Vor der Engelsburg in Rom werden am „Tag der Frau“ Blumen niedergelegt. Ebenso in der Via di Monserrato, hinter dem Campo de‘ Fiori. Dort, wo das Gefängnis stand, wurde die junge Frau am 11. September 1599 abgeholt und vor der Engelsburg mit dem Schwert enthauptet.
Beatrice Cenci stammt aus einer reichen Adelsfamilie. Ihr Vater ist ein gewalttätiges Ekel. Schon als Zehnjähriger hatte er mit dem Säbel auf andere eingestochen. Er ist bekannt für seine brutalen sexuellen Übergriffe. Er treibt es mit Männern, Frauen und Tieren. Immer wieder wird er verurteilt, kann sich aber dank seines Vermögens freikaufen. Mit seiner ersten Frau hat er zwölf Kinder. Eines davon ist Beatrice, die am 6. Februar 1577 geboren wird. Als seine Frau stirbt, schickt er Beatrice und ihre Schwester Antonia in ein vornehmes Franziskanerinnen-Kloster. Dort leben sie acht Jahre lang.
Vom Vater vergewaltigt?
Francesco, der Vater heiratet ein zweites Mal und zieht mit Frau und Beatrice in ein Schloss in den Abruzzen. Er führt ein Terrorregime und misshandelt Frau und Tochter. Sie werden in einem abgeschlossenen Raum gehalten und erhalten das Essen über eine Durchreiche. Immer wieder schlägt er alles zusammen. Beatrice verbietet er, zu heiraten, weil er die Mitgift sparen will. Berichte ihres Anwalts, wonach sie vom Vater vergewaltigt worden sei, sind nicht erhärtet – aber nicht unwahrscheinlich. Ein Bruder von Beatrice wird enterbt, weil er sich gegen den Willen des Vaters verheiratet hat.
Die Situation in der Familie wird unerträglich. So beschliessen Francescos zweite Frau, seine Tochter Beatrice und ihre Brüder Giacomo und Bernardo, dem Terror ein Ende zu setzen. Sie wollen den Vater töten. Treibende Kraft hinter dem Mordplan ist die gut zwanzigjährige Beatrice.
Mit dem Hammer erschlagen
Wie tötet man einen misstrauischen Vater? Gift kommt nicht in Frage, da Francesco alle Speisen vorkosten lässt. Man entschliesst sich, Francesco im Schlaf umzubringen. Als Mörder entscheidet sich Beatrice für Olimpio Calvetti, den früheren Gutsaufseher. Mit ihm, dem gut aussehenden, hochgewachsenen Mann hat sie ein Verhältnis.
Der Vater wird mit Opium betäubt. Olimpio betritt mit einem Hammer das Schlafgemach, doch Francesco wacht auf. Zu wenig Opium. Trotzdem wird er mit mehreren Hammerschlägen getötet.
Die Familie täuscht einen Unfall vor. Sie wirft die Leiche über einen Felsen in einen Gemüsegarten. Doch bald schon kommen Zweifel auf. Eine Wäscherin sagt aus, sie hätte blutige Kleider des Mörders waschen müssen. Beatrice, die Stiefmutter und Giacomo werden festgenommen und gefoltert. Sie gestehen und werden – als verantwortliche Mörder - zum Tode verurteilt.
Begnadigung abgelehnt
Selten geniessen Mörder eine solche Sympathie. Angeklagt wird Beatrice vom höchsten Staatsanwalt in Rom, verteidigt wird sie vom renommiertesten Anwalt der Stadt. Die breite Bevölkerung und viele Adlige setzen sich für sie ein. Hochgestellte Persönlichkeiten sprechen beim Papst vor, um ihre Begnadigung zu erreichen.
Alles nützt nichts. Papst Clemens VIII., der auch Giordano Bruno auf den Scheiterhaufen auf dem Campo de‘ Fiori brachte, lehnt eine Begnadigung ab.
