«Unmittelbar nach der Trennung ist rund die Hälfte (47%) aller Mütter in einer wirtschaftlich prekären Situation», schreibt das Bundesamt für Sozialversicherungen BSV in dessen neustem Forschungsbericht über die wirtschaftliche Situation von Familien in der Schweiz und die Auswirkungen von Geburten, Trennungen und Scheidungen.
Unabhängig vom Haushaltstyp beeinflussen soziodemographische Faktoren wie beispielsweise das Bildungsniveau, die Nationalität und das Alter die finanzielle Situation von Schweizer Familien. Auch der Wohnort der Familien sei ausschlaggebend: «In der Deutschschweiz sowie in Agglomerationsgemeinden bestehen geringere Risiken für eine finanziell prekäre Situation als in der lateinischen Schweiz respektive in städtischen oder ländlichen Gemeinden.» Bei familienspezifischen Faktoren zeigt die Studie, dass Familienhaushalte (Eltern mit Kindern) öfters finanzielle Probleme haben als Nichtfamilienhaushalte, also Paare oder Einzelpersonen ohne Kinder. Dies deshalb, weil viele Eltern für die Kinderbetreuung ihre Erwerbstätigkeit reduzieren müssen.
Die finanziellen Umstände in Familien ändern sich oft drastisch nach der Geburt eines Kindes. Meistens reduziert die Mutter ihre Erwerbszeit, um Haushalts- und Betreuungsaufgaben zu übernehmen: «Insgesamt führt dies zu vergleichsweise tieferen Haushaltseinkommen und verschlechtert die wirtschaftliche Situation dieser Haushalte», schreibt das BSV weiter. 76% der Mütter mit einer Erstgeburt im Jahre 2013 verdienten im Jahr nach der Geburt mehr als ein Viertel weniger als vor der Geburt (bei den Männern verdienten nur 6% im Folgejahr weniger). Das Einkommen der Frau sinkt, weil sie ihr Pensum reduziert oder ihre Stelle wechselt. Rund ein Viertel der Mütter geben die Erwerbsarbeit nach der Geburt des Kindes ganz auf, was die beruflichen Wiedereinstiegs- und Aufstiegschancen einschränkt. Wichtig anzumerken ist, dass der Rückgang des Erwerbseinkommen nicht in allen Gruppen gleich hoch ist: Bei Müttern in der lateinischen Schweiz, die einen Hochschulabschluss oder eine ausländische Staatsangehörigkeit besitzen, fällt er geringer aus.
Der Bericht des BSV zeigt, dass der finanzielle Einschnitt eines Kindes besonders hoch ist, wenn Eltern sich trennen oder scheiden lassen. Rund ein Drittel aller Paare mit gemeinsamen Kindern unter 25 Jahren trennen sich und lösen ihren Haushalt auf. 32% aller Einelternhaushalte mit Kindern unter 25 Jahren verfügen über geringe oder sehr geringe finanzielle Mittel und sind deshalb auf Sozialhilfe angewiesen. Das BSV führt aus: «Grundsätzlich verschlechtert sich die finanzielle Situation nach einer Trennung, da zwei Haushalte finanziert werden müssen […]. Ist die Mutter die hauptbetreuende Person, was grossmehrheitlich der Fall ist, sind die Veränderungen der finanziellen Verhältnisse nach einer Trennung massiv. Unmittelbar nach der Trennung ist rund die Hälfte (47%) aller Mütter in einer wirtschaftlich prekären Situation. […] Ein Jahr nach der Geburt des ersten Kindes befinden sich deutlich mehr Haushalte in einer Situation mit (sehr) geringen Mitteln als zuvor (9% vs. 5%). Grund dafür sind einerseits die finanzielle Mehrbelastung durch das Kind, welche in die Berechnung des Äquivalenzeinkommens eingeht, und die Reduktion des Erwerbseinkommens des betreuenden Elternteils, meist der Mutter. […] 1 bis 2 Jahre nach der Trennung erholt sich die Situation ein stückweit, zum einen, da das mittlere Erwerbseinkommen steigt, und zum anderen, weil oft Unterhaltszahlungen zu fliessen begonnen haben. Bei den Vätern bleibt das Risiko einer finanziell prekären Situation unmittelbar nach der Trennung unverändert.»
