Es gibt deutliche Anzeichen dafür, dass Ost-Aleppo das Hauptziel der syrischen Regierungsarmee und der mit ihr verbündeten russischen, iranischen und libanesisch-schiitischen Kräfte geworden ist.
Stockende Offensive
Zwar gibt es auch andere Fronten und dortige Offensiven sowie Gegenangriffe von Seiten der Rebellen, an denen die gleichen Kräfte auf der Regierungsseite beteiligt sind. So etwa der Vorstoss der Asad Armee mit russischer Luftunterstützung Richtung Tabqa, dem vom IS gehaltenen Militärflughafen am Euphrat gleich hinter dem Staudamm des "Asad"-Stausees und etwas nördlich von Raqqa.
Doch diese Offensive, die schon vor Wochen gemeldet wurde, kommt offenbar nicht voran. Sie wird nicht mit Nachdruck geführt. Wahrscheinlich hat man sie als eine Finte zu betrachten, dazu angelegt zu zeigen, dass es Asad und den Russen auch darum geht, den IS zu bekämpfen oder ihn mindestens in Atem zu halten, so dass er seinerseits nicht die Offensive ergreift.
Schritte zur Blockade Ost-Aleppos
Aleppo hingegen wird schrittweise und systematisch eingekreist. Aus dem Ostteil der Stadt, der von den Widerstandskräften vieler Gruppierungen gehalten wird, gibt es noch eine Strasse, die über von Rebellen gehaltenes Gebiet an die türkische Grenze führt: Castello Road. Sie wurde am vergangenen Wochenende von den Russen intensiv bombardiert, während die syrische Luftwaffe Bomben und Fassbomben über dem Rest der Oststadt abwarf.
Die Oststadt gilt als zu 40 Prozent zerstört. Luftbilder von ihr zeigen leere Strassen, die Ruinenfelder durchziehen. Es heisst, 30´000 Zivilisten befänden sich noch in der Stadt. Einst dürfte die Osthälfte Aleppos über zwei Millionen Bewohner gezählt haben.
Nasrullah über Aleppo
In Beirut machte der Anführer von Hizbullah, Scheich Hassan Nasrallah, klar, dass Aleppo das Hauptziel der neuen Offensive sein werde, und er versprach weitere Kräfte seiner Miliz für diesen "Hauptkampf" zur Verfügung zu stellen. Er erklärte: "Wir haben es mit einer neuen Welle oder Phase der militärischen Operationen in Syrien zu tun. Sie wird im Norden Syriens stattfinden, genauer gesagt um Umfeld von Aleppo... Beim Kampf zur Verteidigung von Aleppo geht es um die Verteidigung des übrigen Syriens, sowie von Damaskus und damit auch um die Verteidigung Libanons, des Iraks und Jordaniens."
Vor einer Belagerung?
Baschir al-Asad äusserte sich im gleichen Sinn, nachdem er den Besuch des russischen Verteidigungsministers, Sergey Shoygu, in Damaskus empfangen hatte. Zu erwarten steht ein zähes Ringen um den Ostteil Aleppos, ähnlich wie es in den aufständischen Vororten von Damaskus vor sich gegangen war, mit dem Aushungern der verbliebenen Bevölkerungsteile als einer der wichtigsten Waffen.
Dieses Ringen kann immer von Reden über Waffenruhe und Stillhalteabkommen begleitet sein. Es dient dazu, die wahren Absichten und die angewandten brutalen Methoden, um sie zu bemänteln, gewissermassen als Vorsichtsmassnahme, um von der Unmenschlichkeit dieser Methoden abzulenken und um die Amerikaner daran zu hindern, ihrerseits nicht nur zu drohen, sondern auch tatsächlich aktiver einzugreifen.
Priorität für das "nützliche Syrien"
Aleppo ist ein strategisches Ziel für Baschar al-Asad, wenn es darum geht, seine Herrschaft über das "nützliche Syrien", das heisst die fruchtbareren Teile des Landes, die bisher auch am dichteten besiedelt waren, zu festigen und den Widerstand dort zu brechen.
Der IS ist für Asad ein sekundäres Ziel. Wenn er des Widerstandes Herr wird, kann er auf die Russen, die Amerikaner und die Iraner sowie seine Nachbarn im Irak und in Jordanien zählen. Vielleicht sogar auch auf saudische Hilfe. Sie werden ihn alle dabei unterstützen, den IS loszuwerden, weil er sie ja alle bedroht.