Am 28. Dezember wurde der syrische Journalist, Film- und Video Produzent Naji Jerf in der südtürkischen Stadt Gaziantep ermordet. Ein Unbekannter schoss ihm in den Kopf.
Vorbild und Lehrer
Jerf, 38 Jahre alt, aus Salamiya, Syrien, war einer der Mitbegründer von "Raqqa wird abgeschlachtet" ("Raqqa is being slaughtered"), einer Gruppe von Journalisten und Bürgerberichterstattern, die unter Lebensgefahr darüber berichten, was in der Hauptstadt vom IS in Wirklichkeit vor sich geht.
Naji Jerf, verfügte über Erfahrung als Filmproduzent und war für die oftmals jungen und wenig erfahrenen Mitarbeiter der Gruppe sowohl Lehrmeister wie Vorbild. Er war Vater von zwei jungen Töchtern und stand kurz vor seiner Abreise nach Paris. Er hatte in Frankreich Asyl erlangt. Doch das ist nun zu spät geschehen.
Das Interview
Jerf hat vor einiger Zeit BBC ein Interview gegeben, in dem er seine Identität nur wenig verschleiert. Was er damals aussagte, verdient, als Text festgehalten zu werden. Man kann es als sein Vermächtnis auffassen und als eine Erinnerungstafel an ihn.
Naji Jerf beschreibt zuerst, was die Gruppe "Raqqa wird abgeschlachtet" tut. "Wir sind 18 Reporter im Inneren und 10 ausserhalb. Unsere Mitarbeiter im Inneren schicken Berichte über die letzten Ereignisse, Fotos, Videos und löschen sie automatisch, sobald sie gesendet sind. Wir im Äusseren arbeiten sie auf, schreiben Artikel, machen Interviews. Wir haben ein elektronisches Magazin, das heisst ´Dabe'. Wie Sie wissen, hat der IS ein Magazin, das ´Dabeq` genannt ist. Unsere Titelseite sieht genau so aus wie die ihre. Wenn ganz normale Zivilisten oder sogar Mitglieder vom IS die Titelseite sehen, denken sie, es sei ´Dabeq`. Sie machen es auf und finden unsere Artikel, wie wir die Lage schildern, die Realität."
Mord in der Türkei
Weiter berichtet er. "Der Vater von einem unserer Mitbegründer wurde vom IS gefangen, und sie sagten zu ihm: ´Wenn Du freikommen willst, gib uns drei Reporter.`- Er weigerte sich. Sie machten zwei Videos – wie sie seinen Vater an einen Baum banden, und wie sie ihn erschossen.
Wir beschlossen, nicht aufzugeben. Sie suchten lange nach unseren Reportern, konnten sie aber nicht finden. Deshalb sandten sie einen ihrer Leute in die Türkei. Dort ermordeten sie einen unserer Mitbegründer und einen der Mitarbeiter. Sie erschossen sie nicht, sie köpften sie. Wir hatten geglaubt, dass wir sicher seien in der Türkei. Doch das trifft nicht zu".
Naji Jerf fuhr fort: "Wir kämpfen nicht speziell gegen den IS. Vielleicht schon morgen oder später wird der IS besiegt. Doch das Problem wird die nächste Generation werden, und wir werden in zehn Jahren einen neuen IS finden. Deshalb versuchen wir, die Ideologie vom IS zu bekämpfen. Wir haben keine Waffen, deshalb kämpfen wir online."
Das Gift der Ideologie
Er sagte auch: "Manche Europäer und Amerikaner meinen, alle Syrer seien IS. Das ist ein Problem. Wir riskieren unser Leben, und sie sagen, wir seien alle IS. Gleichzeitig sagt der IS, wir seien Ungläubige, ´Kuffar`. Manchmal ist es wenig erfreulich, ihnen allen zuzuhören." Nach einer Unterbrechung fügt er hinzu : "Wenn Sie die Flüchtlinge aufhalten wollen, sollten Sie den IS bekämpfen. Wenn Sie das nicht tun wollen, sollten Sie Ihre Grenzen öffnen, weil wir auch Menschen sind."
PS: Die beiden schon früher ermordeten Mitglieder von "Raqqa is being slaughtered" waren Ibrahim Abdul Qader und Fares Hamdi, sie wurden im Oktober in einem Hotelzimmer in Urfa enthauptet aufgefunden. Der IS bekannte sich zu der Untat.
Die vollständige Videoaufnahme dieses BBC-Interviews findet man unter: http://www.bbc.com/news/world-middle-east-35188564