Das „Projet de Production Propre Tunisien“ (PPPT) hat zum Ziel das grüne Knowhow durch die Ausbildung von Umweltberatern am CITET (Centre International des Technologies de l’Environnement de Tunis) zu stärken. Sie beraten neben zahlreichen Industriebetrieben auch Hotels um sie umweltfreundlicher zu machen und sie für die Zertifizierung eines Ökolabel vorzubereiten. Das zweite Projekt wird im Mai 2014 lanciert und hat zum Ziel nachhaltigen Tourismus zu fördern und eine Organisationsstruktur (ODM) für Destination Management rund um das Berber-Kulturerbe im Süden von Tunesien auf zu bauen. Beide Projekte werden vom Staatssekretariat für Wirtschaft SECO finanziell unterstützt.
Beispiel für die Strukturkrise
Das Hotel Menara im Badeort Hammamet ist eines von zehn Projekten im Hotelsektor, welche von der Umwelt-Beratung des CITET profitieren. Wir besuchen das Hotel am Ende der Saison 2013. Es war ein schwieriges Jahr, sagt Hoteldirektorin Narjess Bouasker. “Vor der Revolution hatten wir sieben Monate lang ein mehr oder weniger volles Haus. Aber dieses Jahr war der Mai eine Katastrophe, im Juli kamen die Europäer nicht wegen des Ramadans und seit September spüren wir schon das Saisonende.” Das Hotel Menara in Hammamet ist ein mittelgrosses Familienhotel mit 133 Zimmern, das mit viel Herzblut von Vater und Tochter Bouasker geführt wird. Es hat einen grossen Pool und einen eigenen Strandabschnitt.
Die Familie Bouasker hat schon einiges selber auf den Weg gebracht um umweltfreundlicher zu wirtschaften. Solarpanels für die Warmwasseraufbereitung des gesamten Betriebs sind auf dem Dach installiert. Im Heizraum stehen zwei 400 Liter Wasserspeicher. Das Hotel ist damit aber eher die Ausnahme als die Regel. Vater Mabrouk Bouasker hat früher in einer staatlichen Energiefirma gearbeitet und kennt sich deshalb in diesem Sektor aus. Trotz dieses Engagements kann hier noch einiges verbessert werden, versichert die Umwelt-Beraterin von CITET, Kaouther Abdelmalek. Sie analysiert zusammen mit zwei internationalen Beratern den Wasser- und Energieverbrauch und die Abfallbewirtschaftung des Hotels. Narjess Bouasker wäre offen, mit den Hotelabfällen eine Biogasanlage zu betreiben, benötigt dafür aber mehrere Partner. Nach der Diagnose der CITET-Beraterin wird ein Plan zur Umsetzung der Massnahmen erstellt.
Bis zu 60 Betriebe aus der Industrie und der Hotellerie werden bis Ende 2014 von solchen CITET-Expertisen profitiert haben, sagt der leitende technische Berater des Projekts PPT Alban Bitz. 20 Projekte sind bereits abgeschlossen, 22 weitere sind mitten in der Umsetzungsphase. Entscheidend sei das Engagement der Unternehmen, ist Alban Bitz nach drei Jahren Erfahrung überzeugt. Das sei in Familienbetrieben wie dem Hotel Menara sehr gut spürbar, in Grossbetrieben manchmal etwas weniger. Ursprünglich war das Projekt PPT auf die Beratung im Umweltbereich und mehr auf Industriebetriebe fokussiert. Mit der Ausweitung auf die Tourismusbranche kamen weitere Aufgaben aus dem Corporate Social Responsibility (CSR) wie die Angestelltenbedingungen und weitere Human Resources Fragen dazu.
