In Berlin sprach Martin Schulz nach der Niederlage in Schleswig-Holstein wie ein Pfarrer auf einer Beerdigung, der schon lange nicht mehr an die Auferstehung glaubt. Seinen Mangel an Überzeugung versuchte er durch Mitgefühl zu übertünchen.
Eine inzwischen fast schon peinliche Erinnerung: Martin Schulz wurde kürzlich auf einem SPD-Parteitag mit 100 Prozent der Stimmen zum Parteivorsitzenden und SPD-Kanzlerkandidaten für die kommende Bundestagswahl gewählt.
Seitdem ist es allzu still um ihn geworden. Das Schweigen im Walde liege daran, dass er kein bundespolitisches Amt bekleide, heisst es wohlwollend. Da kann man sich nur wundern. Zwar ist Schulz kein Minister, aber als SPD-Vorsitzendem stünde ihm die bundespolitische Bühne zur Verfügung – sofern er auf ihr auftreten will. Aber er tritt nicht auf. Ist sein Charisma dem Phlegma gewichen?
Andere Politiker werden ständig zitiert und wirbeln den Politikbetrieb auf, auch wenn ihre politische Bedeutung aus der Perspektive auf ihr jeweiliges „Amt“ eher gering ist. Sie provozieren mit steilen Thesen und regen damit das Denken an. Auch Helmut Schmidt war als „Alt-Kanzler“ wohl einer der einflussreichsten politischen Intellektuellen Deutschlands. Und Schulz?
Er müsste ja nicht volltönend erklären, wie er im Handumdrehen die Welt vom Kanzleramt aus ins Lot bringen wird. Aber man wäre schon froh, wenn man hin und wieder von ihm Proben seines vermeintlichen analytischen Scharfsinns und seines hoffentlich gesunden Politikerverstandes geboten bekäme.
Martin Schulz aber wirkt so, als suche er nach seiner Brüsseler Zeit in Berlin immer noch nach Dienstwegen. Wenn er so weitermacht, wird es für ihn keine neuen Dienstwege mehr geben.
Schulz fehlt kein Amt, ihm fehlt der Biss. Schmidt war ihm auch darin voraus.