Ob es dem jungen Parlaments- und selbsternannten Interimspräsidenten Juan Guaidó gelingen wird, den diktatorisch regierenden Machtinhaber Nicolás Maduro zur Aufgabe zu zwingen oder ob sich dieser mit Hilfe des Militärs hält, ob es gar zum Bürgerkrieg kommt, kann derzeit niemand sagen. Dass es Guaidó schafft, Hunderttausende von Protestierenden auf die Strasse zu bringen und dass er es, mindestens fürs Erste, fertigbringt, die in Venezuela notorisch zerstrittene politische Opposition hinter sich zu vereinen, bleibt bemerkenswert. Maduro hat sein Land wirtschaftlich ruiniert und politisch isoliert. Geschätzte drei Millionen Venezolaner sind in den letzten Jahren ins Ausland geflohen. Ein Machtwechsel ist überfällig.
Was macht er anders, der junge Rebell, als seine Vorgänger, die schon zu Zeiten von Hugo Chávez erfolglos versucht hatten, einen Machtwechsel zu provozieren? Es fällt auf, dass Guaidó ganz anders redet als der amtierende Präsident. Maduro, der seinen bewunderten Ziehvater Chávez in den öffentlichen Auftritten auf meist lächerliche Art zu imitieren pflegt, bedient sich in seinen Reden der von Chávez unübertreffbar formulierten tropischen Rhetorik: dem Volk wird das Blaue vom Himmel versprochen, blumige Übertreibungen und Drohungen lösen sich ab und das Ganze wird in unendlicher Wiederholung rhythmisch in die zuhörende Menge gehämmert.
Ein guter Redner ist Guadió durchaus, sein Enthusiamus wirkt ansteckend. Aber den wirklichkeitsfremden Tropikalismus vermeidet er, hütet sich vor nicht einlösbaren Versprechungen, gibt der Vernunft eine Chance, beruft sich auf Fakten. Das Volk – so sieht es aus –, ermüdet und frustriert von einer wirklichkeitsfremden Suada, die es seit Jahren über sich ergehen lassen musste, hört jetzt auf einen, der sich einer anderen, realitätsverbundenen Rhetorik bedient.