Môtiers im Val de Travers lädt zum sechsten Mal zur bis am 18. September dauernden „art en plein air“ schweizerischer Künstlerinnen und Künstler ein. Die werbenden Argumente verlocken: „Zeit für Gespräche, ein Glas Wein, für einen Meinungsaustausch über Kunst, Wetter, Werke aus früheren Ausstellungen … oder über die zwar sympathischen, aber ein wenig verrückten Veranstalter!“
Den Mut der Verrückten belohnen achtzig Kunstschaffende mit der Präsentation von 69 Werken. Sie stehen auf der Strasse, in Häusern, auf freiem Feld und im Wald. Ein Leporello hilft bei der Suche. Das Werweissen bleibt: Ist der rostige Pflug an der Scheunenecke ein Kunstobjekt oder doch nicht, stammt der Harassenstapel aus Künstlerhand oder handelt es sich um Gebrauchsgut einer Absinthbrennerei?
Schaufensterdekoration
„Pont“ von Emilie Ding ist eine lange, schmale, schräg an eine Hauswand gestellte Betonplatte und soll „an einige berühmte Werke aus der Kunstgeschichte denken“ lassen. Klar. Warum nur mühten sich Michelangelo, van Gogh und Warhol ab? Rolf Graf legte auf Baumstrünke bunte Sitzkissen und bezeichnet sie als „minimalistisches, funktionelles und kosmopolitisches Werk“. Das Kosmopolitische gibt Rätsel auf. Auf ein grünes Tuch schrieb Elodie Pong „Green is The New Red“. So heisst ein Buch von Will Potter, der den Begriff des Öko-Terrorismus analysiert.
Das sind drei von vielen Beispielen, die Botschaften künstlerisch bescheiden manifestieren. Die Beliebigkeiten lösen ein Achselzucken aus. Sie berühren nicht stärker als eine Schaufensterdekoration. Spektakulär ist das hölzerne Walfischskelett von Christian Gonzenbach. Doch in der Bezugslosigkeit zum Ort lässt es kühl.
Bereichernde Momente
Selten genug hält der Kunstwanderer neugierig inne und schreitet beflügelt weiter: Etienne Krähenbühl schafft es mit seiner klaren und vibrierenden Skulptur, Edit Oderbolz mit den wegversperrenden Goldkettchen, Christoph Rütimann mit der endlosen Linie in einem Baum oder Denis Savary mit dem simpel verblüffenden Tipi.
Die Aufzählung des Belanglosen ist so unvollständig wie jene der bereichernden Momente. Das Fazit: wenig Aufregung, wenig Anregung. Das motiviert, nicht ernüchtert heimzureisen, sondern optimistisch die Fahrt um zwei Stunden zu verlängern in die Haute-Saône nach Pesmes und dort zur „Ile Art“ mit den „Installations et Sculptures Contemporaines“. Auch diese erstmals stattfindende Freilichtausstellung ist bis zum 18. September geöffnet.
An ihr beteiligen sich fünf Künstlerinnen und sieben Künstler, acht aus Frankreich, vier aus der Schweiz und alle renommiert. Die Arbeiten dort sind bestechend. Der Initiant und Kurator der Ausstellung, Andrea Malär, selber ein Eisenplastiker von internationalem Rang, abwechselnd wohnhaft in Vinelz am Bielersee und seit einigen Jahren in Malans bei Pesmes, bewies mit motivierendem Geist ein sicheres Urteil.
Starke Solitäre
Die gekonnt in die traumhafte Landschaft inszenierten Arbeiten aus Metall, Holz, Keramik, Terrakotta und Harz von Sonja Brissoni, Joseph Ginet, Markus Graf, Michel Laurent, Régina Le Moigne, Andrea Malär, Fabien Mick, Daniel Nicod, Denis Pérez, Mylène Peyreton, Anita Rumpf und Hilda Staub sind Solitäre. Sie fesseln mit Fragen und lassen die Antworten souverän offen. Einen Verständnisschlüssel liefert der Ausstellungsname „Ile Art“: er versteckt wortspielerisch „hilare“, was „lachend“ heisst und „heiter“.
Wenn in Pesmes die kuratorischen Massstäbe sehr streng bleiben und jene in Môtiers deutlich anspruchsvoller werden, dann entsteht zwischen dem Val de Travers und der Haute-Saône ein spannender und lohnender Kunstweg.