«Savage, despicable evil. That’s what we were fighting in Iraq,» schreibt Chris Kyle im Prolog zu seinem Buch «American Sniper». Der Texaner kämpfte nach seiner Vorstellung gegen das absolut Böse. Und wenn man ihn fragte, wieviele er getötet habe, antwortete er: «The number is not important to me. I only wish I had killed more.»
Chris Kyle ist für viele in den USA ein Nationalheld, und er ist eine tragische Figur. Er war Scharfschütze einer Eliteeinheit und soll nach offiziellen Angaben mit 160 Abschüssen mehr Feinde getötet haben als jeder Scharfschütze in der Geschichte der USA. Er kam 2009 von seinem vierten Einsatz im Irak zurück und wurde 2013 auf einem Schiessplatz in Texas von einem psychisch kranken Irak-Veteranen erschossen. Seine Beisetzung glich einem Staatsbegräbnis. Seine Autobiographie ist ein Bestseller.
Wie eine Auftragsarbeit der NRA
Es hätte verschiedene Möglichkeiten gegeben, diese Story auf die Leinwand zu bringen. Man hätte fragen können, wie sich die historisch belegten Fakten des Irak-Krieges zu der Geschichte verhalten, die Chris Kyle erzählt. Man hätte fragen können, was das denn für ein Krieg war, in dem nach neusten seriösen Berechnungen bereits in den ersten drei Kriegsjahren mehr als eine halbe Million Menschen ums Leben kamen, und ob der Scharfschütze wirklich dabei so wichtig war, wie er erzählt. Und so weiter. Clint Eastwood stellt diese Fragen in seinem Film nicht.
Eastwood hat wunderbar sensible Filme gemacht, «The Bridges of Madison County» ist mir in Erinnerung. Mit «American Sniper» hat er nun ein Ding gedreht, das eher an eine Auftragsarbeit der National Rifle Association (NRA) erinnert. Der Film bebildert eins zu eins die manichäische Welt des texanischen Scharfschützen Chris Kyle. Er meldete sich freiwillig zum Militär: «I wanted to see real action. I liked the idea of fighting.»
Nun kann man argumentieren, ein Spielfilm sei reines Kunstwerk und als solches nicht zur historischen Korrektheit oder zur Dokumentation einer wie auch immer gearteten Realität verpflichtet. Das stimmt sicher. Doch wer sich in einem Film explizit auf den realen Irak-Krieg und eine reale Figur der Gegenwart bezieht, der muss sich daran messen lassen, wieweit sein Film diese Realität wahrnehmen will oder sie verdreht. Und im Rahmen dieser Logik muss Clint Eastwood sich sagen lassen, dass sein Film ein Omnibus ist, in dem alle zweifelhaften Klischees transportiert werden, mit denen die amerikanische Kriegspolitik der letzten Jahrzehnte gerechtfertigt wurde. Einmal mehr kommt jene missionarische Ideologie zum Vorschein, die daran festhält, Amerika sei dazu berufen, die Welt vom Bösen zu befreien. Präsident George W. Bush muss nachträglich kein Propaganda-Video für seinen «Krieg gegen den Terror» in Auftrag gegeben: Clint Eastwood hat es geliefert.
Eine Darstellung amerikanischer Befindlichkeit
Dabei muss eingeräumt werden, dass der Film nicht durchwegs ein falsches Bild malt. Aus den Szenen, die die Brutalität der Einsätze und die seelischen Traumata der Soldaten zeigen, kann man vielleicht einen Appell für mehr Menschlichkeit oder einen prinzipiellen Vorbehalt gegen Krieg herauslesen, wenn man will. In diese Richtung ist ja auch viel interpretiert worden in amerikanischen Medien. Und Clint Eastwood selbst macht geltend, er habe einen Film gegen den Krieg machen wollen. Er habe zeigen wollen, was der Krieg aus einem Menschen machen kann und was er «die daheim gebliebenen Familien kostet.»
