Dass das Abkommen jetzt "bestätigt" wird , hat mit der Propaganda-Schlacht zu tun, die zur Zeit zwischen Iran und den USA stattfindet. Dabei geht es um die Frage: Wer beherrscht den Persischen Golf und vor allem: Wer beherrscht die Meerenge von Hormuz? Sind es die Iraner oder die Amerikaner? Wie glaubwürdig sind ihre Herrschaftsansprüche?
Flaschenhals für das nahöstliche Erdöl
Die Meerenge ist der Flaschenhals, den die Tanker passieren müssen. 17 Prozent des Erdöls, das auf den Weltmarkt gelangt, durchqueren diese Meerenge. Diese 17 % umfassen auch 50 % der Erdölversorgung Chinas. Schon wenn davon nur die Rede ist, dass eine Seemacht diese Meerenge sperren könnte und wenn diese Rede glaubwürdig erscheint, steigt der Erdölpreis auf dem Weltmarkt.
Drohungen und Gegendrohungen
Eine typische Eskalation von Drohungen, Gegendrohungen und Erpressungsmanövern findet gegenwärtig statt. Die USA versuchen, Iran unter wirtschaftlichen Druck zu setzen, um eine Einstellung des iranischen Atomprogramms zu bewirken, von dem sie vermuten, dass es zu einer Atombombe führen könnte. Sollte das Programm aber weitergeführt werden, so verlangen die Amerikaner wenigstens peinlich genaue Kontrollen durch die Atomenergie-Agentur – Kontrollen, die über das übliche Mass hinausgehen.
Boykottmassnahmen Washingtons
Da Washington bisher keine internationale Übereinkunft erreichen konnte, die einen Sicherheitsratsbeschluss für weltweite Boykottmassnahmen gegen Teheran zulassen würde (Russland und China stellen sich dagegen), versucht Amerika eigene Boykottmassnahmen durchzuführen und möglichst viele seiner Verbündeten zu ermuntern, sich ihnen anzuschliessen.
Die Ermunterung geht bis zu Drohungen. Wer mit Iran Geschäfte mache, müsse seinerseits mit einem Boykott vonseiten Amerikas rechnen. Ein entsprechendes Gesetzt hat der Kongress beschlossen. Präsident Obama erklärte sich bereit, es zu unterschreiben. Dieses Gesetz sieht den Boykott der iranischen Zentralbank vor - mit dem Zweck, den internationalen Zahlungsverkehr Irans soweit einzuengen und zu beschränken, dass die Erdöleinnahmen Irans darunter zu leiden hätten. Die Erdölgelder bilden den weitaus grössten Teil des iranischen Deviseneinkommens.
Die Trumpfkarte Irans
Als Reaktion auf diese finanzielle Bedrohung hat Iran erklärt, es könnte möglicherweise die Meerenge von Hormuz sperren. Die iranische Logik dabei ist: Wenn wir keine Devisen mehr für unser Erdöl erhalten sollen, haben wir auch keinen Grund, Erdöl zu verkaufen oder Erdöl durch die "von uns beherrschte" Meerenge passieren zu lassen.
Um ihre Gegendrohungen zu erhärten, führten die iranischen Revolutionswächter Flottenmanöver östlich der Meerenge im Golf von Oman durch. Diese sollten dazu dienen, "die iranische Strategie in den Golfgewässern zu erproben und zu verbessern", wie es in den offiziellen Darstellungen hiess.
Auf die iranischen Manöver hin folgten Erklärungen der amerikanischen Admiralität, die besagten, die USA würden keine Schliessung des Golfes dulden und ihre Flotte sei in der Lage, den Golf offen zu halten.
1988: Abschuss eines iranischen Verkehrsflugzeuges
In Iran ist noch in guter Erinnerung, dass der Krieg zwischen Iran und dem Irak (1980-88) mit einer Intervention der amerikanischen Flotte in den Golfgewässern endete. Die amerikanischen Kriegsschiffe griffen damals mit der Begründung ein, sie wollten dafür sorgen, dass der Tankerverkehr im Golf offen bleibe.
Im Verlauf der damaligen Konfrontationen wurde eine iranische Erdölplattform in den Golfgewässern von einer amerikanischen Korvette beschossen und zerstört.
Auch ein iranisches Verkehrsflugzeug wurde abgeschossen. Dabei starben über 200 Zivilisten. Die Amerikaner sprachen damals von einem Irrtum. Doch die Iraner glauben bis heute so gut wie alle: Es war eine Warnung aus Washington, die andeuten sollte, was noch passieren könnte, wenn Iran den Krieg nicht einstelle. - Was dann auch wirklich geschah.
