Natürlich bleibt es jedermann unbenommen, seinem Leben ein Ende zu setzen, wenn er es nicht mehr für lebenswert hält. Ob das Argument der Selbstbestimmung genügt, um den Altersfreitod zu rechtfertigen, möchte ich jedoch in Frage stellen. Was bedeutet denn Autonomie am Lebensende? Was ist unter einem selbstbestimmten Sterben zu verstehen? In der allgemeinen Debatte scheint klar, dass damit die eigenmächtige Festsetzung des Todeszeitpunktes gemeint ist. Die Gründe, die dafür am häufigsten genannt werden, sind Abhängigkeit und Würdelosigkeit.
Ich kann diese Argumente nachvollziehen. Und doch: Mich umbringen, weil ich ins Pflegeheim muss? Meinem Leben ein Ende setzen, weil ich gebrechlich geworden und auf Hilfe anderer angewiesen bin? Nein, ich versuche für mich die Begriffe „Autonomie“ und „Würde“ anders zu definieren. Meine Vorstellung von Selbstbestimmung besteht darin, dass ich mein Lebensende leben will: zuende leben, nicht vorzeitig abbrechen. Und meine Würde sehe ich auch dann noch gewahrt, wenn ich nicht mehr rundum über mich selbst verfüge.
Zu meinen, man könne ein Leben lang alles im Griff haben, halte ich für eine grosse Illusion. Der Versuch, Würde auch im Zustand höchster Verletzlichkeit zu erkennen, ist eine der grossen Herausforderungen am Lebensende. Ob ich ihr gewachsen sein werde, weiss ich nicht. Aber ich möchte es zumindest erfahren.