Partnerschaft mit Kuoni
Darum arbeitet Alban Bitz mit der Reiseagentur Kuoni zusammen, die ihre tunesischen Hotel-Partner ermuntert hat sich am Projekt PPT zu beteiligen. Sibylle Baumgartner, CSR-Projektleiterin Kuoni stellt dafür eine grosse Offenheit fest. Die tunesischen Hoteliers hätten erkannt, dass sich die Tourismuswelt in Bewegung befindet. Vier tunesische Hotels haben bereits das von Kuoni mitgetragene internationale Ökolabel „Travelife“ erhalten, drei auf der Ferieninsel Djerba und eines in Sousse. Nachhaltigkeit könne man mit Qualitätsverbesserungen sehr gut verknüpfen, meint Sibylle Baumgartner. „Steigt die Mitarbeiterzufriedenheit, merkt der Kunde das sofort und das wiederum wirkt sich aufs Kundenfeedback aus.“
Sibylle Baumgartner sieht in Tunesien in ein paar Human Resources Punkten noch Nachholbedarf. Es sei aber vieles einfacher als in anderen Ländern. Es gebe eine bessere gesetzliche Grundlage zum Beispiel punkto Mindestlöhne. Die Mitarbeitenden seien gewerkschaftlich gut organisiert und hätten eine relativ starke Verhandlungsposition. Aber wegen der Krise brauche es mehr Mut langfristige Investitionsentscheide zu fällen. Da helfe die CITET-Beratung mit, die richtigen Entscheide zu treffen.
Tiefstlöhne sind wenig motivierend
Hoteldirektorin Narjess Bousaker kann in der gegenwärtigen Krise nur sehr tiefe Löhne knapp über dem gesetzlichen Mindestlohn zahlen. Ungelernte verdienen 330 Dinar im Monat (ca. 180 Schweizer Franken). Ein gelernter Koch erhält 700 Dinar. Die tiefen Löhne sind mit ein Grund dass das Hotel Rekrutierungsprobleme beim Personal hat. Dazu kommt, dass eine HR-Stelle im Hotel fehlt, die den Angestellten auch Perspektiven im Betrieb aufzeigen könnte. Die Saisonalität der Branche ist eine weitere Herausforderung. Saisonverträge dauern in der Regel 6 Monate von April bis Ende Oktober. Einige Leute kann Narjess Bousaker auch noch für die Olivenernte ab Mitte November einsetzen, aber nicht alle. Das Hotel stellt sein eigenes Öl her.
Die dynamische Hoteldirektorin will vieles anpacken. Sie zeigt uns zum Abschluss den kleinen Hotel-eigenen Laden. Dort verkaufen sie ihre Hausmarken an Olivenöl, Konfitüre und eingelegtem Gemüse, sowie Kunsthandwerk aus der Region. Ansätze zum Ökotourismus sind also im Hotel Menara durchaus vorhanden. Damit wirbt Narjess Bouasker allerdings noch nicht bei den Kunden. „Zuerst muss eine Gesamtstrategie her,“ sagt die Direktorin mit Nachdruck. Denn nicht alle ihre Gäste wissen ihr Engagement in diesem Bereich auch wirklich zu schätzen. „Wir müssen auch neue Kundensegmente erreichen,“ sagt Narjess Bouasker.
SECO baut Destination-Management auf
Das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) finanziert ein weiteres Programm, das mithelfen soll den nachhaltigen Tourismus im Süden von Tunesien zu entwickeln. Geplant ist der Aufbau einer Organisationsstruktur (ODM) für Destinations-Management, welche die touristische Infrastruktur und die Hauptakttraktionen einer Region zu konkreten touristischen Angeboten entwickeln kann. Damit sollen die Standorte Médenine, Tataouine und Gabès explizit auch als Ziele für einen nachhaltigen Tourismus positioniert werden. In zwei Phasen werden bis 2017 vom SECO 3.8 Millionen Franken in dieses Tourismus-Entwicklungs-Projekt investiert. Eine Zwischenevaluation über die Erfolgschancen des Projekts ist Ende 2015 geplant. Erst danach wird die zweite Phase umgesetzt.
Inzwischen stehen schon dreissig Akteure aus Tourismussektor, Behörden und Zivilgesellschaft hinter dem Projekt: Vertreter des lokalen Gewerbes, von Reiseagenturen und der Hotellerie, sowie Behörden und zivile Vereinigungen, setzen sich für den nachhaltigen Tourismus ein. Drei Workshops wurden mit den Interessierten durchgeführt um das Knowhow rund um den alternativen Tourismus zu verstärken. Ein noch zu bestimmende Agentur wird ab Mai 2014 beginnen mit einem Team die Destination Management Organisation aufzubauen.
