Als Knabe beschäftigte sich der in Vouvry/VS aufgewachsene Hans Rudolf noch mit dem Flicken von Töfflis und dem Basteln von Modellflugzeugen. Dass Schlupfwespen als fliegende Insekten einmal sein Leben bestimmen würden, ahnte der Junge damals noch nicht. Zwar wuchs er inmitten von Weizenfeldern und Tabakplantagen auf, und der tüchtige Einsatz von Agrochemie gehörte zum Alltag. Aber bereits in sehr jungen Jahren fragte er sich, ob es nicht natürlichere Mittel zur Schädlingsbekämpfung gäbe. Vielleicht vermutete er bereits eine Antwort: „Meine Lieblingsinsekten waren bereits damals die Marienkäferchen“, erinnert sich Hans Herren mit einem leichten Schmunzeln.
Die entscheidenden Impulse erhielt Herren während seiner Ausbildung an der ETH, vor allem durch den Insektenforscher Prof. Vittorio Delucchi, einem Pionier der Idee, in der Landwirtschaft gegen schädliche Insekten nicht Chemie, sondern natürliche Feinde einzusetzen.
Lärchenwickler und Schmierläuse
Vorerst war Herren vor allem von den Ergebnissen der natürlichen Schädlingsbekämpfung in Australien beeindruckt, wo Marienkäfer gegen Blattläuse eingesetzt wurden. Der Gedanke, in der Natur Nützlinge gegen Schädlinge einzusetzen, liessen den jungen Forscher nicht mehr los. Seine Doktorarbeit befasste sich folgerichtig mit der Bekämpfung des Grauen Lärchenwicklers, wie er in regelmässigen Abständen in Graubünden und dem Wallis auftrat.
Die Fortsetzung seiner Studien über Nützlinge fand an der University of California in Berkeley statt. Hier entwickelte man Modelle für Populationsdynamik. In der Praxis suchte man Möglichkeiten, die Ausbreitung von Schmierläusen im Maniokanbau zu verhindern.
Diese Suche nach nachhaltigen Lösungen erwies sich allerdings als aufwendig und zeitraubend. Es brauchte Jahre, bis sich vor allem in Paraguay und Bolivien Experimente mit Schlupfwespen erfolgreich im Kampf gegen seinerzeit über Setzlinge eingeschleuste Schmierläuse einstellten. Unter Herrens Leitung wurden zwischen 1979 bis 1992 Maniok-Schmierläuse mit 1,6 Millionen gezüchteten und z.T. per Flugzeug ausgesetzten Schlupfwespen bekämpft. In Afrika, wo Herren mittlerweile tätig ist, konnten auf diese Weise eine Hungersnot verhindert und die wichtigste Nahrungsquelle für rund 200 Millionen Menschen geschützt werden.
Gründung des Vereins „Biovision“
Hans Rudolf Herren wurde für seinen unermüdlichen Einsatz für eine nachhaltige Landwirtschaft mit mehreren Preisen ausgezeichnet, speziell erwähnt sei der Welternährungspreis („World Food Prize“) vom Oktober 1995. 1998 gründete er den Verein „Biovision“ mit Sitz in Zürich, deren Präsident er noch heute ist.
Die Stiftung hat zum Ziel, die Lebenssituation der Menschen in Afrika nachhaltig zu verbessern und die Natur als Grundlage allen Lebens zu erhalten. Damit bekämpft sie Armut und Hunger und setzt sich für die Anwendung ökologischer Methoden ein, die zur nachhaltigen und umweltschonenden Verbesserung der Lebensbedingungen speziell in Afrika – aber generell im Norden wie im Süden - führen.
Höchste Auszeichnung: „Alternativer Nobelpreis“
Hans Rudolf Herren ist der erste Schweizer, der jetzt den seit 1980 verliehenen „Right Livelihood Award“ aus Stockholm erhält. In der Begründung heisst es, dass Herren „mit wissenschaftlicher Kompetenz und bahnbrechender praktischen Arbeit einer gesunden, sicheren und nachhaltigen globalen Nahrungsversorgung den Weg bahnt“.
Wie Herren als „Tagesgast“ auf Radio SRF1 ausführt, stecken seine Bemühungen erst in den Anfängen: “In unserer Landwirtschaft ist ein Paradigmawechsel nötig – noch immer läuft vieles falsch. Es gibt viele Möglichkeiten für eine nachhaltigere Landwirtschaft“. Politik und Privatwirtschaft müssten sich künftig viel stärker einsetzen, „da wir noch viel mehr Kenntnisse über Nützlinge brauchen“.
Eine Vision für 2050…
Herren will mit drei Pilotprojekten in Afrika zeigen, wie es gehen könnte und weist darauf hin, dass viele Pflanzen eigene Duftstoffe entwickeln, um Nützlinge anzuziehen. Der Einsatz von Chemie mache solche Mechanismen aber teilweise kaputt. „Kurzfristig sieht noch rasch mal etwas gut aus – aber langfristig…?“
„Welche Welt wollen wir in Zukunft“, fragt Herren am Schluss des Gesprächs, „wenn überhaupt eine?“. Er selber hat eine Vision, die er mit dem alternativen Nobelpreis bestätigt sieht: Eine Welt auf der auch 2050, wenn dereinst 9 Milliarden Menschen unseren Planeten bevölkern werden, jeder mit genügend gesunder Nahrung versorgt werden kann.
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Buchhinweis:
Herbert Cerutti
„Wie Hans Rudolf Herren 20 Millionen Menschen rettete“
orell füssli 2011, ISBN 978-3-280-0549-3