Dank der Entlassung der Ausgangsuniform aus der Wehrpflicht spart die Armee bei den Verteidigungskosten von 6 Milliarden Franken jährlich 5,2 Mio Franken oder 0,086%. Ein Nichts.
Das ist zugegebenermassen insofern eine schiefe Rechnung, als sich jede Rappenspalterei in irgendeine Relation setzen lässt, um lächerlich zu wirken. Es liesse sich ja auch sagen, eine Lappalie sei nicht der Rede wert, zumal Kleinvieh ebenfalls für Mist sorge. Wenn dem so wäre.
Tatsächlich wird umgelagert und nicht das Sparkässeli gefüllt. Was der Textilindustrie künftig fehlt, fliesst zur Rüstungsindustrie, um die Verteidigungsfähigkeit zu stärken. Finanziell ein Nullsummenspiel.
Multifunktionalität als Leidenschaft
Die beschlossene «bedarfsorientierte Abgabe der Ausgangsuniform» bedeutet – weniger gefühlvoll formuliert – deren «flächendeckende» Nicht-Abgabe und die Erweiterung der Kampfuniform um die Funktion der Freizeitbekleidung. Das passt zur All-in-One-Leidenschaft unserer Armee mit dem Ideal des schiessenden Schlafsacks und des als Zeltstange und Beinschiene verwendbaren Skistocks. Vor Augen das Militär-Sackmesser als Vielseitigkeits-Ikone.
Der feine Stoff darf nur noch ausnahmsweise von kaum wahrnehmbar Wenigen getragen werden. Vorab in repräsentativer Mission. Das Recht aufs Tenü A gilt für Militärmusikanten, Offiziersordonnanzen sowie für durchdienende Küchenlogistiker und Truppenköche. Was zeigt, wie hierarchisch unbefangen die Armee den Begriff der Repräsentativität interpretiert.
Die weisse Galauniform war einmal
Im Umkehrschluss heisst dies, dem Gros der Dienstleistenden jeglichen Reputationseffekt abzusprechen. Mit der Eliminierung des Ausgangsanzug wird auch das «Soldatenbuch» ausser Kraft gesetzt. «Jeder Soldat», lesen wir im feldgrauen Knigge von 1959, «der in Haltung, Anzug und Auftreten einen vorteilhaften Eindruck macht, leistet einen wichtigen Beitrag zum Ansehen unserer Armee.» Und weiter: «Auch das Ausland beobachtet die Truppe und den einzelnen Wehrmann dauernd und überall.»
Das bestätigt aus der Vergangenheit ein schweizerischer Verteidigungsattaché, der sich für offizielle Empfänge in seinem Residenzland auf eigene Kosten eine strahlend weisse Uniform nach Mass schneidern liess. Heute wäre ihm ein Disziplinarverfahren sicher. Mit mildem Urteil gegen das Versprechen, sich fortan im Tarnanzug unter die Gäste in Cocktailkleidern, Smokings und Galauniformen zu mischen.
Psychologische Kriegsführung im Übergwändli
In der «besten Armee der Welt» ist das Wohlgefühl wegbefohlen, am Ende eines Arbeitstages duschen und sich entspannt im Ausgänger in den Ausgang stürzen zu können. Jetzt geht es im Übergwändli in die Beiz oder ins Dancing, ins Kino oder Konzert, zum Date oder Chillen. Als Demonstration der Verteidigungsfähigkeit selbst an friedlichsten Orten rund um die Uhr.
Mit der Verschiebung einiger Millionen im niederschwelligen Bereich von einem Konto aufs andere hat eines der gröberen Probleme im Verteidigungsdepartement zwar nicht elegant, aber öffentlichkeitswirksam gelöst werden können.
Das Mode-Ei des Kolumbus
Wer immer Viola Amherd nachfolgt, kann sich in Musse der noch aufklärungsschwachen Aufklärungsdrohnen annehmen, der noch absturzgefährdeten Logistik-Software und der noch in der Luft hängenden Luftraumüberwachung.
Doch ein Wermutstropfen bleibt. Was die Armee als Allzweck-Garderobe auszutüfteln vermochte, steht im Schatten einer modegeschichtlichen Genialität. Gemeint ist der «Stresemann», der vor hundert Jahren vom gleichnamigen Reichsaussenminister ersonnene und von der Mühe befreiende Anzug, sich täglich mehrmals umziehen zu müssen.
Der mittellange schwarze Gehrock, die graue Weste, die schwarze oder graue Krawatte und die grau-schwarz gestreifte Hose anstelle des steifen Fracks waren im Büro bequem genug und bei offiziellen Verpflichtungen feierlich genug. Vor diesem Flexi-Frack, dem Mode-Ei des Kolumbus, muss der Tarnanzug leider, leider neidisch verblassen.