Vernetzung von Anbietern
Die Organisation soll verschiedene lokale Anbieter rund um das identifizierte Produkt „Berber-Kulturerbe“, die Kultur der ursprünglichen Wüstenbewohner des Maghreb, zusammen bringen und das Angebot insgesamt besser kommuniziert werden. Einerseits sollen Touristen so vermehrt von der etablierten Ferieninsel Djerba aus ins Landesinnere reisen. Andererseits werden individuell geführte mehrtätige Reisen zu interessanten Berberstätten, Museen und kulturellen Aktivitäten als Angebot entstehen ebenso wie begleitete Wanderungen. Die Hotels und Restaurants der Region sollen fit gemacht werden um den Ansprüchen der Klientel zu genügen. Die Produktion von traditionellem Berber-Kunsthandwerk würde gefördert und vor dem Verschwinden gerettet, wovon vor allem auch Frauen profitieren sollen. Marokko hat das bereits vorgemacht, für Tunesien sehen Vorstudien ein ähnliches Potenzial.
Bedrohtes Berber-Erbe
Die Berberbevölkerung entwickelte ursprünglich eine spezielle Bauweise um sich vor der enormen Hitze zu schützen. So entstanden ganze Dörfer im Boden oder im Berg. Einige dieser Höhlendörfer drohen heute zu zerfallen. Die Modernisierungswelle unter dem ersten Staatspräsidenten Habib Bourguiba liess ganze Dorfgemeinschaften aus diesen traditionellen Behausungen in neu aufgebaute Siedlungen umsiedeln. Vom nachfolgenden Ben-Ali-Regime wurde zusätzlich die Infrastruktur im Landesinnern und im Süden des Landes vernachlässigt. Das spüren heute alle Regionen in Südtunesien. Dass das Berber-Kulturerbe von Touristen geschätzt werden könnte, daran müssen die Leute im Süden erst glauben lernen.
Durch ein neues nachhaltiges Tourismusangebot entstehen auch hier wieder Arbeitsplätze für die lokale Bevölkerung, zum Beispiel für noch auszubildende Reiseführer, die sich im Berber-Kulturerbe auskennen, für Hersteller von Kunsthandwerk und lokalen Landwirtschaftsprodukten sowie für Anbieter von alternativen Unterkünften. Nimmt die politische Stabilität in Tunesien und in der Region wieder zu, so könnte dieses Projekt langfristig mehr Individualtouristen in die Region bringen.
Schweizer Unterstützung in Tunesien
Die Abteilung Internationale Entwicklungszusammenarbeit (A-IZA) der Schweizerischen Botschaft in Tunesien ist verantwortlich für die Steuerung und Umsetzung des Programms, das dem Land beim demokratischen Wandel Unterstützung bietet. Das Schweizer Engagement setzt auf drei Schlüsselbereiche: Menschenrechte und demokratische Transition, wirtschaftliche Entwicklung und Schaffung von Arbeitsplätzen sowie Migration und Schutz. Mehrere Ämter setzen Projekte in Tunesien um: Bundesamt für Migration BFM, Politische Direktion / Abteilung Menschliche Sicherheit PD/ASM, Staatssekretariat für Wirtschaft SECO, Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit DEZA. Die A-IZA sorgt für die Koordination und Kohärenz des Programms. Der Bundesrat hat im März 2011 beschlossen, die Aktivitäten in Tunesien mittelfristig zu verstärken. Im Jahr 2013 wurden dafür insgesamt rund 22 Millionen Franken eingesetzt, 2012 waren es 16 Millionen, 2011 11 Millionen. Als einziges europäisches Land betreibt die A-IZA Regionalbüros in Médenine und Kasserine in den benachteiligten Teilen des Landes.
Der erste Teil des Beitrags erschien am 12. Februar im Journal21.