Unter dem Geschrei einer riesigen Menge werden zunächst die Stiefmutter und dann Beatrice vor der Engelsburg hingerichtet. Giacomo, der Bruder von Beatrice, wird mit glühenden Zangen gequält und gevierteilt. Die Menge ist so riesig, dass eine Tribüne zusammenbricht und vier Menschen sterben. Einige der Zuschauer fallen in den Tiber und ertrinken.
Caravaggio, der Augenzeuge
In der Menge befindet sich auch der grosse Maler Caravaggio. Kurz nach der Hinrichtung hat er die alttestamentarische Judith gemalt, wie sie dem Brutalo Holofernes mit dem Schwert den Kopf abschlägt (Galleria nazionale di arte antica, Rom). Laut dem italienischen „Cultor college“ wird „allgemein angenommen, dass Caravaggio die Hinrichtung von Beatrice vor Augen hatte, als er die biblische Judith malte“.
Doch Beatrice sah mit Bestimmtheit nicht so aus wie Judith. Caravaggio hatte kaum Geld und für Judith stand die Dirne Fillide Melandroni Modell. Caravaggio hatte also Beatrice mit eigenen Augen gesehen. Schade, hat er ihr Gesicht nicht gemalt. Laut mehreren Überlieferungen soll sie sehr hübsch gewesen sein. Doch wir wissen heute nicht, wie sie wirklich aussah.
Ein Porträt von ihr wird dem Bologneser Maler Guido Reni zugeschrieben. Ob es sich dabei wirklich um Beatrice handelt und ob das Bild wirklich Guido Reni gemalt hat, ist nicht klar. Wahrscheinlich hat Guido Reni Beatrice nie gesehen und nur von ihr gehört. Der Maler Achille Leonardi hat im 19. Jahrhundert dieses Porträt zum Vorbild genommen und „Beatrice im Gefängnis“ gemalt.
Stolz und stark bis zum Schluss
Weshalb hat Papst Clemens eine Begnadigung abgelehnt? Seine Familie, vor allem sein Neffe, Kardinal Gianfrancesco Aldobrandini, nehmen nach der Hinrichtung einen grossen Teil des Grundbesitzes der Cencis an sich. Wieder einmal begehrt die Menge gegen einen Papst auf. Ergebnislos.
Beatrice wird im Laufe der Jahre zur glühend verehrten Märtyrerin. Längst ist sie eine Volksheldin. Jedes Römer Schulkind erzählt heute ihre Geschichte. Spricht man die Kinder auf Beatrice an, so sprudelt es los. Für die Römer Frauen ist sie längst zum Symbol einer starken Frau geworden - eine die sich wehrt. Ihre Stiefmutter hat am Ende gezweifelt, ihre Brüder auch. Beatrice war stark und stolz bis zum Schluss.
Der geraubte Schädel
1999, 400 Jahre nach ihrem Tod, wurde in der Via di Monserrato, dort, wo das Gefängnis stand, eine Gedenktafel angebracht. Beatrice wird als „beispielhaftes Opfer einer ungerechten Justiz“ bezeichnet. Dass sie vor allem auch Opfer eines satanischen Vaters war, steht nicht auf der Tafel. Viele, die heute an dieser Tafel vorbeigehen, bekreuzigen sich.
Die Geschichte der Beatrice Cenci hat Dutzende Schriftsteller, Musiker, Maler und Filmregisseure beschäftigt. Es gibt Versdramen, viele Biografien, Romane, Opern und Filme über sie. Selbst Stendhal, Alberto Moravia und Alfred Nobel haben über sie geschrieben.
Beatrice war in der Kirche San Pietro in Montorio auf dem Hügel Gianicolo oberhalb von Trastevere anonym begraben worden. 1798 wurde Rom von französischen Soldaten besetzt. Einige von ihnen öffneten das Grab. Der Maler Vincenzo Camuccini, der in der Kirche Restaurationsarbeiten durchführte, protestierte. Vergebens. Einer der Soldaten nahm den Schädel von Beatrice, spielte mit ihm wie mit einem Ball - und verschwand mit ihm.