Jubiläumsschriften sind in der Regel eher beflissen als aufregend. Der Schwabe Verlag aber hat mit seinem von Corina Lanfranchi herausgegebenen Band, „Gut zum Druck! Streifzüge durch 525 Jahre Druck- und Verlagsgeschichte in Basel“ etwas ganz Besonderes geschaffen: Die Verwobenheit dieses ältesten heute noch bestehenden Druck-und Verlagshauses der Welt mit der Stadt Basel wird in vielen anschaulichen Geschichten und Episoden dargestellt.
Bekanntlich ist die Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern von Johannes Gutenberg mit der Reformation eng verwoben. Entsprechend spannungsgeladen und konfliktreich war das Umfeld, in dem dieses neue Medium gedieh. Die verschiedenen Beiträge in „Gut zum Druck“ schildern Basel als ein Zentrum dieser neuen Zeit. Schon vor dem Beginn der Reformation bündelten sich hier die Impulse der Renaissance. Nicht zu vergessen: das Basler Konzil,1431–1449, und die Gründung der Universität im Jahr 1460.
Der Bildersturm
Der Beginn des Verlages im Jahr 1488 geht auf den Buchdrucker Johannes Petri zurück, der sich mit zwei anderen Meistern, Johannes Amerbach und Johannes Froben, zusammengeschlossen hat, um Bücher zu drucken. Damit beginnt der Weg des Verlags von damals bis heute, den der Jubiläumsband über die verschiedenen „Stationen“ in Basel selbst nachzeichnet und mit zahlreichen Abbildungen illustriert.
In Basel wurden seinerzeit die Konflikte im Zusammenhang mit der Reformation bisweilen heftig ausgetragen. So gab es im Jahr 1529 am Aschermittwoch einen Bildersturm. Der Humanist Erasmus von Rotterdam berichtete darüber am 9. Mai 1529: „Von den Statuen ist nichts übrig geblieben, weder in den Kirchen noch in den Vorhallen oder in den Säulengängen und Klöstern. Alle Bilder sind übertüncht worden, Brennbares wurde auf den Scheiterhaufen geworfen, anderes wurde in Stücke zerschlagen. Weder Kostbarkeit noch künstlerischer Wert setzten der Zerstörungswut irgendwie eine Grenze.“
Schon damals gab es ökologische Probleme wie extreme Trockenheit. Im Jahr 1575 trocknete der Rhein so aus, dass man ihn zu Fuss durchqueren konnte. Darunter litt auch die Papierproduktion, die damals in Basel erstrangig war.
Auch andere Ereignisse erschütterten Basel. Erinnert sei an den Ausbruch der grossen Pest zu Beginn des 17. Jahrhunderts und den 30-jährigen Krieg. Die Pest dezimierte die Einwohnerzahl von Basel, gleichzeitig strömten Tausende von Flüchtlingen aus dem Umland in die Stadt. Unter diesen Wirren litt natürlich auch die Buchproduktion, die vorher Ausmasse angenommen hatte, die man sich heute nur schwer vorstellen kann:
Umfangreiche Editionen
So umfasste die Edition der Schriften des Kirchenvaters Augustin, die 1506 fertig wurde, elf Bände. Für jedes Exemplar brauchte man damals 1.275 Bogen Papier. Ein Bogen wog etwa sieben Gramm, was pro Band ohne Umschlag ein Gewicht von etwa neun Kilo ergab. Die Auflage von 2.200 Exemplaren verschlang etwa 20 Tonnen Papier.
Ebenso umfangreich waren die Edition der Schriften des heiligen Ambrosius. Dazu kamen umfangreiche Enzyklopädien und Nachschlagewerke, in deren Tradition heute noch das „Historische Lexikon der Schweiz“ und das „Historische Wörterbuch der Philosophie“ stehen. Beide Werke gelten mit Recht gegenwärtig als einzigartig und unübertroffen.
Die Cosmographica, die 1544 zum ersten Mal erschienen, entwickelten sich zu einem Erfolgstitel sondergleichen. Schon 1545 erschien die zweite Auflage, und danach wurde dieses Werk in immer wieder neuen Auflagen bis ins 17. Jahrhundert hinein stetig erweitert. Der Ehrgeiz bestand darin, alles, was in der Welt zugänglich wurde, zu beschreiben.
