In der Redaktion führte die Frage, wie sich der Wille der Wählerinnen und Wähler auf dem Wahlzettel präzis und ohne Verschleuderung von Stimmen ausdrücken lasse, zu einer Diskussion mit einigen zweifelnden Antworten. Die Konsultation der von der Bundeskanzlei formulierten und mit den Wahlunterlagen fürsorglich verschickten Anleitung liess die Schuppen von den Augen fallen. Allerdings studiert die amtliche Hilfe nur, wer unsicher ist. Aber die meisten Wählerinnen und Wähler fühlen sich in der Wahrnehmung ihrer Rechte sattelfest. Es könnte ein Trugschluss sein. Das bestätigte eine nicht repräsentative, doch immerhin seriöse Telefonumfrage. Unser Beipackzettel zum Wahlzettel möge noch kurz vor Torschluss eine Ermunterung zum Wählen sein und ein Beitrag zur punktgenauen Willensäusserung.
Doppelwirkung
Der Wahlzettel erzeugt dort, wo das Proporzverfahren gilt, eine doppelte Wirkung. Zum einen liefert er den Parteien die Stimmen, die über die Sitzverteilung entscheiden, zum andern verschafft er den Kandidierenden die Polster, um die von den Parteien erlangten Sitze einzunehmen.
Diese Doppelwirkung entfaltet sich immer, unabhängig davon, ob der Wahlzettel verändert wird oder nicht. Übrigens: Bei den Nationalratswahlen 2011 wurden 2 485 403 Wahlzettel eingelegt, wovon 1.130.778 veränderte, 33.639 ungültige und 9.116 leere.
Ohne Nebenwirkung
Wer eine Partei und deren Kandidierende einschränkungslos unterstützt, kann seine Wahlaufgabe bequem und schnell erledigen, indem er den vorgedruckten amtlichen Wahlzettel seiner favorisierten Partei unverändert benutzt.
Die so verfahrenden Wählerinnen und Wähler begünstigen maximal und ohne jede Nebenwirkung ihre Partei und die von ihr ins Rennen geschickten Personen.
Strafwirkung
Das Recht bietet den Wählenden die geschätzte Möglichkeit, die Kandidierenden individuell zu beurteilen und bei Nichtgefallen abzustrafen mit der Streichung des Namens. Die Opfer verlieren eine Stimme, was die Wahlchance mindert: jedenfalls theoretisch, aber nicht zwingend praktisch, weil die Ausgemusterten vielleicht kompensierend die Gunst anderer Wählerinnen und Wähler geniessen.
Keine Konsequenz haben die unwirschen Tilgungen für die Partei: Sie holt alle Stimmen, d. h. so viele, wie auf der gedruckten Liste Namen aufgeführt und durch die Streichung entstandene Leerzeilen vorhanden sind.
Verstärkerwirkung
Wählende mit der Auffassung, unter den Kandidierenden seien sonderlich Tüchtige, die vor allen anderen in den Nationalrat gehören, greifen zum Mittel der Kumulierung, indem sie einen, zwei oder mehrere vorgedruckte Namen handschriftlich wiederholen. Die Auserkorenen gewinnen je zwei Stimmen. Aber mehr als zwei gleiche Namen dürfen nicht sein.
Die Kumulierung erfordert, ganz klar, andere vorgedruckte Namen zu streichen. Für die Partei bleibt das Kumulieren hinsichtlich der Stimmenzahlen folgenlos wie im obigen Abschnitt erläutert.
Mehrfachwirkung
Um die Qual der Wahl zu mildern, ist den Wählenden das Mischen mit dem schönen und sonst nur beim Bierausschank verwendeten Begriff des Panaschierens erlaubt. Sie können auf die Liste der Partei ihres grössten Vertrauens von Hand Namen aus den Listen anderer Parteien schreiben: entweder je einmal oder - kumulierend - je zweimal. Doch selbstverständlich bloss dann, wenn auf der bevorzugten Liste der nötige Platz geschaffen wird durch die Streichung von vorgedruckten Namen.
Beim Mischen bezahlt die favorisierte Partei einen Preis mit dem Verlust von Parteistimmen. Denn nicht nur den Panaschierten fallen Stimmen zu, sondern automatisch auch der von ihnen vertretenen Partei. Wer mixt, schwächt seine Lieblingspartei und stärkt eine oder mehrere andere.
Gestaltungswirkung
Neben den Listen mit vorgedruckten Namen steckt in den Wahlunterlagen auch eine leere amtliche Liste, die von den Wählenden handschriftlich nach eigener Kreativität ausgefüllt werden kann. Zur Verfügung steht die Gesamtheit der vorgedruckten Namen, die sich je einmal oder je zweimal aufführen lassen.
Die Stimmen für die auf leere Liste gesetzten Personen sind auch Stimmen zugunsten der Partei, aus der die Kandidierenden stammen.
Verwirkung
Damit sich die Mühe des Wählens auch wirklich lohnt, sind die Gültigkeitsregeln zu beachten. Sie können aus Zerstreutheit oder mit Absicht verletzt werden. Wer den Kopf nicht bei der Sache hat, vergisst die Unterzeichnung des Stimmrechtsausweises - was einzig im Kanton Basel-Stadt unerheblich bleibt - oder schreibt Namen falsch bzw. so unleserlich, dass sie keinem Kandidierenden zugeordnet werden können - zumal dann, wenn die Kandidatennummer fehlt.
Vorsätzlich verwirken jene die Gültigkeit ihres Wahlaktes, die den Wahlzettel mit Kommentaren versehen, seien sie nun witzig oder unflätig. Es herrscht die Nulltoleranz. Leserbriefe sind der geeignetere Weg.
Goldene Benimmregeln finden sich in der Wahlanleitung der Bundeskanzlei, auch weitere Antworten auf Frequently Asked Questions. Noch erschöpfender sind die Auskünfte auf www.ch.ch/Wahlen2015
Überraschungswirkung
Ein bisschen Konzentriertheit genügt also, damit die Wählenden ihre Stimmen exakt im gewollten Sinne lenken können. Mit einer der Vollständigkeit halber erwähnten Ausnahme:
Die Listenverbindungen und Unterlistenverbindungen produzieren gelegentlich unberechenbare, dem Schnippchen schlagenden Proporzsystem geschuldete Ergebnisse mit überraschten Siegern und düpierten Verlierern. Erfahrungsgemäss wendet sich das Blatt bei den nächsten Wahlen. Glückshändchen und Pechvögel unter den Parteistrategen sorgen abwechselnd für Gerechtigkeit