«American Sniper» ist aber kein Antikriegsfilm. Es ist ein Film, der die Frage stellt: Muss dieser Irak-Krieg sein, und wie teuer kommt er uns zu stehen? Und die Antwort lautet: Ziemlich teuer, aber der Krieg war gut und richtig. Dass der Einmarsch im Irak unter falschen Prämissen erfolgte, ist keiner Beachtung wert.
«American Sniper» ist ein Film, der den Irak-Krieg als ein Problem der Amerikaner darstellt. Die irakischen Feinde auf der anderen Seite haben dagegen keine Probleme, sie kommen in dem Film nicht als Menschen vor, sondern als Zielscheiben und Attrappen. Sie werden abgeschossen wie die Indianer vor der Wagenburg in drittklassigen Western.
Auswirkungen ausserhalb Amerikas ausgeblendet
«American Sniper» ist eine Art Innenschau auf die amerikanische Befindlichkeit. Breit dargestellt werden die Motive der US-Soldaten, die Härte ihrer Ausbildung, ihre Tapferkeit und ihre Angst, ihre inneren Konflikte und Enttäuschungen, die seelischen Folgen, die Eheprobleme, das Nachkriegs-Syndrom. All das ist Realität der in amerikanischen Gesellschaft.
Von dreihunderttausend amerikanischen Soldaten, die zwischen 2002 und 2008 in Afghanistan und im Irak im Einsatz waren, leiden laut US-Studien rund 21 Prozent an Posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS), 17 Prozent an Depressionen und 36 Prozent an einer anderen psychischen Erkrankung. Soldaten mit Kampferfahrung wiesen die höchsten Raten an Alkohol- und Drogenmissbrauch auf.
Das Leid amerikanischer Soldaten ist also gross, doch was ist mit dem Leid der andern? Im sogenannten «Krieg gegen den Terror» wurden die Zahlen der getöteten Afghaner oder Iraker offiziell nicht publiziert. Erst durch Wikileaks kam ans Licht, dass die amerikanische Armee auch rudimentäre Statistiken über getötete Zivilisten führte, diese aber geheim hielt. Die britische regierungsunabhängige Initiative Iraq Body Count (IBC) kommt zu dem Ergebnis, dass es allein im Irak bis heute mehr als zweihunderttausend Kriegstote gegeben hat. IBC stützt sich aber nur auf offizielle Daten aus Spitälern, Leichenhäusern, und von NGO’s.
Die wahren Zahlen dürften laut Schätzungen von Fachleuten um ein Mehrfaches höher liegen. Denn in vielen ländlichen Konfliktgebieten gab es weder Spitäler noch funktionierende Verwaltung noch Zutritt für unabhängige Beobachter. Eine Gruppe von Wissenschaftern um den amerikanischen Epidemiologen Les Roberts veröffentlichte 2006 in der renommierten medizinischen Fachzeitschrift «Lancet» eine Studie, in der die Zahl der Todesopfer im Irak nach damals drei Jahren Krieg auf 655’000 geschätzt wurde. Andere seriöse Institute kamen auf noch höhere Zahlen.
Western-Legende vom Kampf Mann gegen Mann
Ich habe die Autobiographie von Chris Kyle gelesen und mir nachher den gleichnamigen Film angesehn und war überrascht von der schaupielerischen Leistung der Protagonisten. Bradley Cooper spielt den Sniper und sein psychisches Abdriften brillant, und Sienna Miller ebenso souverän seine leidende und tapfere Ehefrau. Die Qualität von Kamera, Schnitt und Ton sind – wenig überraschend – Hollywood State of the Art. Doch selbst die beste schauspielerische Leistung und auch die beste Kamera und der beste Cutter retten einen Film nicht, wenn der Plot nicht stimmt.
Das Irritierende an diesem Plot ist, dass der Einsatz der amerikanischen Besatzungssoldaten über weite Strecken als Action-Sequenzen inszeniert wird. Ego-Shooter hätten ihre Freude an der Knallerei. Es ist als wollte Clint Eastwood dem Video Game «American Army» Konkurrenz machen, welches das Pentagon ab 2002 millionenfach gratis an Computer-Kids verteilt hat, um Nachwuchs für die Armee anzuwerben.
