Er ist bereits da in meiner südlichen (südfranzösischen) Region: der Altweibersommer. Ein Landgericht von Darmstadt hat 1989 entschieden, dass das Wort "keinen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte von älteren Damen" bedeute. Es würde mich freuen, wenn man auch so etwas Schönes nach uns älteren Herren benennen könnte.
Es handelt sich um einen Luxus in der Natur, um eine Stille in der lauwarmen Luft, um Durchsichtigkeit der Farben, um Sanftheit, um einen kurzen Stillstand der Zeit und damit der Weltenläufte. Und was der romantischen und weltflüchtigen Attribute noch mehr sind. In Nordamerika spricht man prosaischer vom "Indian Summer", weil diese letzte Sommerwärme den eingeborenen Indianern damals eine gute Ernte für den Winter versprach. Bei uns spielen ethymologisch offenbar weisse luftgetragene Spinnenfäden - Haare und Weben (Weiber?) - Taufpaten.
So genau will man es aber gerade nicht wissen in diesem unverantwortlichen, jedoch kostbaren Moment einer ephemeren Zeit- und Geschichtslosigkeit. Etwas Unaktuelleres als dieses Thema könnte man sich gar nicht aussuchen. Man stelle sich vor Augen (ohne Gewähr, Vollständigkeit und Rang): der sog. "Islamische Staat", Gaza und Israël, Ebola, Putin und die Ukraine, die Schweiz und das Völkerrecht, die Selbstverstümmelung der sog. staatstragenden Parteien in Frankreich, die Absenzen Obamas und der EU - und damit verbunden eine fast schon gigantische Fehlinformation des Publikums, nicht durch Lügen, sondern durch Auslassungen (Stichworte: Putin, Hamas, Katar und auch USA und natürlich Wirtschaft).
Aber die mentale Abstinenz - dieses anti-mediale Innehalten in der meteorologischen "Singularität" des Spätsommers mit seinen Antiwerten - hat gleichzeitig etwas Heilsames. Man hat nichts verpasst - und etwas Furchtbares: alles ist wie immer. Nur ein bisschen anders und schlimmer. Ich vergass zu erwähnen: der Altweibersommer ist - in jeder Hinsicht - eine Hochdrucklage.