Die frühere Uno-Botschafterin und Gegenkandidatin von Donald Trump wirft das Handtuch. Nach dem Super Tuesday, bei dem sie einzig im kleinen Bundesstaat Vermont gewann, zieht sie sich aus dem Rennen um die Präsidentschaft zurück. Haley gratulierte zwar Trump, stellt sich aber nicht hinter den Ex-Präsidenten und ruft ihre Wählerinnen und Wähler nicht dazu auf, ihn im November zu wählen.
In Charleston, in ihrem Bundesstaat South Carolina, gab Haley am Mittwochnachmittag (MEZ) offiziell ihren Rückzug bekannt. «Es ist nun an der Zeit, meine Kampagne zu beenden ... Obwohl ich nicht mehr kandidiere, werde ich nicht aufhören, meine Stimme für die Dinge einzusetzen, an die ich glaube.»
«Donald Trump wird aller Voraussicht nach der Kandidat der Republikaner sein, wenn unser Parteitag im Juli zusammentritt. Ich gratuliere ihm und wünsche ihm alles Gute. Ich wünsche jedem, der Amerikas Präsident werden will, alles Gute. Unser Land ist zu wertvoll, als dass wir uns von unseren Differenzen entzweien lassen sollten», sagte Haley.
Sie fügte hinzu: «Es liegt nun an Donald Trump, die Stimmen derjenigen in unserer Partei und darüber hinaus zu gewinnen, die ihn nicht unterstützt haben. Und ich hoffe, dass er das tut.»
Haley war einzig im kleinen Neuenglandstaat Vermont ein Erfolg gelungen. Damit vereitelte sie am Super Tuesday dem amerikanischen Ex-Präsidenten einen «Rundum-Sieg» («clean sweep»). Auf Haley entfielen in Vermont 50 Prozent und auf Trump 46 Prozent der Stimmen.
Linksradikale Kräfte
Nikki Haley wurde am Super Tuesday «in rekordverdächtigter Weise geschlagen», postete Trump nach dem Rückzug seiner Gegnerin. In Anspielung auf seine Niederlage in Vermont liess er durchblicken, dass Haley von «linksradikalen Demokraten» unterstützt worden sei. Er lud Haleys Anhänger und Anhängerinnen ein, sich seiner politischen Bewegung anzuschliessen. «Ich hoffe, sie bleibt im Rennen und kämpft bis zum Ende! Ich möchte meiner Familie, meinen Freunden und der Grossen Republikanischen Partei dafür danken, dass sie mir geholfen haben, den mit Abstand erfolgreichsten Super Tuesday in der Geschichte zu erleben, und ich möchte ausserdem alle Haley-Anhänger einladen, sich der grössten Bewegung in der Geschichte unserer Nation anzuschliessen», so Trump.
Trump ist nicht zu bremsen
Um im Juni am Parteitag in Milwaukee als Präsidentschaftskandidat gewählt zu werden, braucht Trump mindestens 1’215 der 2’429 Delegierten-Stimmen. Laut einer ersten provisorischen Zählung verschiedener amerikanischer Medien kommt er bisher auf 995; Nikki Haley auf deren 89.
In seiner Siegesrede in Mar-a-Lago erwähnte Trump seine Konkurrentin Haley mit keinem Wort. «Wir wollen Einigkeit», erklärte er, «und wir werden Einigkeit haben, und das wird sehr schnell geschehen.» Laut der New York Times erklärte Olivia Perez-Cubas, die Wahlkampfleiterin von Nikki Haley: «Einheit wird nicht dadurch erreicht, dass man einfach behauptet: ‘Wir sind vereint.’ In jedem Bundesstaat gibt es nach wie vor einen grossen Block republikanischer Vorwahlwähler, die ihre tiefe Besorgnis über Donald Trump zum Ausdruck bringen.»
Obwohl der Ex-Präsident am Super Tuesday den erwarteten grossen Sieg einfuhr, wird er doch einige Warnsignale beachten müssen. Haley erzielte ihre besten Ergebnisse in den Städten, College-Städten und Vorstädten. Je gebildeter die Wählerinnen und Wähler sind, desto mehr wählten sie die Demokraten oder Nikki Haley.
Hinter Trumps oft dominanten landesweiten Siegen verbargen sich auch Anzeichen von Schwäche. Analysten sehen bei gemässigten Wählerinnen und Wähler eine wachsende «Anti-Trump-Motivation», die bis zu den Wahlen im November anhalten oder gar wachsen könnte. Ein Nachwahlbefragung von CNN ergab, dass in North Carolina 81 Prozent der Wählerinnen und Wähler, die jetzt für Nikki Haley gestimmt haben, im November nicht für Trump stimmen werden. Beobachter erklären, Trump könnte es schwer haben, im November Haleys Wählerschaft zu gewinnen.
