Auf dem Weltwirtschaftsgipfel in Davos fand der Generalsekretär der Vereinten Nationen, António Guterres, wieder einmal mahnende Worte. Man kennt sie von ihm. Gleichzeitig endete der Widerstand gegen die Preisgabe Lützeraths an den Braunkohle-Tagebau.
«Unsere Welt wird an einer Reihe von Fronten von einem perfekten Sturm heimgesucht.» All diese Konflikte türmten sich auf «wie Autos in einem Massencrash». Guterres bezeichnete den Klimawandel als «existenzielle Herausforderung» und sagte, dass sich die globale Verpflichtung, den Temperaturanstieg auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, schon jetzt «in Rauch» auflöse.
Fast zur gleichen Zeit verliessen die letzten beiden Besetzer des Dorfes Lützerath ihre Tunnel, so dass die Bagger nun fortfahren können, die Braunkohle aus der Erde zu holen. Man kann den Klimaaktivisten zugute halten, dass in ihren Augen Lützerath zum Symbol dessen geworden ist, was alles schief läuft in der Klimapolitik. Ihr erbitterter Widerstand drückt einen Idealismus aus, der sich auch durch Vergeblichkeit nicht brechen lässt.
António Guterres ist ganz sicher kein Zyniker, und die Aktivisten, die Lützerath besetzen, sich auf Zufahrten festkleben oder mit anderen spektakulären Aktionen protestieren, sind es erst recht nicht. Sie glauben an das, was sie sagen und tun, auch wenn sie mit ihren Aktionen scheitern. Guterres drückte es in Davos diplomatisch aus: «Es gibt keine perfekten Lösungen in einem perfekten Sturm. Aber wir können daran arbeiten, den Schaden zu kontrollieren und Möglichkeiten zu nutzen.»
Das sind keine leeren Worte. Joe Biden gab in diesen Tagen bekannt, dass die USA bis zum Jahr 2030 mit Offshore-Windfarmen 30 Gigawatt Strom erzeugen wollen. Die weltweite Kapazität liegt derzeit bei etwas über 50 Gigawatt. Um das ehrgeizige Ziel zu erreichen, sollen bis zum Jahr 2030 insgesamt 2200 Windräder errichtet werden. – Soweit, so gut.
Die Schwierigkeiten bestehen aber unter anderem darin, dass es dafür allein schon an Windrad-Installationsschiffen fehlt. Diese lassen sich nicht so schnell bauen, beziehungsweise beschaffen, um überhaupt die riesigen Bauteile, aus denen Windkraftanlagen bestehen, in der Zeit bis 2030 zu transportieren. Und das ist nur ein Problem von vielen.
Wohin man auch schaut, stösst man stets auf Schwierigkeiten im Detail, die sich den guten Absichten und Plänen entgegenstellen. In Deutschland ist das Problem der Stromtrassen und der Genehmigungsverfahren für Windkraftanlagen inzwischen geradezu sprichwörtlich.
Man kann auch fragen, ob der Klimawandel inzwischen nicht schon viel zu weit fortgeschritten ist, als dass Massnahmen, die jetzt nach und nach ergriffen werden, überhaupt noch eine Wirkung entfalten. Sind sie mehr als Bussübungen? Insofern könnte der Gedanke naheliegend sein, dass man am besten so weitermacht wie bisher und buchstäblich mit Vollgas auf den Abgrund zu rast.
Aber wollen wir in einer Menschheit leben, die in Anbetracht der Katastrophe sich auch noch mental aufgibt? Oder brauchen wir nicht die Aufrufe zur Umkehr, damit zur Katastrophe nicht noch ein menschenverachtender Zynismus hinzukommt, der die Frage aufwirft, wozu die Menschheit überhaupt überleben will?