Die sudanesischen Militärs haben den weggeputschten Ministerpräsidenten wieder eingesetzt. Doch die Bevölkerung ist wütend. Lässt sie sich erneut auf der Nase herumtanzen?
Am Sonntag haben der mächtige Generalleutnant Abdel Fattah al-Burhan und der vor einem Monat gestürzte Regierungschef Abdalla Hamdok ein Abkommen geschlossen. Danach kehrte Hamdok, der seit dem Militärputsch vor einem Monat unter Hausarrest stand, an die Spitze der Übergangsregierung zurück. Alle politischen Gefangenen, die während des Putsches und den anschliessenden Demonstrationen festgenommen wurden, sollen freigelassen werden.
Haben die mächtigen Generäle unter Druck der landesweiten heftigen Proteste nachgegeben? Haben sie den Kopf eingezogen, sind sie zurückgerudert? Vieles deutet darauf hin, dass dem nicht so ist.
Wieder einmal scheinen die Militärs auf Zeit zu spielen. Doch die Zeit läuft ihnen davon.
Im Juli 2019 hatten sich die Generäle und die Opposition auf die Bildung einer Übergangsregierung («Souveräner Rat») geeinigt. In den ersten 21 Monaten sollte diese Regierung von al-Burhan, dem mächtigsten Mann im Sudan, geführt werden – anschliessend, während 18 Monaten, von der Opposition. Nach diesen 39 Monaten sollten freie Wahlen stattfinden. Dann sollte das Militär endgültig abtreten.
Die Militärs verfügen im Land über riesigen Einfluss und bereichern sich schamlos.
Schon damals, 2019, als dieses Abkommen geschlossen wurde, fürchtete man, dass al-Burhan nur auf Zeit spielen könnte. Jetzt war die Zeit gekommen, dass die Armee nach vielen Jahrzehnten die Macht abgeben muss – und jetzt putschte sie.
Die Militärs verfügen im Land über riesigen Einfluss. Sie bereichern sich schamlos, indem sie weite Teile der Wirtschaft dominieren. Diese Pfründe wollen sie sich nicht entgehen lassen. Zudem fürchten sie, dass sie – wenn sie die Macht verlieren – wegen Kriegsverbrechen angeklagt werden könnten.
Tatsache ist, dass das Militär nach dem Abkommen von diesem Sonntag weiter an der Macht bleibt, obwohl ihm das gemäss dem Abkommen von 2019 verwehrt wäre. Hamdok werde ein «unabhängiges technokratischen Kabinett leiten», sagte al-Burhan. Dieses jedoch werde «weiterhin unter militärischer Aufsicht stehen».
Die Demokratie-Bewegung vertröstet man wieder einmal auf später. Und Hamdok, jetzt eine Geisel der Militärs, spielt das Spiel mit.
Es gab nach dem Abkommen von 2019 keinen Grund, dass das Militär jetzt weiter an der Macht ist. Die Übergangsregierung hat recht gut gearbeitet und begonnen, demokratische Strukturen aufzubauen.
Die zivile Opposition («Forces of Freedom and Chance», FFC), die jetzt an der Macht sein sollte, ist wütend. Sie werde keine erneute Vereinbarung mit den Militärs anerkennen, erklärt sie. Die Putschisten hätten «keine Legitimation». Auch am Sonntag gingen wieder Zehntausende auf die Strasse. Hamdok wird als «Feigling» und «Verräter» tituliert.
Die Militärs spielen mit schönen Versprechen auf Zeit, streuen der Demokratie-Bewewgung Sand in die Augen – geben aber die Macht nicht ab.
Es ist das alte Muster. Vor zwei Jahren, nach dem Sturz des Langzeitdiktators Umar al-Baschir, wurde das Land von schwersten Unruhen erschüttert. Die Manifestanten forderten endlich Demokratie: einen «sudanesischen Frühling». Dieser wurde von den Militärs niedergeknüppelt und niedergeschossen. Plötzlich sahen sich die Militärs einem riesigen Volksaufstand gegenüber: Und sie machten einen Rückzieher, spielten mit schönen Versprechen auf Zeit, streuten der Demokratie-Bewegung Sand in die Augen – gaben aber die Macht nicht ab.
Jetzt geschieht das Gleiche. Die Demonstrationen sind heftiger als erwartet – ebenso die Kritik und der Druck aus dem Ausland. Die Armee schiesst wieder in die Menge, schon sind mindestens 15 Menschen gestorben.
Also muss das Militär Zeit gewinnen und die Menschen beruhigen. Man setzt den gestürzten Ministerpräsidenten wieder ein, auch wenn er keinen Einfluss hat; man lässt einige Gefangene frei – und: man bleibt an der Macht. Lässt sich die Bevölkerung erneut an der Nase herumführen?