Man muss sich an diesen Hintergrund erinnern, um die Brisanz der gegenwärtigen Drohgesten zu verstehen.
Iranischer Einfluss gegen amerikanischen Einfluss
Doch das Waffengeschäft mit Saudi-Arabien und seine jetzige „Bestätigung“ haben nicht nur mit der gegenwärtigen Konfrontation im Golf zu tun. Es ist auch im Zuge des grossen Einflussringens zu sehen, das sich im Nahen Osten zwischen einem fundamentalistisch ausgerichteten sunnitischen Islam und einem schiitischen Fundamentalismus, wie er in Iran herrscht, abspielt.
Dabei hat Saudi-Arabien die Rolle eines Vorkämpfers des Sunnismus übernommen. Iran ist bemüht, die arabischen Schiiten zu beeinflussen, indem es sie gegen arabische sunnitische Rivalen und Oberherrscher unterstützt. Dabei geht es nicht wirklich um ein Ringen zwischen Religionsformen und Religionsverständnissen, sondern um ein Machtringen zwischen den Vormächten, Saudi-Arabien und Iran. Beide werden unterstützt durch ihre jeweiligen arabischen Klientelgruppen, die sich einerseits als das sunnitische andrerseits als das schiitische Lager darstellen.
Ankurbelung durch die iranische Revolution
Das Ringen begann kurz nach der iranischen Revolution von 1979 mit der neuen Militanz der damals unterlegenen schiitischen Araber, die durch das Vorbild Irans und auch durch die finanzielle und organisatorische Unterstützung der Revolutionswächter Khomeinis zustande kam.
Verschärfung durch den irakischen Bürgerkrieg
Doch diese Gegensätze wurden gewaltig aufgeheizt und verstärkt durch den inner-irakischen Bürgerkrieg zwischen schiitischen und sunnitischen Milizen, der sich unter der amerikanischen Besetzung des Iraks in den Jahren 2005 bis 2007 abspielte und der immer noch nachwirkt, ja gegenwärtig mit neuen Ausbrüchen droht.
Weil dieser Bürgerkrieg das Gleichgewicht im Irak zwischen Sunniten und Schiiten zu Gunsten der Schiiten verschob, löste er Alarm im weiteren arabischen Umfeld aus, besonders in Saudi-Arabien, in Bahrain und in Libanon, wo es schiitische Minderheiten von Bedeutung gibt. In Libanon und in Bahrain stellen sie Mehrheiten der Bevölkerung dar, machtmässig jedoch waren sie bisher "Minderheiten", das heisst gar nicht oder nur wenig an der Führung des Staates beteiligt. In Saudi-Arabien sind die Schiiten zahlenmässig und machtmässig Minderheiten. Sie sitzen jedoch als Zivilbevölkerung und als Erdölarbeiter auf den wichtigsten Ölfeldern.
Schiitenfurcht, echt oder vorgespielt
Die Furcht vor "schiitischer Unterwanderung der arabischen Welt" hat sich in absurder Weise sogar auf arabische Staaten ausgedehnt, die keine schiitischen Minderheiten aufweisen. Jordanien und das Ägypten Mubaraks waren Beispiele. Wobei ungewiss ist, wieweit Erklärungen über Gefährdung durch eine schiitische Welle nur Propagandaspiele waren, die den Alleinherrschern Möglichkeiten zu bieten schienen, sich in den Augen der Saudis und der Amerikaner als unterstützenswerte Verbündete in Szene zu setzen.
Einbeziehung der Zaiditen und Alawiten
Gegenwärtig spielen die saudischen Wahrnehmungen von Gefährdung durch "die Schiiten" auch eine Rolle in Jemen und in Syrien, weil die Saudis in den vom 12er-Schiismus Irans stark abweichenden Religionsbekenntnissen der Zaiditen in nördlichen Jemen und der Alawiten in Syrien ebenfalls "Schiiten" erblicken wollen und auch bei ihnen einen iranischen Einfluss wittern.
