Was musste sie sich in jüngster Zeit alles anhören: „Ausgebrannt“, „endlich Zeit zum Gehen“, „überfällig“, „Ende des Regnums“, „schwaches Finale“. Oder ganz böse: „Endspiel für die Mutti aus der Uckermark“. Seit 15 Jahren ist sie Bundeskanzlerin: die ewige Kanzlerin.
Ermüdungserscheinungen waren unübersehbar. Im nächsten Jahr will sie zurücktreten.
Und wenn sie nicht zurückträte? Wenn sie zum fünften Mal kandidieren würde? Viele schreien bei dieser Frage auf.
Eine fünfte Kandidatur ist zwar unwahrscheinlich, doch da und dort wird die Frage trotzdem gestellt, meist hinter vorgehaltener Hand. Sogar der Spiegel stellte sie am letzten Samstag dem bayerischen Landesfürsten Markus Söder. (Dieser sagt noch immer, er wolle nicht Kanzler werden.)
Merkel ist beliebt. Man sagt, in Zeiten der Krise würden die Beliebtheitswerte der regierenden Spitzenpolitiker steigen. Doch Merkel war schon vor Corona geachtet und geschätzt. Im Mai letzten Jahres schrieb der Spiegel: „Merkel hat ein Allzeithoch erreicht“. Im Beliebtheitsranking der Politiker nimmt sie regelmässig Platz zwei oder drei ein. Und sie bietet Trump Paroli. Das ist schon mal gut.
Und jetzt die Krise: 65 Prozent der Deutschen finden ihr Krisenmanagement gut. Schon schrieb die FAZ am Samstag: „Wer Krise kann, kann auch Kanzler“. In Zeiten von Corona hat sie Führungsstärke, Besonnenheit und sogar Emotionen gezeigt. Ganz im Gegensatz zu den Papabili, die ihr im nächsten Jahr nachfolgen möchten. Von Führungsstärke ist da wenig zu spüren. Der lasche Armin Laschet, der hyperaktive Selbstdarsteller Friedrich Merz oder Norbert Röttgen, der von Merkel vom Platz gejagt wurde – sie alle können ihr das Wasser nicht reichen. Einige von ihnen haben sich „nicht gerade mit Ruhm bekleckert“, schreibt die Süddeutsche Zeitung. Sie streiten sich wie kleine Buben im Sandhaufen. Merkel schaut grosszügig zu, lässt sie spielen – und sagt dann, wo es langgeht. Und in der Zwischenzeit steigen ihre Beliebtheitswerte, und sogar ihre Partei, die CDU, legt wieder stark zu.
Natürlich wäre eine Blutauffrischung nach 15 oder 16 Jahren dringend nötig. Und natürlich wäre es ein Armutszeugnis für die wichtigste europäische Wirtschaftsnation, wenn es nach einer gefühlten Ewigkeit keine überzeugende Alternative zur „ewigen Kanzlerin“ gäbe. Aber eben: Die Krisen-gestählte Merkel funktioniert und wächst einmal mehr über sich hinaus. Heribert Prantl von der Süddeutschen Zeitung schrieb schon im letzten Mai: „Die Kanzlerin regiert so, wie der VW-Käfer gefahren ist. Sie funktioniert bis zum letzten Meter“. Doch wann ist der letzte Meter? Wie lautete der Werbespruch damals: „Der VW-Käfer läuft und läuft und läuft“. Es soll Studien geben, die zeigen, dass der alte Käfer 50 Jahre lang fahren kann – ohne Reparatur ...