In diesen Tagen, in denen zwischen Israel und dem Gazastreifen einmal mehr ein offener Krieg mit Raketen-und Bombenangriffen, Zerstörungen und vielen Toten tobt, sind in der öffentlichen Debatte Begriffe wie Antisemitismus und Islamophobie besonders häufig präsent.
Doch bei allem Erschrecken über die primitiven Hasstiraden, die von politischen Randgruppen etwa in Berlin oder Paris im Zusammenhang mit diesem Krieg gegen Juden oder Israel skandiert werden, muss man feststellen, dass die Etikettierung solcher Ausfälle als „antisemtisch“ unscharf, widersprüchlich und deshalb sprachlich unbefriedigend ist.
„Antisemitisch“ ist ein historischer Begriff und geht zurück auf die im 18. Jahrhundert geprägte Identifizierung einer semitischen Sprachfamilie. Die Bezeichnung Semiten für Mitglieder dieser Sprachgruppe wiederum bezieht sich auf den biblischen Namen Sem, den ältesten Sohn Noahs. Zu dieser semitischen Sprachfamilie gehört aber keineswegs nur das Hebräische, sondern auch das Arabische, die Sprache der Äthiopier, der Eritreer und einer Reihe anderer Völker im nahöstlichen und nordostafrikanischen Raum an. Deshalb ist es irritierend und widersprüchlich, wenn man arabischen Judenfeinden Antisemitismus vorwirft.
Sprachlich logischer sind für judenfeindliche Haltungen Adjektive wie „antijüdisch“, „anti-zionistisch“ oder „anti-israelisch“. Doch auch dabei muss genauer unterschieden werden. Antizionisten gibt es auch unter den Juden innerhalb und ausserhalb Israels. Es sind jene ultraorthodoxen Gruppen, die den jüdischen Staat grundsätzlich ablehnen, weil ein solcher nach Ihrer Auffassung erst mit der Ankunft des Messias geschaffen werden darf. „Anti-israelisch“ sollte deshalb auch nicht pauschal mit „anti-jüdisch“ gleichgesetzt werden.
Man sieht, die Sache ist bei näherer Betrachtung kompliziert. Wer sich um sprachliche Klarheit bemüht, sollte sich zumindest bewusst sein, dass das Schlagwort „antisemitisch“ eine ethnographisch und politisch verschwommene Bedeutung hat. Es wäre für die Debatte nützlich, den pauschalisierenden Begriff durch sachlich gezieltere Bezeichnungen zu ersetzen oder doch inhaltlich zu präzisieren.
Ähnlich problematisch oder schlicht irreführend ist die Verwendung der Begriffe Islamophobie oder Islamfeindlichkeit bei der Auseinandersetzung mit politischen Tendenzen in der muslimischen Welt. Es ist nicht akzeptabel, wenn jede Art von Kritik an bestimmten Erscheinungen im heutigen Islam von gewissen Apologeten dieser Glaubensgemeinschaft pauschal als „Islamophobie“ angeprangert wird. Immerhin unterscheidet man inzwischen im deutschen Sprachgebrauch allgemein zwischen „islamisch“ und „islamistisch“. Das ist hilfreich, um eine Differenzierung zwischen radikal-terroristischen Strömungen wie etwa al-Kaida und ISIS und nicht-militanten Gläubigen in der vielschichtigen muslimischen Welt zum Ausdruck zu bringen.
Dass sich mit solchen Differenzierungen noch längst nicht alle Kontroversen im sprachlich-emotionalen Minenfeld von „Antisemitismus“ und „Islamophobie“ vermeiden lassen, versteht sich.