Klangvolle Namen wie Jordi Savall oder William Christie bis hin zu Sir Eliott Gardiner oder Mariss Jansons findet man im Programm, aber auch den Akademiechor der Hochschule Luzern unter der Leitung von Ulrike Grosch und als Solist Johannes Strobl an der Orgel. Für beide ist es etwas Besonderes, im Rahmen des Lucerne Festivals aufzutreten. Für Strobl sogar eine Premiere.
Treffpunkt ist der Musikpavillon der Hochschule Luzern, der eigentlich kein Pavillon ist, sondern ein normales, älteres Haus. Musik hingegen klingt schon nach aussen und im Innern hört man hier jemanden singen und dort ein Instrument beim Üben. Musik reihum, obwohl gerade Mittagspause ist. Dazu ein neues Geräusch: die Kaffeemaschine. Sie produziert allerdings nur Dampf, die Tassen bleiben leer… Macht nichts. Ulrike Grosch und Johannes Strobl sind hellwach und ganz angetan von ihrem Programm, das sie in der Franziskanerkirche aufführen werden. Die Kombination ist alles andere gängig: Gespielt wird die Messe von Igor Strawinsky, dazu die Passacaille für Orgel von Frank Martin, eingerahmt durch die Psalmen Davids, vertont von Heinrich Schütz. Also, ganz alte mit ziemlich neuer Musik kombiniert.
Vom Frühbarock bis heute
«Ausgangspunkt war der Wunsch, die Strawinsky-Messe aufzuführen», sagt die Dirigentin Ulrike Grosch. Auch ein paar praktische Überlegungen kamen hinzu. «Wir sind ja keine Schola Cantorum hier an der Hochschule, sind also nicht auf alte Musik spezialisiert. Mit diesem Chor also den frühbarocken Heinrich Schütz aufzuführen, kommt einem nicht als erstes in den Sinn». Strawinsky hingegen schon. «Dann habe ich überlegt, was zu Strawinsky passt und bin dann doch bei den Psalmen von Heinrich Schütz gelandet. Es ist mir ein Anliegen, unterschiedliche Musik einander gegenüberzustellen und sie in einem neuen Kontext zu zeigen». Die Strawinsky-Messe könne allerdings zunächst ein bisschen karg und schwierig erscheinen, wenn man sie das erste Mal hört, meint Ulrike Grosch. «Wenn man sich aber intensiv damit beschäftigt», sagt sie, «entdeckt man, wie schön die Klänge sind und wie stark die Einflüsse alter Musik aus der Zeit der Renaissance und des Barock sich auf Strawinsky auswirken». Somit ist die Gegenüberstellung von Strawinsky und Schütz äusserst spannend, denn mit Schütz beginnt die Barockmusik in Deutschland. Gelernt hat er seine neuen musikalischen Fertigkeiten übrigens vor vierhundert Jahren in Venedig bei Giovanni Gabrieli, dessen neueste Trends Schütz damals nach Deutschland zurückbrachte. Diese neuen Klänge hat er mit seiner lutherischen Religiosität und den Psalmen Davids verbunden. Für Ulrike Grosch ist es reizvoll, beide Komponisten zusammen aufzuführen.
Dritter im Bunde ist der Schweizer Komponist Frank Martin, der sich auch stark mit geistlicher Musik befasst hat. «Die Passacaille aus dem Jahre 1944 ist das einzige Stück, das Martin für die Orgel geschrieben hat», sagt Johannes Strobl. «Es nimmt also eine Sonderstellung ein. Vor allem aber wollte ich eine Komposition haben, die sozusagen eine ähnliche Sprache spricht wie Strawinskys Messe. Ausserdem hat Frank Martins Passacaille eine ganz klare Form mit einem starken Bezug zur Barockmusik. Ich denke, dass der frühe Barock von Schütz und die Musik-Sprache des 20.Jahrhunderts sehr reizvolle Gegenpunkte bilden». Zumal Johannes Strobl diese Stücke nun auf der Orgel der Franziskanerkirche spielt, einem Instrument also, das noch viele barocke Teile hat.
Psalmen, ganz aktuell
Ulrike Grosch stammt aus Deutschland, ist aber inzwischen mit Luzern verwachsen. Sie ist Dozentin an der Luzerner Musikhochschule und Dirigentin verschiedener Chöre. Johannes Strobl kommt aus Österreich und lehrt ebenfalls an der Luzerner Musikhochschule. Hauptsächlich aber ist er Kirchenmusiker und verantwortlich für die historische Orgelanlage des Klosters Muri im Aargau. Natürlich hat er es in erster Linie mit frommer Musik zu tun. Aber nicht nur. «Seit 700 Jahren gibt es die Orgel, und da sie meist in Kirchen steht, ist der liturgische Bezug gross», sagt Strobl. «Aber es gibt ein riesiges Repertoire für die Orgel und vieles hat mit Religion gar nichts zu tun».
Die Kombination von alter und neuer Musik, das finden beide, kommt auch beim Publikum gut an. «Natürlich zieht ein Bach-Choral auf der Orgel mehr Leute an als etwas Zeitgenössisches. Aber wenn man Barockes mit etwas Neuem kombiniert, kann man vielleicht auch die Hemmschwelle des Publikums gegenüber Neuem und Unbekanntem senken», sagt Strobl. Und Ulrike Grosch fügt bei: «Wichtig ist vor allem, sich überhaupt darauf einzulassen. Und mir als Chorleiterin ist auch der Text sehr wichtig. Heinrich Schütz zum Beispiel hatte ein ungeheures Gespür dafür, wie er mit dem Wort umgehen muss. Ich finde, er hat in den musikalischen Schattierungen sehr viel Tiefe. Und bei Psalmen, wie den ‘Wassern zu Babel’, ist der Text hochaktuell. Es geht um Vertreibung und die Verletzung, die das mit sich bringt. Es geht darum, dass man plötzlich in der Lage ist, brutal und gewalttätig zu sein, ohne eine Spur von Mitmenschlichkeit zu haben… das ist doch so etwas von aktuell…!» Schütz hat das auch musikalisch interpretiert. «Ich glaube, damit erreicht man auch die Menschen, denn es ist nicht einfach nur schöne Musik», sagt Ulrike Grosch.
Und Johannes Strobl doppelt nach: «Diese Musik soll anregen, man soll sich Gedanken machen, das ist es, was wir gern mitgeben möchten». Ja, und der prächtige Rahmen der wunderschönen Franziskanerkirche ist bestimmt geeignet, beim Publikum Augen, Ohren und Seele zu öffnen.
Lucerne Festival zu Ostern
12.-20. März 2016
Montag, 14. März
Chorkonzert
Heinrich Schütz, Frank Martin, Igor Strawinsky
19.30 Uhr Franziskanerkirche Luzern