In Minnesota stimmten 69 Prozent der republikanischen Wählerinnen und Wähler für Trump. In Maine waren es 72 Prozent, in Virginia 95 Prozent, in North Carolina 74 Prozent, in Tennessee 77 Prozent, in Alabama 83 Prozent, in Arkansas 77 Prozent, in Oklahoma 82 Prozent, in Texas 78 Prozent, in Colorado 63 Prozent, in Alaska 88 Prozent, in Kalifornien 79 Prozent. Einzig in Utah hatte Haley einen Hauch einer Chance: Sie kam auf 41 und Trump auf 58 Prozent.
Gemäss einer am Dienstag von der Washington Post veröffentlichten Umfrage sind 51 Prozent der Trump-Wähler und -Wählerinnen «weisse, evangelische Christen». 52 Prozent bezeichnen sich als «sehr konservativ».
Rückhalt und Denkzettel für Biden
Wie Trump trat auch Joe Biden fast konkurrenzlos an. Der Präsident eroberte bisher 1’289 Delegiertenstimmen. Um am demokratischen Parteitag in Chicago im August nominiert zu werden, benötigt er 1’968 von 3’934 Delegierten.
Auf Amerikanisch-Samoa musste Biden eine Niederlage einstecken, und zwar gegen einen Mann, den bisher kaum jemand kannte. Der Risikokapitalgeber Jason Palmer, der nie ein politisches Amt innehatte, erhielt mehr Stimmen als der Präsident. Die Demokraten bezeichnen diese Niederlage als «Schönheitsfehler und dumm».
In Minnesota, wie schon Ende Februar in Michigan, erhielt Joe Biden einen Denkzettel. 19 Prozent der demokratischen Wählerinnen und Wähler (viele Muslime) stimmten in Minnesota nicht explizit für Biden, sondern kreuzten «uncommitted» (neutral) an. Damit drücken sie ihre Kritik an Bidens Nahost-Politik und seinem Engagement für Israel aus. In Michigan waren es 100’000 Wahlberechtigte, die mit «uncommitted» ihre Missbehagen über den Präsidenten zum Ausdruck brachten. Zudem tritt das Alter des 81-Jährigen immer mehr in den Mittelpunkt der Diskussionen.
Laut ersten Analysen hat Biden aber weniger schlecht abgeschnitten, als viele Demokraten befürchteten. Der Präsident hat «eindeutig den Rückhalt der Basis seiner Partei», erklärt CNN. Biden war wegen seiner Amtsführung in letzter Zeit scharf kritisiert worden. Zudem trat das Alter des 81-Jährigen immer mehr in den Mittelpunkt der Diskussionen. In Meinungsumfragen liegt er meist weit hinter Trump, auch in den wichtigen Swing States.
In Maine stimmten 93 Prozent der demokratischen Wählerinnen und Wähler für Biden. In Vermont waren es 89 Prozent, in Massachusetts 83 Prozent, in Minnesota 71 Prozent (19 Prozent «uncommitted»), in Iowa 91 Prozent, in Virginia 89 Prozent, in North Carolina 87 Prozent, in Tennessee 92 Prozent, in Alabama 89 Prozent, in Arkansas 89 Prozent, in Oklahoma 73 Prozent, in Texas 85 Prozent, in Colorado 84 Prozent, in Utah 88 Prozent, in Kalifornien 89 Prozent.
Am Donnerstag wird Biden seine State-of-the-Union-Botschaft vortragen. Dabei wird er versuchen, sein etwas lädiertes Image aufzupolieren und sich als entschlussfähigen Staatsmann zu präsentieren. Es wird erwartet, dass er über die Kriege in der Ukraine und in Gaza, Hamas, China, Taiwan, die Immigration und über Abtreibung sprechen wird.
Biden sagte in der Nacht zum Mittwoch, dass eine zweite Amtszeit von Trump eine Rückkehr zu «Chaos, Spaltung und Dunkelheit» bedeuten würde.
Die Vorwahlen laufen noch bis Anfang Juni. Der Nominierungsparteitag der Republikaner findet dann vom 15. bis 18. Juli in Milwaukee im Bundesstaat Wisconsin statt. Die Demokraten nominieren ihren Präsidentschaftskandidaten bei einem Parteitag vom 19. bis 22. August in Chicago im Bundesstaat Illinois. Neben den Präsidentschaftskandidaten werden dann auch ihre Vize bestimmt.
(Journal 21/CNN/New York Times/Washington Post/Associated Press)