Es gibt fünf offizielle und vier inoffizielle Atomwaffenstaaten. Sanktionen hat der Weltsicherheitsrat aber nur gegen Iran verhängt, dessen Regierung beteuert, dass ihr Nuklearprogramm rein zivilen Zwecken diene. Viele Menschen verstehen diese Doppelmoral nicht.
»Warum dürfen die einen tun, was den anderen untersagt ist?« schreibt Leserin Sarah an Journal 21. »Für wen gibt es in Sachen Besitz von Massenvernichtungswaffen Gütesiegel und für wen nicht?«
Kein "gerechter" Vertrag
Die Antwort auf diese Fragen liegt im Vertrag über die Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen, kurz NPT oder Atomwaffensperrvertrag genannt. Darin einigte sich die überwältigende UNO-Mehrheit 1968 darauf, die Entstehung neuer Atomwaffenstaaten zu verhindern. Als Stichtag wurde der 1. Januar 1967 festgelegt. Wer bis zu diesem Datum einen Atomsprengsatz entwickelt und erprobt hatte, galt als legitimer Besitzer von Atomwaffen. Das waren die fünf Siegermächte des Zweiten Weltkriegs, die gleichzeitig einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat hatten: die USA, die Sowjetunion, Frankreich, Grossbritannien und China.
Der Einigung an der Genfer Abrüstungskonferenz waren lange und schwierige Verhandlungen vorausgegangen. Es war und ist allen klar, dass der NPT kein »gerechter« Vertrag ist, weil er zwei Klassen von Staaten schuf. Es setzte sich aber schliesslich die Erkenntnis durch, dass fünf Atomwaffenstaaten ein kleineres Sicherheitsrisiko sind als zwei Dutzend. Nur wenige Länder weigerten sich, den Atomwaffensperrvertrag zu unterzeichnen. Zu ihnen gehörten Indien, Pakistan, Israel und Nordkorea. Andere Staaten, die dem NPT anfangs die kalte Schulter zeigten, wie Brasilien unter einer Militärdiktatur und Südafrika unter dem Apartheid-Regime, traten dem Abkommen im Laufe der Zeit bei.
Umstrittenes Konzept
Zu Beginn der Abrüstungsgespräche zwischen Washington, Moskau und London, die 1963 zum Verbot aller Atomwaffenversuche in der Atmosphäre führten, ging es den drei ersten Atommächten vorrangig darum, Frankreich und China an der Entwicklung von Atomwaffen zu hindern. Erst als dies misslang, wurden die beiden Nachzügler in den exklusiven Klub aufgenommen. Danach sollte aber die Tür verriegelt werden.
Das Konzept der Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen war in den sechziger Jahren heftig umstritten. Mao Zedong zum Beispiel vertrat den Standpunkt, dass jeder Staat das Recht habe, sich mit den modernsten Mitteln zu verteidigen. Die heutige chinesische Führung sieht das anders. Die Bundesrepublik Deutschland versuchte während der Verhandlungen über den NPT, zumindest innerhalb der Nato einen Finger an den nuklearen Drücker zu bekommen. Sogar in der Schweiz gab es starke Kräfte, die die »Option« einer nuklearen Bewaffnung offen halten wollten.
Die Zweitschlagskapazität
Man kann den NPT trotz seiner Mängel als einen Sieg der Vernunft bezeichnen. Ein weltweiter atomarer Rüstungswettlauf hätte zu einer enormen Geldverschwendung geführt und unseren Planeten in ein Pulverfass verwandelt. Dass mit dem Besitz der Bombe das Verantwortungsgefühl einhergeht, ist eine wacklige These. Gegenseitige Abschreckungskraft haben Atomwaffen nur, wenn ihre Besitzer eine Zweitschlagskapazität haben - das heisst unverwundbare Trägersysteme, die jeden Angriff beantworten können nach dem Motto: Wer zuerst schiesst, stirbt als Zweiter. Aber auch diese Gewissheit schützt nicht vor Wahnsinn.
Derzeit besitzen mehr als 40 Staaten Nuklearanlagen. Etwa 25 davon hätten die technologischen Fähigkeiten, Atomwaffen herzustellen. Wenn die Brandmauer des NPT bricht, droht der ganzen Menschheit eine tödliche Gefahr. Einige Regionen wie Lateinamerika haben durch die Schaffung atomwaffenfreier Zonen eine doppelte Sicherung eingebaut.
Freiwilliger Verzicht auf die A-Bombe
Das Prestige der Atombombe ist verblasst. Eingedenk der militärischen Regel, wonach Feuerkraft Feuer anzieht, haben mehrere Staaten auf bereits existierende Atomwaffen verzichtet. So eliminierte Südafrika noch während der weissen Herrschaft seine in Zusammenarbeit mit Israel gebauten nuklearen Sprengsätze. Die Ukraine, Weissrussland und Kasachstan entledigten sich ihrer von der Sowjetunion geerbten Atomraketen. Brasilien und Argentinien stellten ihre Atomwaffenprogramme ein und traten dem NPT bei. Sogar Nordkorea unterzeichnete 1985 den NPT, kündigte ihn aber 2003 wieder auf.
Israel begann den Bau von Atomwaffen sehr früh mit geheimer Unterstützung linker französischer Regierungen ohne Wissen der USA. De Gaulle stellte diese Kooperation ein. Die offizielle Haltung des jüdischen Staates ist, den Besitz von Atomwaffen weder zu bestätigen noch zu dementieren. Aber der Druck auf Israel wächst, Farbe zu bekennen.
Teherans Provokation
Die Weiterverbreitung von Atomwaffen wirkt wie eine Kettenreaktion. Indien misst sich an China, Pakistan an Indien und so weiter. Wird Iran das nächste Glied dieser Kette? Der Fall Iran ist einmalig, weil die Islamische Republik Mitglied des Atomwaffensperrvertrags ist. Wie alle anderen NPT-Mitglieder hat sie ein verbrieftes Recht auf ungehinderte Nutzung der zivilen Atomenergie. Eine Reihe von Nicht-Atomwaffen-Staaten wie Japan, Deutschland, die Niederlande, Brasilien und Argentinien stellen Kernbrennstoff her. Sie müssen bloss ihre Nuklearanlagen von der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) überwachen lassen, damit kein Spaltmaterial für militärische Zwecke abgezweigt werden kann..
Dass die Iraner zwölf Jahre lang illegal Uran anreicherten, bis 2002 der Schwindel aufflog, hat natürlich eine schwere Vertrauenskrise ausgelöst. Weitere verdächtige nukleare Tätigkeiten des Regimes in Teheran, sein Geheimhaltungsfimmel und die Ergebnislosigkeit der internationalen Verhandlungen haben den Atomstreit jetzt bis zum »Casus Belli« zugespitzt.