Man hört und liest zurzeit viel über die prekäre Lage, in der sich Kulturschaffende, vornehmlich die sogenannt «freien», nirgendwo fest angestellten, befinden. Man hofft natürlich, dass die Situationsbeschreibungen und die daran geknüpften dringlichen Appelle bei den zuständigen Stellen und den involvierten Politikern etwas nützen. Folgeerscheinungen des kulturellen Lockdowns machen sich inzwischen immer deutlicher bemerkbar und sie wirken alarmierend. Die Tatsache, dass Museen, Kinos, Theater, Konzertsäle geschlossen bleiben, lässt die Kultursparten vieler Zeitungen und Zeitschriften verkümmern (rühmliche Ausnahme: ausgerechnet die «Weltwoche»).
Es gibt logischerweise kaum mehr Berichterstattung über Aufführungen, Ausstellungen, Konzerte. Und wie reagieren die Medien? Viele Zeitungen verkleinern den Umfang der Kulturseiten, verschwenden übermässig viel Platz für die Beschreibung seichtester Unterhaltungsangebote und kaprizieren sich auf Themen, die mit Kultur wenig bis gar nichts zu tun haben. Besonders beliebt sind psychologisch gewürzte Befindlichkeitsbeschreibungen oder die Verbreitung pseudophilosophischer Lebensweisheiten.
Besonders arg gebeutelt wird ein Genre, das vor noch nicht allzu langer Zeit zu den Königsdisziplinen des Feuilletons gehörte, die Literaturkritik. Der dramatische Schrumpfprozess, dem sie unterliegt, hat schon vor der Corona-Zeit begonnen. Wer die elaborierte Buchkritik schätzt, sich nicht mit dem Klatsch und Tratsch von TV-Literatursendungen begnügen mag, der muss schon lange darben. Buchbesprechungen gelten als altmodisch, Rezensenten können nicht mehr davon leben. Allzu oft gleichen ihre Texte dem Werbematerial, das der Verlag für seinen Autor, seine Autorin bereitstellt.
Dass Corona-Zeit auch Lesezeit bedeuten kann, wird behauptet und da und dort mit Zahlen belegt. Man wünschte sich, dass die vermutete Bereitschaft eines Publikums, Bücher zu lesen, die Medien dazu verleiten könnte, wieder mehr Rezensionen zu drucken, dem Buch mehr Platz, mehr Gewicht zuzubilligen. Doch eher scheint das Gegenteil der Fall zu sein. Unter dem generellen Schrumpfprozess der Kultursparten leiden die Buchbesprechungen stark. Und keine Wende ist in Sicht.