Das Problem besteht darin, dass der Film ein völlig irreführendes Bild des Kriegsgeschehens malt und die Realität asymmetrischer Kriege ignoriert. Clint Eastwood hält fest an stereotypen Bildern, die nach dem Schema klassischer Western einen Kampf Mann gegen Mann zelebrieren. Der archaische Mythos vom Aufeinandertreffen heldenhafter Individuen hat von biblischen Zeiten bis zu den Ritterkämpfen der Feudalepoche die gesellschaftlichen Vorstellungen von «Krieg» geprägt.
Dieser Mythos hält sich hartnäckig, nicht nur in Hollywood, sondern auch in unseren Köpfen und unseren Videospielen, obwohl dies mit der Realität seit langem nichts mehr zu tun hat. Mit der Entwicklung des Krieges vom «Handwerk» zur industrialisierten Massenvernichtung (Luftbombardements, Artillerie, chemische, biologische und nukleare Waffen) war Schluss mit ritterlichem Kampf Mann gegen Mann. Schon in den Schützengräben des Ersten Weltkrieges kam es mehr auf Artillerie und Kampfgas an als auf einzelne Scharfschützen.
Realitätsverweigerung in Hollywoods Vietnamkrieg
Eklatant wurde die Realitätsverweigerung, als Hollywood begann, den Vietnamkrieg auf die Leinwand zu bringen. Der Charakter dieses Krieges war die grossflächige Luftbombardierung, nicht aber der heldenhafte Infanteriekampf. Nur zehn Prozent aller in Vietnam stationierten GI’s waren Kampftruppen, und von diesen wiederum kam nur ein Bruchteil zum Einsatz für die Verfolgung von Guerrilla-Gruppen oder das Durchkämmen von Siedlungsgebieten. Die grosse Mehrheit der Truppen – Einheiten der Versorgung, Verwaltung, Logistik – kannte den «Shooting War» nur aus der Ferne.
In Laos flog die US-Luftwaffe während des Vietnamkrieges 580’000 Einsätze, bei denen rund zwei Millionen Tonnen Bomben abgeworfen wurden. Neun Jahre lang rund um die Uhr wurde das kleine Land von den US-Streitkräften bombardiert. Die B-52-Piloten warfen ihre Napalm-Bomben ab und flogen zurück zu ihrem Stützpunkt, um eine Dusche und ein Bier zu zu nehmen. Doch das ist nicht der Stoff, aus dem die Helden sind, und daher sind solche Bilder in der Regel weder in den Kriegs-Spielfilmen noch in unseren Köpfen zu finden.
Glücklicherweise gibt es Ausnahmen, wie «Coming Home» von Hal Ashby oder «MASH» von Robert Altmann, die den Krieg nicht als Heldenepos zeichnen, sondern die absurden, banalen und zynischen Seiten der Kriegsroutine nicht unterschlagen.
Nicht erst seit dem Vietnam-Konflikt ist offensichtlich eine gigantische Idelogie-Maschine am arbeiten, die die Realität moderner Kriegsführung unterschlägt, um ein archaisches Stereotyp zu propagieren, nämlich den Kampf Mann gegen Mann.
Aber selbst das kann Clint Eastwoods Film nicht leisten. Denn die Feinde im Film «American Sniper» existieren nur als Statisten, verkörpert von zahlreichen schemenhaften Figuren im Mudschaheddin-Outfit, die abgeschossen werden wie die Hasen auf Treibjagd. Die Action-Dramaturgie verlangt jedoch den Show-Down und folglich ein paar Bad Guys mit stärker ausgearbeitetem Profil. Dies sind der irakische «Butcher», der kleine Kinder mit der Bohrmaschine foltert, und der eigentliche Protagonist unter den Feinden: der kaltblütige irakische Scharfschütze, dargestellt als seelenlose Pappfigur im Rambo-Look. Über die Dauer des ganzen Films killt er immer wieder Marines aus dem Hinterhalt. Am Ende aber wird er vom American Sniper mit einem Meisterschuss ausgeschaltet. Und dabei fliegt die Kugel in Slow Motion, wie es sich für Action-Streifen gehört. John Wayne hätte es o.k. gefunden.