Der Tatsache, dass Bücher vertrieben und verkauft werden müssen, wird von den verschiedenen Autoren des Bandes immer wieder Aufmerksamkeit geschenkt. Wie kann man sich die Vertriebswege im 16. und 17. Jahrhundert vorstellen? Schon Ende des 16. Jahrhunderts gab es die so genannten „Buchführer“, reisende Händler. Und für den Transport sorgten die „Ballenbinder“: Die einzelnen Pakete wurden in Reis-und wasserfesten Tüchern zu Ballen verschnürt. Und wer ganz sicher sein wollte, dass die kostbare Fracht auch unbeschädigt das Ziel erreichte, benutzte Fässer.
Die enge Verwobenheit des Verlags mit dem geistigen Leben Basels wird in dem Jubiläumsband mit vielen Schlaglichtern beleuchtet. Erinnert sei an den Historiker Jacob Burckhardt, dessen Werke, mit denen er damals schlagartig berühmt wurde, im Schwabe Verlag erschienen sind: „Cicerone“, „Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens“.
Heute weitgehend in Vergessenheit geraten ist Johann Jakob Bachofen. Mit seiner These, dass am Anfang unserer Gesellschaften ein „Mutterrecht“ mitsamt einer „Gynaikokratie“ gestanden habe, stiess auf grösste Resonanz in der damaligen intellektuellen Szene weit über Basel hinaus.
Der Verlag stieg im Jahr 1848 auch in das Zeitungsgeschäft ein. Die erste Zeitung, die am 1. April 1848 erschien, hiess: „Allgemeines Intelligenzblatt der Stadt Basel“. Dazu kamen Fachzeitschriften wie das „Correspondenz-Blatt für schweizer Aerzte“ und die „Allgemeine schweizerische Militärzeitung“.
Immer wieder gehen die Autoren des Jubiläumsbandes auf die Entwicklung der Drucktechnik ein. Eine hübsche Beobachtung betrifft die uns geläufigen Zeichen @ und ¶. Das @ tritt schon in Handschriften im 16. Jahrhundert auf, das Absatzzeichen ¶ geht auf den Beginn des Buchdrucks zurück. Zur Diskussion des @-Zeichens gibt es sogar eine Website.
Eindrucksvoll und anregend sind auch die Kapitel, die die Verlagsgeschichte nach dem Zweiten Weltkrieg behandeln. So hat der Verlag mit der „Sammlung Klosterberg“ ein neues Fenster aufgemacht, in dem Autoren wie Robert Walser oder Max Frisch erscheinen konnten. Zum Start der Reihe wurde vom Herausgeber Hans Urs von Balthasar der Anspruch erhoben, einen „Wegweiser durch die Wirrsal der Zeit“ zu bieten.
„Gut zum Druck“ schliesst mit interessanten Ausführungen zur Frage, wie sich der Verlag in Zukunft aufstellen wird. Auch hier gibt es eine hübsche Pointe. Man geht nämlich auf einen Band zurück der im Jahr 1910 erschienen ist: „Die Welt in hundert Jahren“. Manches, was damals prognostiziert wurde, ist bei uns inzwischen längst Wirklichkeit, anderes kam ganz anders. Auf jeden Fall stellt sich der Schwabe Verlag der künftigen Verschmelzung der Medien im Zeichen des „digital publishing“.
Implizit gibt dieser Jubiläumsband eine klare Antwort auf die Frage nach der Zukunft des Buches: Dieser Band ist so schön gestaltet und enthält so viele vorzügliche Abbildungen, dass er durch keine digitale Publikationsform auch nur annähernd ersetzbar wäre. Schwabe hat hier wieder einmal gezeigt, was in diesem Verlag steckt.
Corina Lanfranchi, Hg., Gut zum Druck! Streifzüge durch 525 Jahre Druck- und Verlagsgeschichte in Basel, Schwabe Verlag Basel 2013, 431 Seiten