Die Schweiz feiert den 600. Geburtstag ihres Nationalheiligen Bruder Klaus. Sie tut dies nicht zum ersten Mal. Und sie tut es jedes Mal anders. Einmal steht der Vermittler im Vordergrund, der im Stanser Verkommnis von 1481 Stadt- und Landkantone vor dem Zerwürfnis bewahrte, ein andermal der Friedensstifter, der im noch jungen Bundesstaat Katholiken und Reformierte, Konservative und Liberale miteinander versöhnte. Während des Ersten und mehr noch während des Zweiten Weltkriegs gilt er als Landespatron, der die Schweiz vor Krieg und Verwüstung bewahrt. Das änderte sich, als er 1947 heilig gesprochen wurde. Aus dem Hüter des Vaterlandes war ein Rom genehmer Heiliger geworden. Die Katholiken freuten sich, die Protestanten waren irritiert.
In den letzten Jahrzehnten ist das Bild von Bruder Klaus differenzierter geworden. Aber noch immer dient er als Projektionsfläche: ein Mystiker und Gottsucher für die einen, ein Aussteiger und Friedensaktivist für die andern. Die Koordinatoren der unter dem Signum „Mehr Ranft“ zusammengefassten Gedenkanlässe halten dagegen. Ihnen ist an einer wissenschaftlich fundierten, nach unterschiedlichster Deutung hin offenen Darstellung des Heiligen gelegen. Das passt nicht allen, vor allem nicht Leuten wie dem umstrittenen Churer Bischof Vitus Huonder oder SVP-Übervater Christoph Blocher, die sich deshalb zusammengetan haben, um an einer nationalen Gedenkfeier in Sachseln ihr Bild von Bruder Klaus unters Volk zu bringen. Am 19. August soll dort eines Mannes gedacht werden, der als Heiliger den Ultramontanen und als Landespatron den Nationalkonservativen Auftrieb geben wird.
Dass Bruder Klaus als Eremit kein Mann der Amtskirche war, wird dabei ebenso unterschlagen wie die Tatsache, dass seine Intervention am Stanser Verkommnis dem inneren Zusammenhalt der jungen Eidgenossenschaft, nicht aber der Abschottung nach aussen galt. Darauf bezog sich der ihm übrigens erst nachträglich zugeschriebene Satz vom Zaun, der nicht zu weit gemacht werden soll, und nicht auf die Abwehr unliebsamer Ausländer oder die Mitgliedschaft in internationalen Organisationen, wie es Blocher und seine Anhänger gerne hätten. Doch gegen Geschichtsklitterung sind halt auch Heilige nicht gefeit.