Counterinsurgency-Krieg ist ein schmutziger Krieg
Mit der Realität der Einsätze im Irak oder in Afghanistan hat das alles kaum etwas zu tun. Ein Counterinsurgency-Krieg hat einen völlig anderen Charakter. Der Feind ist im Untergrund und verübt Terroranschläge. Er ist nicht sichtbar und nicht fassbar, also gibt es auch selten Feuergefechte Mann gegen Mann.
«Der Feind versteckt sich in der Zivilbevölkerung», wie es in dem Textbaustein heisst, der dann in der Regel propagandistisch verwendet wird. Tatsache ist dagegen, dass die Besatzungsmacht in manchen Regionen von der Bevölkerung als Feind angesehen wird: Das heisst: Der Feind ist die Zivilbevölkerung, denn die Zivilbevölkerung unterstützt die Aufständischen auf hunderterlei Weise.
Die Untergundgruppen schlagen blitzschnell zu und verschwinden. Nur in sehr seltenen Fällen liefern sie langanhaltende Häuserkämpfe. Die Amerikaner hatten im Irak Verluste durch Sprengfallen, durch Selbstmordanschläge, durch Granatbeschuss, durch «friendly fire» und vieles mehr. Spektakuläre Feuergefechte und den Kampf Mann gegen Mann, wie sie in «American Sniper» als tägliche Routine gezeigt werden, gab es höchst selten.
Die psychische Belastung der US-Soldaten resultiert also zu einem grossen Teil aus der Tatsache, dass sie zwar bedroht, verwundet und getötet werden, den Feind aber nicht fassen können. Jeder kann der Feind sein, und damit wird die Bevölkerung generell zum Feind. In der ersten Szene des Buchs «American Sniper» erzählt Chris Kyle, wie er im März 2003 von seiner Position auf einem Dach eine Frau sieht, die unter ihrem Gewand eine Granate verbirgt und damit auf eine amerikanische Patrouille zu geht. Der Sniper erschiesst die Frau, es ist sein erster tödlicher Schuss im Irak.
Ausweitung der Kampfzone auf Zivilbevölkerung
Der Film hat diese Szene aufgegriffen. Man muss Clint Eastwood zugute halten, dass er wenigstens in einem Aspekt der Realität des Irak-Krieges nahekommt. Er zeigt die Hausdurchsuchungen, die gnadenlosen Razzia-Einsätze gegen die Bevölkerung, die in dieser Art der Aufstandsbekämpfung typisch und unvermeidlich sind. Da werden nächtens Türen eingetreten, zitternde Frauen und Kinder herausgezerrt, die Männer festgenommen und verhört, um Geständnisse oder Informationen herauszupressen. Es ist der klassische Job einer Besatzungsmacht in jedem Counterinsurgency-Conflict, das heisst die Ausweitung der Kampfzone auf die Zivilbevölkerung. Ein schmutziger Job, denn es ist brutale Gewaltanwendung gegen Zivilisten, und – im Gegensatz zu dem, was im Film gezeigt wird – sind wohl ungezählte Familien, denen auf diese Art Gewalt angetan wird, unschuldig.
Mehr noch: Die Frage Schuld oder Unschuld kann da, wo auf irakischer Seite die subjektive Wahrnehmung diejenige eines Widerstandskampfes gegen eine Besatzungsmacht ist, überhaupt nicht schlüssig beantwortet werden. Und auch die Genfer Konventionen greifen zu kurz, wenn die Grenze zwischen Kombattanten und Zivilbevölkerung verschwimmt.
Ein Counterinsurgency-Krieg ist daher «dirty war». Für die Soldaten gibt es kein Entrinnen von dieser Tatsache. «American Sniper» zeigt zwar diesen inneren Konflikt des Soldaten auch am Beispiel des Snipers. Er ist gezwungen, Kinder und Frauen zu erschiessen, und ihm ist sichtlich nicht wohl dabei.
