Ein von Frankreich und Spanien im Weltsicherheitsrat eingebrachter Resolutionsentwurf wurde am Samstag durch das Veto Russlands blockiert. Elf der 15 Mitglieder des höchsten Uno-Organs stimmten dem Text zu. China enthielt sich der Stimme. Die Russen präsentierten einen Gegenentwurf, der aber nur vier Stimmen erhielt. Für Moskau ist dieses Ergebnis eine diplomatische Katastrophe, ändert aber nichts an Putins Entschiedenheit.
Nach dem Abbruch der bilateralen Gespräche zwischen den USA und Russland übernahm Frankreich am New Yorker Hauptsitz der Uno die Initiative. Der französische Resolutionsentwurf hatte eine Wiederaufnahme der humanitären Hilfe für die Zivilbevölkerung im belagerten Ostteil der Millionenstadt Aleppo zum Ziel. Seine Hauptpunkte waren ein neuer Waffenstillstand, die Einstellung der massiven Luftangriffe und ein wirksamer Mechanismus zur Überwachung der Waffenruhe.
Bombardierung Aleppos erlaubt
Der ursprüngliche französische Text war vier Seiten lang. Im Laufe der Verhandlungen haben aber andere Mitglieder des Weltsicherheitsrats Änderungsvorschläge eingebracht – die meisten davon Russland, das diesen Monat den Vorsitz des Weltsicherheitsrats führt. Am Ende der erfolglosen Verhandlungen über einen gemeinsamen Text unterbreitete Russland einen eigenen Resolutionsentwurf, der die Fortsetzung der Bombardierungen in Aleppo erlaubt.
Moskau überschritt damit eine Grenze des humanitären Völkerrechts, denn der französische Resolutionsentwurf war von grosser diplomatischer Rücksicht geprägt. Russland wurde darin nicht namentlich genannt, obwohl ein grosser Teil der Bombardierungen von russischen Kampfflugzeugen ausgeführt wird. Das Papier brachte bloss „die Empörung des Weltsicherheitsrats über die unannehmbare Intensivierung der Gewalt und der Bombardierungen in Aleppo“ zum Ausdruck. Im Bemühen um Ausgewogenheit wurde darin auch die Zunahme der Attacken vonseiten der islamistischen Al-Nusra-Front verurteilt, die sich mittlerweile einen anderen Namen zugelegt hat.
Ziel: Eroberung von Ost-Aleppo
Ungeachtet aller diplomatischen Verrenkungen rücken die Chancen für einen echten Friedensprozess in immer weitere Ferne. Die Handlungen des syrischen Regimes und seiner russischen Helfer laufen eindeutig auf die Eroberung des Ostteils Aleppos hinaus, wo nach Angaben der Uno 275'000 Menschen eingeschlossen sind. Baschar Al-Asad und Wladimir Putin werden sich die Aussichten auf einen militärischen Sieg in der zweitgrössten Stadt Syriens kaum durch eine Uno-Resolution verbauen lassen. Asad hat den Widerstandskämpfern eine „Amnestie“ angeboten, wenn sie ihre Waffen niederlegen. Diesem Versprechen trauen aber seine Gegner nicht.
Nun hat der Syrienbeauftragte der Uno, Staffan de Mistura, ein anderes Abzugsmodell ins Spiel gebracht. Auf einer Pressekonferenz am Donnerstag in Genf schlug er vor, die in Aleppo kämpfenden Angehörigen der Al-Nusra-Front „mit ihren Waffen in Würde nach Idlib oder an einen anderen Ort ihrer Wahl gehen zu lassen“. Er erklärte sich bereit, sich persönlich vor Ort zu begeben, um das freie Geleit für die abziehenden Kämpfer zu garantieren. Daraus wird vorläufig nichts.
Unsinn einer militärischen Lösung
De Mistura war an der Sitzung des Weltsicherheitsrats über eine Videoschaltung beteiligt. Er wies mit Zahlenmaterial auf den grauenhaften Unsinn einer „militärischen Lösung“ der komplexen Lage in Aleppo hin. Die Altstadt mit ihren historischen Kulturgütern und fast 300'000 Einwohnern werde wegen rund 8'000 bewaffneten Widerstandskämpfern systematisch zerstört. Von den 8'000 Rebellen seien nach den Erkenntnissen der Uno nur etwa 900 Mitglieder der Al-Nusra-Front. Die übrigen gehören Bewegungen an, die vom Weltsicherheitsrat nicht als terroristische Organisationen eingestuft werden.
Neu in den internationalen Bemühungen, den Syrienkrieg zu beenden, ist die stärkere Rolle der Europäer. Nach dem Misserfolg der Direktgespräche zwischen den USA und Russland schalten sich jetzt Frankreich und Deutschland ein. Der französische Aussenminister Jean-Marc Ayrault warb am Donnerstag in Moskau und am Freitag in Washington für seine Uno-Initiative. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel forderte Putin auf, seinen Einfluss auf das syrische Regime zu nutzen. Verschleiert drohte Merkel verschärfte Sanktionen gegen Russland an. Wie die Fakten belegen, war die Wirkung dieser Überzeugungsversuche null. Ob Verhandlungen bilateral zwischen den USA und Russland oder multilateral im Rahmen der Uno geführt werden – im Syrienkrieg zählt derzeit nur die Logik brutaler Gewalt.