Wahlen so weit über die Kantonsgrenze hinausgestrahlt. Der Grund liegt in der Person von Pierre Maudet, dem einstigen Genfer Staatsrat und freisinnigen Bundesratskandidaten, der dann Ignazio Cassis unterlag.
Laut dem definitiven Schlussergebnis liegt Maudet auf dem sechsten Platz (die Kantonsregierung zählt sieben Mitglieder und wird alle fünf Jahre neu gewählt).
Die Freisinnigen haben einen Sitz gewonnen, und zwar auf Kosten der Grünen. Damit verliert Rot-Grün die Mehrheit in der Kantonsregierung. Keine Chance hatte der umstrittene Genfer Chirurg Philippe Morel vom rechtspopulistischen «Mouvement des citoyens genevois». Die «Mitte» («Centre», Ex-CVP) konnte ihren Sitz behalten.
Sieg und Niederlage
Für die Bürgerlichen bedeutet das Ergebnis einen Sieg und eine Niederlage. Sie verfügen jetzt in der Kantonsregierung, dem Conseil d’État, einerseits wieder über eine Mehrheit. Zudem belegen die freisinnigen Kandidatinnen die ersten zwei Plätze. Anderseits ist es den Bürgerlichen nicht gelungen, den Paria Pierre Maudet zu verhindern. Seine Wahl ist eine peinliche Abfuhr für alle Bürgerlichen. Um ihn zu verhindern, haben sich zum ersten Mal in Genf alle bürgerlichen Parteien zu einer Allianz zusammengeschlossen: mit dem einzigen Ziel, Maudet den Wiedereinzug in die Kantonsregierung zu vermasseln. Die Angst der Bürgerlichen vor einer Wahl Maudets war so gross, dass sie selbst die unappetitlichen, rassistischen Genfer Rechtspopulisten, das «Mouvement des citoyens genevois», ins Boot holten.
Die Wahl Maudets ist eine faustdicke Überraschung. Er, der Fast-Bundesrat, hatte sich vom Königshaus der Vereinigten Arabischen Emirate zu einer Luxusreise nach Abu Dhabi einladen lassen. Nachdem Kritik daran aufgekommen war, verstrickte er sich in Lügen. Er belog die Mitglieder der Kantonsregierung – und nicht nur sie. Die FDP schloss ihn aus der Partei aus. 2020 trat er zurück. Das Bundesgericht verurteilte ihn im vergangenen Herbst wegen «Vorteilsannahme».
«Keine Kuscheltiere»
Jetzt trat er erneut an, gründete eine eigene Bewegung (Libertés et justice sociale, LJS) und schafft den Wiedereinzug in die Kantonsregierung. Die bürgerlichen und linken Mitglieder des Conseil d’État müssen nun mit dem Ausgestossenen zusammenarbeiten. Maudet sieht da kein Problem. «Wir sind Profis, wir sind Berufspolitiker, keine Kuscheltiere.» Schon im ersten Wahlgang vor vier Wochen lag er – trotz seiner Lügen – auf dem sechsten Platz. Den Bürgerlichen ist es also mit ihrer «Alliance de Genève» nicht gelungen, genügend Anti-Maudet-Wählerinnen und -Wähler zu mobilisieren.
Maudets Gegner sagten, seine Kandidatur sei vor allem ein Rachefeldzug gegen die Freisinnigen gewesen, die ihn aus der Partei vertrieben hatten. Ziel sei es gewesen, sein schwer angeschlagenes Ego zu reparieren. Jetzt ist der Rachefeldzug gelungen.
Das beste Ergebnis erzielte, wie schon im ersten Wahlgang, die freisinnige Kandidatin und Finanzministerin Nathalia Fontanet mit 67’934 Stimmen. Die Freisinnigen heissen in Genf «Parti libéral-radical» (PLR). Neu in die Regierung zieht die Freisinnige Anne Hiltpold ein. Sie war bisher Bürgermeisterin der Genfer Vorstadt Carouge. Sie erhielt 56’299 Stimmen.
Viele Freisinnige hatten sich schon vor Mittag vor ihrem Stammlokal, dem Café Slatkine in der Altstadt beim Bourg-de-Four, versammelt und liessen blaue Ballone steigen. Unweit davon, im Gewerkschaftslokal SIT trafen sich Grüne und Sozialdemokraten.
Frauenmehrheit
Die sieben Mitglieder zählende Kantonsregierung zählt neu vier Frauen: zwei Freisinnige, eine Mitte-Vertreterin und eine Sozialdemokratin. Wäre es Pierre Maudet nicht gelungen, die Grüne Fabienne Fischer zu vertreiben, wären es fünf von sieben gewesen.
Kein Rechtspopulist mehr in der Regierung
Der Rechtspopulist Mauro Poggia hatte seinen Rücktritt aus der Regierung erklärt. Der siebzigjährige Genfer Chirurg Philippe Morel wollte ihn ersetzen. Morel ist arg umstritten. Er war Mitglied der CVP, dann der FDP – und hat sich mit beiden Parteien zerstritten. Dann trat er ins rechtspopulistische «Mouvement des citoyens genevois» ein. In Medizinerkreisen gilt er als unangenehmer Hochstapler und krankhafter Egomane, der von sich sagt, er habe 28’000 Operationen durchgeführt. Ein renommierter Arzt und Professor erklärt uns: «Alles Schlechte, was man über eine Person sagen kann, trifft auf ihn zu.» Bisher sass Morel im Genfer Kantonsparlament, hat dort aber keine Spuren hinterlassen. «Er hat sich nie um ein Dossier gekümmert», zitiert die Westschweizer Zeitung «Le Temps» die sozialdemokratische Parlamentarierin Caroline Marti. «Er war selten präsent, man könne sich fragen, was ihn motiviert, Mitglied der Kantonsregierung zu werden.»
Das definitive Schlussergebnis
Nathalie Fontanet, FDP (PLR), geboren 1965, bisher, Staatsrätin seit 2018, Département de l'économie et de l’emploi (DEE), 70’628 Stimmen
Anne Hiltpold, FDP (PLR), geboren 1973, neu, 58’487 Stimmen
Thierry Apothéloz, Sozialdemokrat (Parti Socialiste, PS), geboren 1971, bisher, Staatsrat seit 2018, Département de la cohésion sociale, 57’369 Stimmen
Antonio Hodgers, Grüne (Les Verts), geboren 1976, bisher, Staatsrat seit 2013, Département de la cohésion sociale, 52’950 Stimmen
Delphine Bachmann, Die Mitte («Centre»), neu, 51’379 Stimmen
Pierre Maudet, Libertés et justice sociale (LJS), früher FDP, geboren 1978, Staatsrat bis zu seinem Rücktritt 2021, 48’345 Stimmen
Carole-Anne Kast, Sozialdemokratin (Parti Socialiste), geboren 1974, neu, 47’956 Stimmen
Fabienne Fischer, Grüne (Les Verts), geboren 1961, bisher, Staatsrätin seit dem 29. April 2021. Département de l'économie et de l'emploi (DEE). Sie ersetzte in einer Nachwahl den zurückgetretenen Pierre Maudet. 47’104 Stimmen, nicht gewählt. Ihr fehlten 853 Stimmen um gewählt zu werden.
Philippe Morel, Mouvement citoyen genevois (MCG), geboren 1953, nicht gewählt, 42’006 Stimmen
Lionel Dugerdil, SVP (Union democratique du Centre), nicht gewählt, 39’281 Stimmen