Der Staatsanwalt befahl X, als Zeugin gegen den Drogenhändler „Roland“ auszusagen; ihr stehe kein Zeugnisverweigerungsrechtgemäss Art. 28a [Quellenschutz]zu.
Vom Staatsanwalt ans Bundesgericht - und bis Strassburg?
X rekurrrierte an den Appellationsgerichtspräsidenten Basel. Dieser hatte X das Zeugnisverweigerungsrecht dann doch zugestanden. Schliessslich wandte sich der Staatsanwalt an das Bundesgericht. Dieses gab ihm recht. Mit dem Bundesgerichtsentscheid vom 31. 1. 2014 lebt die Aussagepflicht der Journalistin gemäss der anfänglichen Verfügung der Staatsanwaltschaft wieder auf. Die Journalistin muss also aussagen, oder sie kann ihren aussergesetzlichen Widerstand anmelden und die Strafe auf sich nehmen – zumal dann, wenn sie „Roland“ zugesichert hatte, nicht gegen ihn Zeugin zu sein (Journalistenkodex, Richtlinie 6.1. “Redaktionsgeheimnis“).
Der Schweizer Presserat betonte in dieser Richtlinie selbstbewusst, die ethische „Berufspflicht“ des Quellenschutzes gehe „weiter als das gesetzliche Zeugnisverweigerungsrecht“.
Der Weiterzug an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte EGMR in Strassburg (NZZ vom 21. 2. 2014) hindert die Rechtskraft des Bundesgerichtsurteils nicht. Würde der EGMR nach längerer Zeit – er ist auf Jahre hinaus stark überlastet – zugunsten von X entscheiden, der Aussagebefehl gegen X verletze den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention (Freiheit der Meinungsäusserung)? Dann könnte X ein Revisionsgesuch gegen das Bundesgerichtsurteil stellen. Und möglicherweise eine Entschädigung verlangen.
Strassburger Optik und das Schweizer Parlament
Der Quellenschutz des Schweizer Strafgesetzbuchs (Art. 28 a StGB) ist erst vor 15 Jahren auf Druck des EGMR eingefügt worden. Berufsjournalisten können das Zeugnis über Umstände und Inhalt ihrer Informationen verweigern, ohne dass sie dafür bestraft werden dürfen. Richtigerweise hat Strassburg dieses Zeugnisverweigerungsrecht immer als Pfeiler der Medienfreiheit dargestellt – können Journalisten ihre Quellen nicht schützen, werden ihnen keine heiklen Informationen mehr anvertraut, und die Aufgabe der Medien, „Wachhunde der Demokratie“ zu sein, ist durchkreuzt.
Allerdings hat das Schweizer Parlament, pikiert durch unwillkommene journalistische Investigationen, Ausnahmen vom Quellenschutz festgeschrieben: Verständliche (wenn das Zeugnis erforderlich ist, um Leben etwa von Entführungsopfern zu schützen) und weniger verständliche (andere Verbrechen mit Mindeststrafen von drei Jahren und eine Vielzahl teils geringer Rechtsverstösse). „Der Richter“ kann das Zeugnisverweigerungsrecht dann im Einzelfall aufheben. Genau das hat das Bundesgericht hier getan.
Kein leichter Entscheid in Lausanne
Das oberste Tribunal in Lausanne hat sich den Entscheid nicht leicht gemacht. X hatte im Bericht „Zu Besuch bei einem Dealer“ erzählt, wie „Roland“ seit 10 Jahren mit „Gras, Haschisch und Blütenstaub“ handelt, womit er “jährlich 12000 Franken verdiene“. Die gesetzliche Liste von Ausnahmen des Quellenschutzes nennt unter anderem schwere Verstösse gegen das Betäubungsmittelgesetz. In mehreren Bundesgerichtsentscheiden ist der Handel mit weichen Drogen als schwer bezeichnet worden, wenn er einen Gewinn von mehr als 10 000 Franken einbringt.
Damit wäre „Roland“ aufgrund des Artikels von X des schweren Verstosses „dringend verdächtig“, der Zeugnisbefehl im Vergleich der Interessen „verhältnismässig“. Denn die Aussage von X bleibe hier „das einzige erfolgsversprechende Beweismittel“. (Im früheren Leitentscheid „Turina“, wo es um einen Artikel der „NZZ am Sonntag“ über tödlichen Operationsfehler am Universitätsspital Zürich ging, schützte das Bundesgericht 2006 den Journalisten vor der Zeugnisabgabe, weil der Fall weitestgehend aufgeklärt und die Zeugnispflicht deshalb „unverhältnismässig“ sei. BGE 132 I 181).
Eine Ermessensfrage
Weshalb wehrt sich die „Basler Zeitung“ zugunsten ihrer Journalistin so hartnäckig? Liess sich das nationalkonservative Blatt hier ausnahmsweise vom „Zeitgeist“ leiten, der den Umgang mit „weichen Drogen“ für weniger strafwürdig und das Zeugnis hiezu für entbehrlich hält? Oder bezweifelt der Verlag die „10‘000 Franken Grenze“ für einen „schweren Fall“ allgemein, den „Strafverfolgungsnotstand“ im „Fall Roland“ konkret? Das Bundesgericht fällte einen Ermessensentscheid. Ein krasser Verstoss gegen die Meinungsäusserungsfreiheit ist es sicher nicht.