Das Armutsrisiko ist bei alleinerziehenden Müttern somit höher als bei Vätern, weil die meisten Kinder (80%) den rechtlichen Wohnsitz bei der Mutter haben, welche möglicherweise zum Zeitpunkt der Trennung nur niedrigprozentig angestellt ist oder gar nicht und somit kaum für die Kinder aufkommen kann. Trotz der Unterhaltszahlungen verfügen geschiedene Mütter beispielsweise über weniger finanzielle Mittel als geschiedene Väter und verheiratete Paare. «Das Risiko der Mütter ist insbesondere erhöht, wenn diese nicht verheiratet waren (fehlende Absicherung). Es spielt zudem eine wichtige Rolle, ob die Kinder beim Vater angemeldet sind und ob man mit neuem Partner oder neuer Partnerin im Haushalt lebt. Beides reduziert das Risiko einer prekären Situation deutlich», ergänzt das BSV.
Obwohl Mütter nach Trennungen meistens ihr Erwerbseinkommen erhöhen und mehr arbeiten, verbleiben sie häufiger mit tieferen finanziellen Mitteln, was vom BSV auf die ungleiche Aufteilung der Betreuungs- und Erwerbsarbeit vor der Trennung zurückgeführt wird. Das Alter der Kinder beeinflusst die finanzielle Lage der alleinerziehenden Mütter. Grundsätzlich ist die Situation schlimmer, je jünger die Kinder sind: «Je jünger die Kinder, je jünger die Mutter und je mehr Kinder, desto häufiger verfügen die Familien nur über (sehr) geringe finanzielle Mittel. Das Alter der Kinder wirkt sich bei Einelternhaushalten auf Grund des höheren Betreuungsbedarfs jüngerer Kinder besonders stark aus.» Mit dem Älterwerden der Kinder verbessert sich die wirtschaftliche Situation zwar, der Rückstand wird jedoch im weiteren Lebensverlauf kaum mehr kompensiert. Bis 15 Jahre nach der Geburt des ersten Kindes besteht ein erhöhtes Risiko, als Frau mit reduzierter Erwerbstätigkeit nur über (sehr) geringe Mittel zu verfügen.
Der Forschungsbericht des BSV verdeutlicht, dass die soziale Sicherheit in der Schweiz stark von der Erwerbsarbeit abhängt. Wer mehr verdient, ist besser abgesichert. Weil viele Paare nicht mehr heiraten, wächst das individuelle Interesse an einem hohen Einkommen stetig an. Auch gesellschaftlich bedarf es mehr Fachkräften und so lohnt es sich heute eher, als Frau weiterzuarbeiten und die Stellenprozente möglichst wenig zu senken, um kurz- und langfristig finanzielle Herausforderungen zu vermeiden. Die Studie schliesst, dass es für alleinstehende Mütter rentabler ist, institutionelle/professionelle Kinderbetreuung zu beziehen und dafür weiterzuarbeiten, anstatt die Betreuungsarbeit selbst zu übernehmen. So schreibt das BSV: «Ein Vergleich mit dem Einkommen vor der Geburt zeigt, dass Mütter aller Einkommensklassen das Einkommen deutlich weniger stark reduzieren, wenn institutionelle Kinderbetreuung genutzt wird. Besserverdienende nutzen institutionelle Kinderbetreuung zwar häufiger, aber auch Mütter in tieferen Einkommensklassen erzielen mehr Einkommen, wenn sie Kinderbetreuung in Anspruch nehmen.»
Die regionalen Unterschiede bezüglich der Erwerbsreduktion der Mütter weisen darauf hin, dass institutionelle Möglichkeiten zur Vereinbarung von Beruf und Familie eine grosse Rolle spielen. Existieren bessere Betreuungsmöglichkeiten, verdienen Mütter mehr, was wiederum zu einer besseren wirtschaftlichen Situation der Familie führt. Aufgrund dieser Erkenntnisse plädiert die Studie für ein bedarfsgerechtes und bezahlbares Angebot an institutioneller Kinderbetreuung, welches den Verbleib beider Elternteile in der Erwerbsarbeit fördert. Ausserdem müssen steuerrechtliche Änderungen vollzogen werden, um negative steuerliche Erwerbsanreize zu beseitigen. «Dies wiederum könnte dazu beitragen, dass sich die gesellschaftliche Wahrnehmung mütterlicher und väterlicher Erwerbstätigkeit sowie die Aufteilung der unbezahlten Care- und Betreuungsarbeit» angleicht, so die vielversprechenden Worte des BSV.