Das Problem wird aber entlastend abgehandelt und flugs aufgelöst in ein paar wenigen Dialogen, in denen der Sniper quasi als moralische Instanz seine Kameraden belehrt, man müsse all diese schlimmen Dinge tun, um sein Land «vor dem Bösen zu beschützen». Einmal sagt er sogar, er wolle seine Frau und seine Kinder schützen, er wolle nicht, dass «sie bis nach Los Angeles kommen». Die Bösen nämlich. Ein Argument, das immer wieder von der Regierung Bush vorgebracht wurde, um den Irak-Krieg zu rechtfertigen: Es gelte, die Heimat zu schützen. Der Irak sei praktisch – wie seinerzeit Vietnam – als Vorort und Bastion des freien Amerika zu verteidigen.
Massaker als Rache
Das Ärgerliche am Film «American Sniper» ist also die Tatsache, dass ausgeblendet wird, was diesen Counterinsurgency-Krieg eigentlich ausmacht. Kein Wort wird verloren über die Hoffnungslosigkeit der amerikanischen Soldaten, die ein Land besetzt halten, dessen Sprachen und Kulturen sie nicht verstehen. Konfrontiert mit einer Bevölkerung, mit der sie nicht kommunizieren und der sie nicht trauen können. Verschanzt in ihren Stützpunkten, die sie nur schwerbewaffnet verlassen können und tatsächlich am Ende des Krieges kaum noch verlassen, während hochbezahlte Söldner privater «Sicherheitsfirmen» draussen den Job machen. Kein Wort über die Tatsache, dass die Iraker meist nur dann «Freunde» sind, wenn sie dafür bezahlt werden oder auf irgendeine Weise von ihren amerikanischen «Freunden» profitieren. Kein Wort über die Alkoholexzesse, die Aggressionen, die Massaker in Falludscha und anderen Konfliktzonen. Kein Wort über Abu Ghraib.
Laut offiziellen Angaben aus dem Pentagon töteten am 19. November 2005 in Haditha in der Provinz al-Anbar amerikanische Marines 24 unbewaffnete irakische Zivilisten, darunter neun Frauen, fünf Kinder und einen älteren einbeinigen Mann im Rollstuhl, durch Erschiessen aus nächster Nähe oder durch Handgranatenwurf. Den Vernehmungsunterlagen zufolge handelte es sich um einen Racheakt unmittelbar nach einem Sprengstoffanschlag, bei dem ein Marine ums Leben kam. Ranghohe Offiziere versuchten den Vorfall zu vertuschen. Die beteiligten Soldaten kamen vor Gericht und wurden meines Wissens bis auf einen inzwischen freigesprochen. Haditha ist eine Momentaufnahme in einem Krieg. Wieviele solcher Fälle aktenkundig werden, ist unklar.
«Being a man»
In Vietnam waren es Hunderte von Fällen, wie aus dem umfangreichen Archiv der «Vietnam War Crimes Working Group» und anderen offiziellen Dokumentationen hervorgeht, die der deutsche Historiker Bernd Greiner meines Wissens als einer der ersten systematisch ausgewertet hat (Bernd Greiner: Krieg ohne Fronten. Die USA in Vietnam, 2007). Der amerikanische Verteidigungsminister Robert McNamara schrieb im November 1966 in einem Brief an Präsident Lyndon B. Johnson, der Vietcong verliere laut vorliegender Statistik offenbar sechmal weniger Waffen als Soldaten. «Dies aber legt nahe, dass viele der Getöteten unbewaffnete Unterstützer oder Unbeteiligte sind.»
Was Chris Kyle angeht, so ist vielleicht der erschütterndste Satz in seinem Buch die Bemerkung, in seiner Geschichte gehe es nicht nur darum, wieviele Leute er umgebracht habe und wie er für sein Land gekämpft habe, sondern auch um eines: «It’s about being a man.»
Dass Männlichkeit definiert wird durch die Faszination für Krieg und Gewalt, ist besorgniserregend. Und der Umstand, dass «American Sniper» in den USA zum erfolgreichsten Kinofilm des Jahres 2014 wurde, scheint eine Art Barometer für die psychische Grosswetterlage der amerikanischen Nation zu sein.