Der Faktor Israel
Die amerikanischen Waffenlieferungen an Saudi-Arabien haben natürlich auch Bedeutung für Israel. Bedenken im amerikanischen Parlament, dass die amerikanischen Waffen in saudischen Händen Israel gefährden könnten, wurden durch Versicherungen zerstreut, dass Washington stets die israelische Waffenüberlegenheit aufrecht erhalten werde. Dies ist Standardpolitik in Amerika, wenn es um Waffenverkäufe an arabische Staaten geht. Israel wird bei solchen Gelegenheiten immer erneut zugesichert, dass es mehr und bessere Waffen aus Amerika erhalten werde als die Araber. Die Israeli sorgen dann dafür, dass solche Zusicherungen auch regelmässig verwirklicht werden.
Aufrüstungsspirale für Araber und Israeli
Das heisst, jeder Waffenverkauf an arabische Staaten sorgt automatisch auch dafür, dass die Bewaffnungsspirale im Nahen Osten zwischen Arabern und Israeli um einen Grad weiter hochgedreht wird. Immer so, dass die Israeli ihren Waffenvorsprung aufrecht erhalten oder gar steigern können.
Dies geschieht unabhängig davon, ob die israelische Politik gegenüber den Palästinensern und ihren Ländereien und Wohnsitzen die volle Billigung Washingtons findet oder auf verbale Bedenken stösst.
Was dann wiederum auf der arabischen Seite die Wahrnehmung fördert, dass die Amerikaner "heuchlerisch" handeln, indem sie sich in Worten anders verhalten als in ihren Taten.
"Arbeitsplätze" für Amerika
Bei alledem kommt auch ein inneramerikanischer Aspekt zur Geltung: Die Waffenindustrie braucht Kunden. Sie ist eine der wichtigsten in Amerika, und sie besitzt ihre Lobby in Washington, die neben der israelischen als eine der mächtigsten und bestfinanzierten gilt. Die Bedeutung der Waffenindustrie wird dadurch erhöht, dass viele andere Industriezweige aus Amerika ausgewandert sind, weil sie die billigen Arbeitskräfte in der "unterentwickelten" Welt nützen wollten. Die Waffenindustrie kann dies nicht, weil sie auch die amerikanischen Streitkräfte bedient und daher eine voll-amerikanische Industrie bleiben muss.
Ein Perpetuum Mobile für die Waffenhersteller
Vom gegenwärtigen 30-Milliarden-Geschäft mit Saudi-Arabien wird gesagt, es helfe 50‘000 Arbeitsplätze in den Staaten „zu bewahren“. Für die amerikanische Waffenindustrie wirkt die saudisch-israelische Konkurrenz (mit eingebauter israelischer Überlegenheit) als ein Perpetuum Mobile, das noch besser läuft, wenn Kriege ausbrechen.
Die verborgene Energiequelle dieses Perpetuum Mobile liegt zurzeit in den saudischen Geldern und den saudischen Ängsten vor der schiitischen Gefahr. Sowie auch in den israelischen Ängsten vor den Palästinensern. Ängste, die ihrerseits wiederum der israelischen Rechtsregierung als Grundlage dazu dienen, um ihre Expansionspolitik in die besetzten Territorien zu rechtfertigen. So auch werden alle Friedensbemühungen zwischen der arabischen Welt und Israel abgewürgt. Was schliesslich wahrscheinlich zu weiteren Unruhen und zu weiterem Blutvergiessen führen wird.
Derartige Ängste sind für die beiden erwähnten Lobbys in Washington und für ihre beiden Sponsoren so wichtig, dass diese eine eigene Informationsindustrie aufgebaut haben, die sich auf Desinformation spezialisiert hat und dazu dient, die Ängste in den Vereinigten Staaten und auch möglichst weltweit zu nähren und weiter zu schüren.
Das Waffenlobby als einer der Antriebsmotoren
Es wäre zu simpel, die gesamte Nahostpolitik der Vereinigten Staaten bloss auf dieses Perpetuum Mobile zurückzuführen. Doch es wäre auch allzu naiv, wollte man seine Wirkung auf die amerikanische Nahostpolitik übersehen. Man muss in Rechnung stellen, dass es an dieser Politik Millionen und Milliarden zu verdienen gibt, natürlich nicht für den amerikanischen Staat, dem sie immer höhere Verschuldung einbringt, sondern für die Geschäftsleute, die in der Lage sind, aus den Waffenverkäufen und den durch sie mit verursachten Kriegen Milliarden zu machen; mit anderen Worten, für das, was schon vor einem halben Jahrhundert Eisenhower warnend als die Macht des "Military Industrial Komplexes" beschrieb. - Sie ist seither ins Unübersehbare gewachsen!